„Keine Verletzten gemeldet“, kicherte einer der Rogues.
„Vielleicht keine Menschen“, fügte der andere hinzu. „Aber der Stamm hat verdammt schwer einstecken müssen. Ich hab gehört, von dem Toten war nicht mehr viel übrig, was die Sonne sich holen konnte.“
Das entlockte dem ersten Idioten erneutes Kichern. Laut blies er seinen fauligen, nach altem Blut stinkenden Atem in den Raum, als er die Detonation nachahmte, die der mit dieser Aufgabe betraute Bombenleger in dem Tunnel ausgelöst hatte.
„Bedauerlich, dass der andere Krieger, der bei ihm war, überlebt hat und verschwinden konnte.“ Die Rogues wurden still, und ihr Anführer drehte sich endlich zu ihnen um. „Nächstes Mal teile ich euch zwei für diese Aufgabe ein, da ihr Misserfolge ja so amüsant findet.“
Sie zogen Grimassen und knurrten wie die Raubtiere, die sie waren. Der Blick aus geschlitzten Pupillen im goldgelben See ihrer starren Iris richtete sich zu Boden, als der Anführer gemessenen Schrittes langsam auf sie zukam. Nur der Umstand, dass der Stamm in der Tat einen schweren Verlust hatte hinnehmen müssen, milderte seinen Ärger.
Allerdings war der Krieger, der die Bombe abbekommen hatte, nicht das eigentliche Ziel der Mission gewesen, auch wenn jedes tote Mitglied des Ordens ein Gewinn für seine Sache war. Es würde noch Zeit sein, den zu eliminieren, den sie Lucan nannten. Vielleicht würde er das persönlich übernehmen, von Angesicht zu Angesicht, von Vampir zu Vampir, ohne die Arglist von Waffen.
Ja, dachte er, es würde ihm enormen Genuss bereiten, diesen Kerl zu töten.
Ausgleichende Gerechtigkeit.
„Zeigt her, was ihr mir mitgebracht habt“, befahl er den Rogues.
Die zwei wirbelten herum und enteilten durch eine Schwingtür, um das Gepäck zu holen, das draußen im Gang wartete. Schnell waren sie zurück und zerrten mehrere lethargische, fast völlig ausgeblutete Menschen hinter sich her. Die Männer und Frauen, insgesamt sechs, waren an den Handgelenken zusammengebunden und trugen lockere Fußfesseln, auch wenn keiner von ihnen imstande schien, einen Fluchtversuch auch nur zu erwägen.
Katatonische Blicke starrten ins Nichts. In den bleichen Gesichtern hingen die Unterkiefer schlaff herab, unfähig zu schreien oder zu sprechen. Am Hals trugen sie blutige Male, wo ihre Entführer zugebissen hatten, um sie unter Kontrolle zu bringen.
„Für Euch, Sire. Frische Bedienstete für die Sache.“
Das halbe Dutzend Menschen wurde wie Vieh in den Raum getrieben – und genau das waren sie: Rohstoffe aus Fleisch und Blut, die er nach seinem Gutdünken zur Arbeit oder in den Tod schicken konnte.
Er warf einen mäßig interessierten Blick auf den Fang des Abends. Träge schätzte er die zwei Männer und vier Frauen auf ihr Potenzial als Bedienstete ab. Mit leichter Ungeduld näherte er sich dem armseligen Haufen. Aus einigen der Halswunden sickerte noch frisches Blut.
Er entschied, dass er Hunger hatte. Sein prüfender Blick erhellte sich beim Anblick einer kleinen, brünetten Frau mit Schmollmund und reifen, vollen Brüsten, um die sich das trübe Seegrün ihrer sackartigen, schlecht sitzenden Krankenhauskleidung spannte. Ihr Kopf sackte immer wieder zur Seite, zu schwer, um ihn aufrechtzuhalten, auch wenn sie offensichtlich noch gegen die Apathie ankämpfte, die die anderen bereits ergriffen hatte. Ihr Blick war teilnahmslos, die Augen nach oben verdreht, dennoch wehrte sie sich gegen den Sog der Katatonie und blinzelte benommen, um bei Bewusstsein und wachsam zu bleiben.
Er konnte nicht umhin, ihren Schneid zu bewundern.
„K. Delaney, staatlich geprüfte Krankenschwester“, sinnierte er laut, als er das Plastiknamensschild las, das über der Rundung ihrer linken Brust befestigt war.
Er nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und hob ihr Gesicht, um sie besser ansehen zu können. Sie war hübsch und jung. Und ihre sommersprossige Haut roch süß, saftig. Ihm lief gierig das Wasser im Mund zusammen, und seine Pupillen verengten sich hinter der Tarnung seiner dunklen Sonnenbrille.
„Die hier bleibt hier. Bringt den Rest nach unten in die Käfige.“
Zuerst dachte Lucan, das durchdringende Schrillen sei Teil der Agonie, die er seit Stunden durchlief. Sein gesamter Körper fühlte sich versengt, geschunden und tot an. Sein Kopf hatte irgendwann aufgehört zu hämmern und quälte ihn nun mit einem anhaltenden klingelnden Schmerz.
Er befand sich in seinem Privatquartier, in seinem eigenen Bett, so viel wusste er. Er erinnerte sich, wie er sich mit dem allerletzten Rest seiner Kraft dorthin geschleppt hatte, nachdem er die vollen acht Minuten, die gefordert waren, oben bei Conlans Leichnam geblieben war.
Er war sogar noch länger geblieben, hatte heroisch weitere sengende Sekunden erduldet, bis die Strahlen der aufgehenden Sonne das Leichentuch des gefallenen Kriegers in Brand gesetzt hatten und eine eindrucksvolle Explosion aus Licht und Flammen erfolgte. Da erst hatte er sich aufgemacht und in den unterirdischen Mauern des Quartiers Schutz gesucht.