Wieder war es die massige Mrs. FitzGibbons, die mich am Morgen weckte. Im Gepäck hatte sie etwas, was anscheinend das vollständige Kosmetiksortiment war, das einer schottischen Dame von edlem Geblüt zur Verfügung stand. Bleikämme zum Schwärzen der Augenbrauen und Wimpern, kleine Töpfchen mit Reis- und Schwertlilienwurzelpuder, sogar ein Stift, von dem ich vermutete, dass es Kajal war, obwohl ich noch nie einen gesehen hatte, und ein zartes Porzellanschälchen mit französischem Rouge, das mit einem Deckelchen verschlossen und mit einer Bordüre aus vergoldeten Schwänen verziert war.
Außerdem hatte Mrs. FitzGibbons einen gestreiften grünen Überrock und ein Seidenmieder dabei, dazu gelbe Baumwollstrümpfe, ganz anders als das grobe Leinen, mit dem man mich gestern ausstaffiert hatte. Was auch immer in der »Halle« geschah, es schien ein Anlass von einiger Bedeutung zu sein. Ich war zwar versucht, darauf zu bestehen, meine eigenen Kleider zu tragen, nur um mich querköpfig zu benehmen, doch die Erinnerung daran, wie der fette Rupert auf mein »Hemd« reagiert hatte, reichte aus, um mich davon abzubringen.
Außerdem mochte ich Colum, auch wenn er anscheinend vorhatte, mich erst einmal hierzubehalten. Nun, das würden wir ja sehen, dachte ich, während ich mich mit dem Rouge abmühte. Dougal hatte doch gesagt, dass der junge Mann, den ich verarztet hatte, jetzt im Stall arbeitete, oder? Und in diesem Stall gab es ja vermutlich Pferde, auf denen man davonreiten konnte. Ich beschloss, mich auf die Suche nach Jamie MacTavish zu machen, sobald der offizielle Teil des Vormittags vorüber war.
Die »Halle« entpuppte sich als genau das, nämlich als der Speisesaal, in dem ich gestern Abend gesessen hatte. Jetzt jedoch hatte man ihn umgeräumt, indem man die Tische, Bänke und Hocker an die Wände geschoben hatte. Der Tisch am Kopfende war fort, und an seiner Stelle stand ein mächtiger, mit Schnitzereien verzierter Sessel aus dunklem Holz mit einem Stoffbezug, von dem ich vermutete, dass es der MacKenzie-Tartan war, dunkelgrün und schwarz kariert mit feinen roten und weißen Linien. Die Wände waren mit Stechpalmenzweigen geschmückt, und man hatte den Steinboden mit frischen Binsen eingestreut.
Hinter dem Sessel blies ein junger Dudelsackspieler sein kleines Instrument auf, das Ächz- und Keuchlaute von sich gab. Ich vermutete, dass die Männer neben ihm Colums engste Vertraute waren: ein Mann mit einem hageren Gesicht, der eine Hose und ein Rüschenhemd trug und an der Wand lehnte; ein kleiner, beinahe kahlköpfiger Mann mit einem feinen Brokatrock, eindeutig ein Schreiber, da er an einem kleinen Tisch mit Tintenhorn, Federkielen und Papier saß; zwei muskulöse Männer in Kilts, die ihrer Körperhaltung nach Wachtposten waren, und auf der anderen Seite einer der größten Männer, die ich je gesehen hatte.
Ich starrte diesen Giganten beeindruckt an. Grobes Haar wuchs ihm so tief in die Stirn, dass es sich fast mit seinen buschigen Augenbrauen traf. Seine immensen Unterarme, die aus den aufgekrempelten Hemdsärmeln ragten, waren von ähnlichen Matten bedeckt. Anders als die meisten anderen Männer, die ich bis jetzt hier gesehen hatte, schien der Gigant nicht bewaffnet zu sein, abgesehen von einem kleinen Messer in seinem Strumpfsaum, dessen Griff im Dickicht der schwarzen Locken über den fröhlich karierten Strümpfen gerade eben auszumachen war. Ein breiter Ledergürtel umschloss eine Taille, die fast einen Meter zwanzig messen musste, doch es steckten weder Dolch noch Schwert darin. Trotz seiner Körpergröße trug der Mann eine freundliche Miene und schien mit dem schmalen Mann zu scherzen, der im Vergleich zu seinem gewaltigen Gesprächspartner wie eine Marionette aussah.
Der Bläser begann zu spielen, nachdem sein Instrument einen letzten Rülpser ausgestoßen hatte, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Quietschlaut, der sich schließlich zu etwas zusammensetzte, das einer Melodie ähnelte.
Es waren etwa dreißig oder vierzig Personen versammelt, und jede von ihnen schien deutlich besser gekleidet und gepflegt zu sein als die Speisenden gestern Abend. Alle Köpfe wandten sich nun dem unteren Ende des Saals zu, wo nach einer kurzen Pause, in der die Musik Fahrt aufnehmen konnte, Colum erschien, in einigen Schritten Abstand gefolgt von seinem Bruder Dougal.
Beide MacKenzies waren dem offiziellen Anlass entsprechend gekleidet, mit dunkelgrünen Kilts und gut sitzenden Röcken, Colum in Blassgrün und Dougal in Rotbraun. Beide hatten ihr Plaid über die Brust geschlungen und es mit einer großen, juwelenbesetzten Brosche an der Schulter befestigt. Colum trug sein schwarzes Haar heute offen; sorgfältig geölt lag es ihm auf den Schultern. Dougal hatte das seine auch jetzt zu einem Zopf geflochten, der fast denselben Farbton hatte wie der rotbraune Satin seines Rocks.