»Mist, jetzt muss ich ihn noch einmal auskochen.« Ich hob das Tuch vom Boden auf und wandte mich zur Feuerstelle, um meine Verwirrung hinter meiner Geschäftigkeit zu verbergen. War es möglich, dass dieser Hauptmann Randall tatsächlich Franks Vorfahre war, der Soldat mit der makellosen Dienstakte, tapfer auf dem Schlachtfeld, durch Herzöge belobigt? Und wenn ja, war es möglich, dass ein Mensch, der mit meinem liebenswerten, rücksichtsvollen Frank verwandt war, diesem Jungen die grauenvollen Narben auf dem Rücken zugefügt hatte?
Ich beschäftigte mich am Feuer, warf noch ein paar Handvoll Zaubernuss und Knoblauch in das kochende Wasser und legte weitere Tücher hinein. Als ich glaubte, meine Stimme und mein Gesicht wieder kontrollieren zu können, wandte ich mich zu Jamie um, ein Waschtuch in der Hand.
»Warum bist du ausgepeitscht worden?«, fragte ich abrupt.
Die Frage war zwar wenig taktvoll, aber ich wollte es unbedingt wissen, und ich war einfach zu müde, um es rücksichtsvoller auszudrücken.
Er seufzte und bewegte die Schulter unbehaglich unter meinen Zuwendungen. Auch er war müde, und ich fügte ihm zweifellos Schmerzen zu, selbst wenn ich noch so sehr versuchte, sanft zu sein.
»Beim ersten Mal war es Flucht, beim zweiten Mal Diebstahl – das stand zumindest in der Anklageschrift.«
»Flucht?«
»Ich bin vor den Engländern geflohen«, sagte er und zog ironisch die Augenbrauen hoch. »Falls du wissen willst, wo, aus Fort William.«
»Dass es die Engländer waren, hatte ich schon verstanden«, sagte ich im gleichen trockenen Ton wie er. »Aber was hat dich überhaupt nach Fort William verschlagen?«
Er rieb sich mit der freien Hand die Stirn. »Oh, das. Ich glaube, das war Widerstand gegen die Militärgewalt.«
»Na, Widerstand gegen die Militärgewalt, Flucht und Diebstahl. Das klingt ja, als wärst du ein ziemlich gefährlicher Charakter«, sagte ich scherzhaft, um ihn von meinem Tun abzulenken.
Es funktionierte zumindest ansatzweise; sein breiter Mund verzog sich an einer Seite nach oben, und seine dunkelblauen Augen sahen sich funkelnd nach mir um.
»Oh, das bin ich ohne Zweifel«, bestätigte er. »Ein Wunder, dass du dich in einem Zimmer mit mir sicher fühlst, und das, obwohl du Engländerin bist.«
»Tja, im Moment siehst du doch ganz harmlos aus.« Was absolut nicht stimmte; ohne Hemd, voller Narben und blutverschmiert, unrasiert und mit geröteten Augenlidern nach der langen Nacht im Sattel sah er durch und durch verrufen aus … so, als könnte er seiner Müdigkeit zum Trotz jederzeit weiteres Unheil anrichten, falls es nötig sein würde.
Er lachte, ein überraschend tiefer, ansteckender Klang.
»Harmlos wie eine Taube im Nest«, pflichtete er mir bei. »Ich habe solchen Hunger, dass ich höchstens für das Frühstück eine Bedrohung darstellen würde. Falls mir allerdings ein verirrtes Fladenbrot in die Hände fallen sollte, übernehme ich keine Verantwortung für die Folgen. Oh!«
»Tut mir leid«, murmelte ich. »Die Stichwunde ist tief, und sie ist verschmutzt.«
»Ist schon gut.« Doch unter seinen kupferroten Bartstoppeln war er blass geworden. Ich versuchte, ihn erneut ins Gespräch zu verwickeln.
»Was genau versteht man denn unter Widerstand gegen die Militärgewalt?«, fragte ich beiläufig. »Nach einem Schwerverbrechen hört sich das eigentlich nicht an.«
Er holte tief Luft und heftete den Blick entschlossen auf den Bettpfosten, während ich tiefer in die Wunde eindrang.
»Ah. Nun ja. Ich vermute, es ist, was immer die Engländer darunter verstehen. In meinem Fall bestand das Vergehen darin, dass ich meine Familie und mein Eigentum verteidigt habe und dabei fast umgekommen wäre.« Er presste die Lippen aufeinander, als wollte er nichts mehr sagen, doch nach einer Weile fuhr er fort, als wollte er sich unbedingt auf etwas anderes als seine Schulter konzentrieren.
»Es ist jetzt fast vier Jahre her. Die Gehöfte rings um Fort William wurden zu Abgaben verpflichtet – Nahrung für die Garnison, Pferde und so weiter. Ich möchte nicht behaupten, dass viele darüber erfreut waren, aber die meisten haben gegeben, was sie konnten. Kleine Gruppen von Soldaten sind mit einem Offizier und ein oder zwei Wagen losgezogen, um die Lebensmittel und anderes an sich zu nehmen. Und eines Tages im Oktober kam dieser Randall nach L…«, er fing sich rasch und warf mir einen Blick zu, »… zu uns.«
Ich nickte ermunternd, die Augen auf meine Arbeit gerichtet.
»Wir hatten gedacht, so weit würden sie nicht kommen; es ist ein ganzes Stück vom Fort entfernt und nicht leicht zu erreichen. Aber sie sind trotzdem bei uns aufgetaucht.«