Читаем 0701759001361827618 adrian lara - midnight breed 02 полностью

Einen langen Augenblick sah Nora sie an und dann die Rechnungen, die sich auf ihrem Schreibtisch türmten. „Alles in Ordnung?“

„Ja.“ Tess versuchte ein beruhigendes Lächeln. „Ja, klar, alles in Ordnung.“

„Ich habe die Benachrichtigung des Vermieters gesehen. Im neuen Jahr wird die Miete erhöht, nicht?“

Tess nickte. „Aber nur um acht Prozent.“

Es war eigentlich nicht viel, aber sie konnte sich die Miete der Klinik so schon kaum leisten. Die Mieterhöhung würde ihr finanziell den Rest geben – es sei denn, sie erhöhte ihre Preise. Und wenn sie das tat, war sie vermutlich die Hälfte ihrer Kundschaft los. Womit sie wieder am Ausgangspunkt angekommen war. Sie wusste, die einzig sinnvolle Alternative war, die Klinik zu schließen, ihre Zelte abzubrechen und etwas anderes anzufangen.

Vor dieser Möglichkeit hatte Tess keine Angst; sie war es gewohnt umherzuziehen. Manchmal fragte sie sich, ob es ihr nicht leichterfiel, neu anzufangen, als zu versuchen, sich irgendwo wirklich einzuleben. An einem Ort, wo sie bleiben konnte. Den suchte sie immer noch. Vielleicht würde sie ihn nie finden.

„Hör mal, Tess, ich … ich wollte mit dir über was reden. Meine Kurse werden dieses Semester ziemlich arbeitsintensiv, ich brauche definitiv mehr Zeit zum Lernen.“ Nora zögerte und hob eine Schulter. „Du weißt, wie gern ich hier bei dir arbeite, aber ich muss einfach meine Stunden etwas reduzieren.“

Tess nickte, sie konnte es verstehen. „Gut.“

„Weißt du, zwischen Klinik und College hab ich jetzt kaum noch Zeit für irgendwas anderes. Mein Vater heiratet in ein paar Wochen ein zweites Mal, also muss ich mir auch noch überlegen, ob ich dort ausziehe. Und meine Mom möchte sowieso, dass ich nach meinem Abschluss im Frühling zu ihr nach Kalifornien zurückkomme …“

„Ist schon gut. Wirklich. Ich verstehe dich“, sagte Tess, irgendwie ein wenig erleichtert.

Sie hatte Nora in einige Aspekte der finanziellen Krise ihrer Klinik eingeweiht, und während Nora darauf bestanden hatte, die Situation gemeinsam durchzustehen, fühlte Tess sich immer noch verantwortlich. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass sie die Klinik eigentlich eher für ihre Patienten und für Nora über Wasser hielt als für sich selbst. Sie machte ihren Job gut – und das wusste sie auch –, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass dieses neue Leben, das sie sich hier aufgebaut hatte, nur eine andere Form des Davonlaufens, des Sich-Versteckens war. Vor ihrer Vergangenheit, ja bestimmt, aber auch vor dem Hier und Jetzt. Vor etwas, das sie zu sehr ängstigte, um es genauer zu analysieren.

Immer läufst du davon, Tess.

Dantes Worte von gestern Abend klangen ihr immer noch im Ohr. Sie hatte darüber nachgedacht und wusste, dass seine Beobachtung zutraf. Genau wie er hatte sie manchmal das Gefühl, dass sie, wenn sie nur in Bewegung blieb, immer weiter lief, vielleicht – wirklich nur vielleicht – überleben konnte. Aber es war nicht der Tod, dem sie davonlaufen musste. Davor, dass sie einmal sterben würde, hatte sie keine Angst. Ihr Dämon war immer an ihrer Seite.

In ihrem tiefsten Inneren wusste sie, dass sie selbst das war, wovor sie davonlief.

Tess strich einen Papierstapel auf ihrem Schreibtisch glatt und riss sich zusammen, um das Gespräch wieder aufnehmen zu können. „Ab wann hattest du denn gedacht, weniger Stunden zu machen?“

„So bald wie möglich, sobald du mich entbehren kannst. Es macht mich sowieso ganz krank, dass du mich von deinen privaten Ersparnissen bezahlst.“

„Lass das mal meine Sorge sein“, sagte Tess und wurde vom fröhlichen Bimmeln der Türglocke am Vordereingang unterbrochen.

Nora sah über die Schulter. „Das muss der Kurierdienst mit unserer Materialbestellung sein. Die nehme ich noch schnell entgegen, bevor ich gehe.“

Sie spurtete davon. Tess hörte murmelnde Stimmen im Empfangsbereich. Dann war Nora wieder da, mit verdächtig geröteten Wangen.

„Das ist definitiv nicht der Kurierdienst“, sagte sie bemüht leise, als wollte sie nicht, dass man draußen ihre Worte hören konnte. „Du, das ist ein absoluter Gott.“

Tess lachte. „Ein was?“

„Nimmst du heute Abend noch Laufkundschaft? Da ist ein absolut wahnsinnig gut aussehender Typ mit einem jämmerlichen kleinen Köter.“

„Ist es ein Notfall?“

Nora zuckte die Schultern. „Ich glaube nicht. Keine sichtbaren Verletzungen, kein Blut, aber der Typ ist hartnäckig. Er hat nach dir gefragt. Und, hab ich’s schon erwähnt? Er sieht einfach zum Anbeißen aus.“

„Du hast es erwähnt“, sagte Tess, stand von ihrem Tisch auf und nahm ihren weißen Laborkittel vom Haken. Unter ihrem Ohr fing es zu prickeln an. Es war ein seltsames Gefühl, so wie sie es bei der Ausstellung im Museum gespürt hatte, und dann wieder gestern Abend, als sie neben Dante im Café stand. „Bitte sag ihm, ich komme gleich.“

„Aber gern doch.“ Nora klemmte sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr, strich ihr tief ausgeschnittenes Oberteil glatt und trabte davon.

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