Ich zögerte. Einerseits musste ich Alveron möglichst bald von den falschen Schauspielern berichten. Wenn er meine Version der Ereignisse zuerst hörte, konnte ich mich ihm in einem günstigen Licht darstellen. Wenn er dagegen zuerst auf offiziellem Weg davon erfuhr, war er womöglich nicht mehr willens, die Tatsache zu übersehen, dass ich in voller Absicht neun Reisende getötet hatte.
Andererseits wollte ich keinesfalls, dass Meluan bei dem Gespräch dabei war. Es hätte alles nur verkompliziert. Ich versuchte es ein letztes Mal. »Es geht um eine höchst unschöne Sache, Euer Gnaden.«
Alveron runzelte ein wenig die Stirn und schüttelte den Kopf. »Wir haben keine Geheimnisse voreinander.«
Ich unterdrückte einen resignierten Seufzer und zog ein dickes, zusammengefaltetes Pergament aus einer Innentasche meines
Er überflog das Pergament und hob überrascht den Kopf. »Ja. Wie kommt er in deine Hand?«
»Ach Lerand«, sagte Meluan, »ich wusste, dass du die Bettler durch deine Länder reisen lässt, aber ich hätte nicht gedacht, dass du ihnen auch noch Schutzbriefe ausstellst.«
»Es handelte sich nur um eine Truppe fahrender Schauspieler«, erwiderte er. »Und sie in meinen Schutz zu nehmen entspricht meiner Stellung. Jedes Haus, das etwas auf sich hält, beschäftigt zumindest ein paar Schauspieler.«
»Meines nicht«, entgegnete Meluan fest.
»Es ist nur zweckmäßig, eine eigene Truppe zu haben«, erklärte Alveron freundlich. »Oder besser gleich mehrere. Man kann dann, wenn man ein Fest plant, die entsprechende Wahl für die Unterhaltung treffen. Woher glaubst du kamen die Musiker bei unserer Hochzeit?«
Da Meluan keine Anzeichen der Besänftigung zeigte, fuhr er fort: »Sie dürfen keine obszönen oder gottlosen Stücke spielen, meine Liebe. Ich lasse sie streng beaufsichtigen. Und sei versichert, keine Stadt in meinem Land würde eine Schauspieltruppe ohne einen solchen Schutzbrief auftreten lassen.«
Er wandte sich wieder an mich. »Womit wir wieder beim Thema wären. Wie kommst du in den Besitz ihres Briefs? Ohne ihn kann die Truppe nicht auftreten.«
Ich zögerte, denn ich wusste nicht, wie ich in Meluans Anwesenheit am besten anfangen sollte. Ich hatte vorgehabt, den Maer allein zu sprechen. »Sie treten in der Tat nicht mehr auf, Euer Gnaden. Sie wurden getötet.«
Der Maer zeigte keine Überraschung. »Ich dachte es mir. So bedauerlich es ist, es passiert ab und zu.«
Meluans Augen blitzten. »Ich gäbe viel darum, wenn es öfter passieren würde.«
»Weißt du, wer sie getötet hat?«, fragte der Maer.
»Das könnte man so sagen. Ja, Euer Gnaden.«
Er hob fragend die Augenbrauen. »Und?«
»Ich.«
»Du hast was?«
Ich seufzte. »Ich habe die Leute getötet, die diesen Schutzbrief mit sich führten, Euer Gnaden.«
Der Maer erstarrte. »Wie bitte?«
»Sie hatten zwei Mädchen aus einem Dorf entführt, durch das sie kamen.« Ich überlegte, wie ich mich vor Meluan am schonendsten ausdrücken konnte. »Die Mädchen waren noch jung, Euer Gnaden, und die Männer behandelten sie nicht gut.«
Meluans bereits finstere Miene erstarrte vollends zu Eis. Doch bevor sie etwas sagen konnte, fragte Alveron ungläubig: »Und du hast sie eigenmächtig getötet? Eine ganze Truppe Schauspieler, die unter meinem Schutz standen?« Er rieb sich die Stirn. »Wie viele waren es?«
»Neun.«
»Großer Gott …«
»Ich finde, er hat richtig gehandelt«, sagte Meluan heftig. »Ich schlage vor, du gibst ihm ein Dutzend Leibwächter mit, und er soll mit allen Truppen der Ruh, die er auf deinen Ländern findet, genauso verfahren.«
»Die Ruh kümmern mich so wenig wie dich, meine Liebe«, erwiderte Alveron etwas strenger, »aber Gesetz ist Gesetz. Wenn …«
»Gesetz ist, was du daraus machst«, fiel Meluan ihm ins Wort. »Dieser Mann hat dir einen großen Dienst erwiesen. Du solltest ihn mit Titel und Lehen belohnen und in deinen Rat aufnehmen.«
»Er hat neun meiner Untertanen getötet«, entgegnete Alveron streng. »Wenn sich Menschen außerhalb des Gesetzes stellen, ist Anarchie die Folge. Wenn ich von dieser Angelegenheit von anderen erfahren hätte, hätte ich Kvothe als Banditen aufknüpfen lassen.«
»Er hat neun Ruh getötet, neun Vergewaltiger, Mörder und Diebe. Neun Ruh weniger auf der Welt, davon profitieren wir alle.« Meluan sah mich an. »Ich glaube, was du getan hast, war richtig und angemessen.«
Ihr auf einer falschen Annahme beruhendes Lob machte mich wütend. »Nicht alle waren Männer, gnädige Frau«, sagte ich.
Meluan erbleichte ein wenig.
Alveron rieb sich das Gesicht. »Du meine Güte, Kvothe, du schlägst mit deiner Aufrichtigkeit zu wie mit einer Axt.«
»Außerdem«, fuhr ich ernst fort, »sollte ich mit Verlaub noch erwähnen, dass die Getöteten keine Edema Ruh waren, nicht einmal fahrende Schauspieler.«
Alveron schüttelte müde den Kopf und klopfte mit dem Finger auf das Pergament. »Hier steht etwas anderes. Hier ist von Edema Ruh und Schauspielern die Rede.«