„Aber ich bestehe darauf.“ Er reichte der Bedienung einen Zwanziger und winkte ab, als sie ihm das Wechselgeld reichen wollte. Den schmachtenden Blick der jungen Frau schien er gar nicht zu bemerken, all seine Aufmerksamkeit ruhte auf Tess. Die Intensität seiner wundervollen Augen, seine ganze Präsenz schien die Luft aus dem sowieso schon überheizten Raum zu verdrängen.
„Danke“, sagte sie und nahm ihre Brownietüte und den Pappbecher vom Tresen. „Und Sie selber möchten nichts?“
„Ich meide Zucker und Koffein. Das ist nicht mein Ding.“
„Nicht? Das sind zufällig zwei meiner Lieblingslaster.“
Dante gab einen Laut von sich, tief in der Kehle, fast ein Schnurren. „Was für Laster haben Sie denn sonst noch?“
„Meine Arbeit, vor allem“, sagte sie schnell und spürte, wie sie rot wurde. Schnell drehte sie sich zum Ende der Theke um und nahm sich ein paar Papierservietten aus dem Spender. Eine seltsame Hitze umspielte ihren Hals, prickelnd wie eine schwache elektrische Strömung. Tess spürte sie bis ins Mark, in jeder pulsierenden Vene. Jetzt musste sie aber sofort das Thema wechseln. Viel zu sehr war sie sich der Hitze bewusst, die er ausstrahlte, als er ihr zwanglos zur Tür des Cafés folgte. „Ist das eine Überraschung, Sie hier zu treffen, Dante. Wohnen Sie in der Gegend?“
„Ganz in der Nähe. Und Sie?“
„Nur ein paar Blocks von hier“, sagte sie und ging mit ihm in die kühle Nachtluft hinaus.
Nun, als sie wieder neben ihm stand, konnte sie an nichts anderes denken als an ihr seltsames, erotisch aufgeladenes Treffen auf der Ausstellung. Seither hatte sie praktisch pausenlos an diese unglaublichen paar Minuten gedacht und sich gefragt, ob sie sich das Ganze vielleicht nicht nur eingebildet hatte – ob Dante nicht einfach ein Produkt ihrer Vorstellung, einer dunklen Fantasie gewesen war. Und doch war er jetzt hier, aus Fleisch und Blut. So real, dass sie ihn berühren konnte. Es schockierte sie, wie sehr sie ihn berühren wollte.
Er machte sie nervös und hibbelig. Er machte, dass sie einfach nur wegwollte, bevor dieser Drang zu etwas noch Stärkerem wurde.
„Also“, sagte sie und hob ihren dampfenden Cappuccinobecher in seine Richtung, „noch mal danke für den Zucker- und Koffeinflash. Gute Nacht.“
Als sie sich umdrehte, um den Gehweg hinunterzugehen, streckte Dante die Hand aus und berührte ihren Arm. Sein Mund kräuselte sich zu einem amüsierten, fast schon argwöhnischen Lächeln. „Dauernd laufen Sie mir davon, Tess.“
Tat sie das? Und warum, verdammt noch mal, sollte sie es nicht tun? Sie kannte ihn kaum, und wegen dem, was sie von ihm wusste, schienen all ihre Sinne verrückt zu spielen. „Ich laufe doch nicht vor Ihnen weg …“
„Dann lassen Sie sich von mir nach Hause fahren.“
Er zog einen kleinen Autoschlüssel aus seiner Manteltasche, und ein schwarzer Porsche am Gehsteig begrüßte ihn mit einem Piepen, seine Lichter blinkten einmal auf.
Netter Wagen, dachte sie. Eigentlich überraschte es sie nicht, dass er etwas Schnittiges, Schnelles und Teures fuhr.
„Danke, aber … schon gut. Es ist eine so schöne Nacht, da wollte ich eigentlich zu Fuß gehen.“
„Darf ich Sie begleiten?“
Hätte er in seiner selbstbewussten, dominierenden Art darauf bestanden, hätte Tess ihn sofort abblitzen lassen. Aber er hatte höflich gefragt, so als ob er verstand, wie weit er in sie dringen konnte und wo die Grenze war. Und obwohl Tess sich an diesem Abend eigentlich danach gesehnt hatte, allein zu sein, fiel ihr, so sehr sie sich auch das Hirn zermarterte, einfach keine befriedigende Ausrede ein, um ihn stehen zu lassen. „Ja, klar. Ich denke schon. Wenn Sie möchten.“
„Es gibt nichts, was ich lieber täte.“
Sie begannen einen langsamen Bummel den Gehsteig entlang, nur ein Paar von vielen, unterwegs auf einer Straße voller Touristen und Einheimischer in North End. Eine ganze Weile lang sprachen sie nichts. Tess nippte an ihrem Cappuccino, und Dante besah sich mit falkenhaftem Scharfblick die Gegend. Einerseits machte sie das etwas nervös; andererseits fühlte sie sich dadurch auch irgendwie beschützt. In all den vorbeiflanierenden Gesichtern konnte sie keine Gefahr entdecken, aber Dante hatte eine grimmige Wachsamkeit an sich, so als wäre er auf jede Situation eingestellt.
„Sie haben mir letztes Mal gar nicht gesagt, was Sie beruflich machen. Sind Sie Polizist oder so?“
Er sah im Gehen zu ihr herüber, sein Gesichtsausdruck war ernst. „Ich bin ein Krieger.“
„Krieger“, wiederholte sie, die antiquierte Bezeichnung machte sie skeptisch. „Was bedeutet das genau – Militär? Spezialeinheit? Wachdienst?“
„In gewissem Sinn bin ich das alles. Aber ich bin einer von den Guten, Tess, das schwöre ich Ihnen. Meine Brüder und ich tun, was auch immer nötig ist, um die Ordnung aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass die Schwachen und Unschuldigen nicht zur Beute der Starken oder Korrupten werden.“