Zur Hölle noch mal, denselben Abschaum konnte er in seinem eigenen Spiegel sehen, wenn der Hunger nach Blut, die Lust oder die Wut seine primitive Natur zum Vorschein brachte. Auch der Schmerz in seinen Albträumen hatte denselben Effekt: seine Pupillen verengten sich zu Schlitzen, seine hellbraunen Augen glühten bernsteinfarben, und seine Fangzähne fuhren sich aus.
Gerade heute hatte er wieder einen dieser höllischen Träume gehabt. Gegen Mittag hatte er ihn aus einem todähnlichen Schlaf aufschrecken lassen, und noch Stunden danach war er schweißüberströmt und zittrig gewesen. Diese verdammten Träume häuften sich in letzter Zeit und wurden immer intensiver. Und die bohrenden, dröhnenden Kopfschmerzen, die sie hinterließen, waren auch nicht von Pappe.
Dante bewegte die schnurlose Maus neben seiner Tastatur, scrollte von der Kategorie
Ja, der müsste passen. Etwas Längerfristiges wollte er auf keinen Fall.
Dante klappte sein Handy auf und wählte die Nummer des Tierheims. Nach dem fünften Läuten nahm endlich eine Kaugummi kauende junge Frau mit starkem Bostoner Akzent ab.
„Heimtierhilfe Eastside, kann ich Ihnen helfen?“
„Ich brauche eines Ihrer Tiere“, sagte Dante zu ihr.
„Bitte?“
„Der Hund auf Ihrer Website, der alte. Den will ich.“
Einen Moment lang war es still am anderen Ende, dann hörte er eine Kaugummiblase knallen. „Oh! Sie meinen unsren Baah-ney?“
„Genau den.“
„Tut mir leid, aber der ist schon adoptiert worden. Ist der immer noch auf unserer Site? Die müssen ihn beim letzten Update vergessen haben. Was für eine Art Hund hätten Sie denn gern? Wir haben noch ein paar andere da, die gute neue Plätze suchen.“
„Ich brauche ein Tier noch heute Abend.“
Er hörte ein unsicheres kleines Lachen. „Ah, so arbeiten wir eigentlich nicht. Sie müssten schon herkommen und einen Antrag ausfüllen und dann auf ein Gespräch mit einer unserer …“
„Ich kann bezahlen.“
„Nun, das wäre schon in Ordnung, wir müssen nämlich einen kleinen Spendenbetrag erheben, für tierärztliche Behandlung und …“
„Wären hundert Dollar genug?“
„Ähm …“
„Zweihundert?“, fragte er, der Preis war ihm vollkommen egal. „Es bedeutet mir sehr viel.“
„Ja“, sagte sie, „ja, ähm, den Eindruck hab ich auch.“
Dante machte seine Stimme tief und konzentrierte sich auf den beeinflussbaren menschlichen Verstand am anderen Ende der Leitung. „Helfen Sie mir aus der Klemme. Ich brauche wirklich eines Ihrer Tiere. Jetzt wollen wir beide mal ein wenig nachdenken, und dann sagen Sie mir, was ich tun muss, um ein Tier von Ihnen zu bekommen.“
Einige Sekunden lang zögerte sie. „Hören Sie, dafür könnte ich meinen Job verlieren, aber wir haben einen Hund da, er ist heute erst bei uns reingekommen und noch nicht mal untersucht worden. Aber sein Zustand ist schlecht, und ich sag’s Ihnen ehrlich, eine Augenweide ist er auch nicht. Wir haben gerade keinen Platz für ihn, deshalb soll er morgen früh gleich eingeschläfert werden.“
„Den nehme ich.“ Dante sah auf die Uhr. Es war kurz nach fünf, zum Glück war es hier in Neuengland um die Zeit an der Oberfläche schon dunkel. Harvard würde sich in den nächsten vier Stunden noch nicht im Hauptquartier blicken lassen. Was ihm viel Zeit gab, um diese kleine Transaktion zu erledigen, bevor er sich mit dem Agenten zur Patrouille aufmachen musste. Er stand auf, nahm Mantel und Schlüssel. „Ich bin unterwegs. In zwanzig Minuten bin ich da.“
„In Ordnung. Um halb sechs machen wir zu, aber ich warte auf Sie. Kommen Sie einfach zur Hintertür und fragen nach Rose. Das bin ich.“ Wieder ließ sie eine Kaugummiblase knallen, ihr Kiefer arbeitete hektisch. „Ähm, und das Geld – die zweihundert? Können Sie die in bar bringen?“
Dante lächelte, als er sich zur Tür aufmachte. „Aber klar doch.“
Tess überprüfte noch einmal die Summe auf dem Monitor ihres Computers, um sicherzugehen, dass der Befrag auch korrekt war, bevor sie per Mausklick die Überweisung veranlasste. Die angemahnten Rechnungen der Klinik waren jetzt bezahlt. Aber dafür war ihr Sparkonto um mehr als tausend Dollar geschrumpft. Und nächsten Monat würde es neue Rechnungen geben.
„Du, Tess?“ Nora erschien in der offenen Tür und klopfte zögernd an den Türrahmen. „Entschuldige die Störung, aber es ist schon fast sechs und ich muss los, mich auf die Prüfung morgen vorbereiten. Willst du, dass ich abschließe?“
„In Ordnung“, sagte Tess und rieb sich die Schläfen, wo sie inzwischen vor lauter Stress einen unangenehmen Druck verspürte. „Danke, Nora. Schönen Abend.“