„O mein Gott“, flüsterte sie und trat näher. „Dante, was ist passiert? Was ist los mit dir?“
Er antwortete nicht. Vielleicht konnte er nicht mehr sprechen.
Und obwohl offensichtlich war, dass er schlimme Schmerzen hatte, strahlte Dante eine dunkle, wilde Gefahr aus, so übermächtig, dass sie fast nichts Menschliches mehr an sich hatte.
Ihn dort in Schmerzen am Boden zu sehen, gab Tess ein plötzliches Gefühl von Déjà-vu, eine ungute Vorahnung, die ihre Wirbelsäule kitzelte. Langsam wich sie zurück, bereit, den Notruf anzurufen und sein Problem – was immer es war – von jemand anderem behandeln zu lassen. Aber da rollten sich seine mächtigen Schultern vor Schmerz zu einem festen Ball zusammen. Er stieß ein Stöhnen aus, und der tiefe, schmerzerfüllte Laut war mehr, als sie ertragen konnte.
Dante wusste nicht, wie ihm geschah.
Die Todesvision kam blitzschnell und durchbohrte ihn wie eine Explosion gleißenden Tageslichts. Wenigstens war er wach, aber jetzt wurde er bei vollem Bewusstsein in einem Zustand der Lähmung festgehalten, all seine Sinne tobten von der Wucht eines lähmenden, tödlichen Angriffs. Die Vision war noch nie über ihn gekommen, wenn er wach war. Und noch nie war sie von so entsetzlicher, gnadenloser Heftigkeit gewesen.
Vor einer Minute noch hatte er neben Tess gestanden, überwältigt von den erotischen Fantasien darüber, was er mit ihr tun wollte. Und dann plötzlich kam er auf dem Linoleumfußboden des Behandlungsraums zu sich und fühlte, wie er in Rauch und Flammen aufging.
Von allen Seiten leckten Flammen nach ihm und rülpsten fette, schwarze Rauchschwaden. Er konnte sich nicht bewegen. Er fühlte sich in der Falle, hilflos, hatte Angst.
Der Schmerz war unendlich, genau wie seine Verzweiflung. Es beschämte ihn, wie tief er beides empfand, wie schwer es für ihn war, vor Qual nicht laut aufzuschreien über etwas, das er nur in seiner Vorstellung durchlebte.
Aber er hielt durch, das war das Einzige, was er tun konnte, wenn die Vision ihn überkam, und er betete, dass sie bald vorüberging.
Er hörte seinen Namen auf Tess’ Lippen, sie fragte ihn, was er brauchte. Aber er konnte nicht antworten. Seine Kehle war ausgedörrt, sein Mund voller Asche. Als sie näher kam, spürte er, wie ehrlich ihre Besorgnis um ihn war und wie genau sie erkannte, in welch schlimmem Zustand er war. Er wollte ihr sagen, dass sie gehen, ihn alleine leiden lassen sollte – auf die einzige Art, die er kannte.
Aber dann waren plötzlich kühle, sanfte Finger auf seiner Schulter. Er spürte, wie sich über ihm die weiße Ruhe des Schlafes auszubreiten begann wie eine schützende Decke, als sie über seinen knotigen, verkrampften Rücken und das feuchte Haar seines Nackens strich.
„Es wird wieder gut, Dante“, sagte sie weich zu ihm. „Lass mich dir helfen. Du bist in Sicherheit.“
Und zum ersten Mal, seit er sich erinnern konnte, glaubte er das auch.
Dante hob seine Augenlider. Er rechnete damit, von weißglühenden Kopfschmerzen geblendet zu werden, aber nichts passierte. Keine schlimmen Nachbeben, die ihn außer Gefecht setzten, keine kalten Schweißausbrüche, keine lähmende Angst in den Knochen.
Er zwinkerte, einmal, zweimal, und starrte zu einer weiß gekachelten Zimmerdecke hinauf, direkt über seinem Kopf war eine ausgeschaltete Neonröhre. Seltsame Umgebung – die graubraunen Wände, die kleine gepolsterte Couch, auf der er lag, der ordentliche hölzerne Schreibtisch vor ihm, die aufgeräumte Tischplatte erhellt von einer Schreibtischlampe, die neben einem Computer stand.
Er atmete ein und nahm keinen der bekannten Gerüche wahr, keinen Rauch oder anderen Verbrennungsgestank, der in der höllischen Wirklichkeit seiner Todesvision seine Lunge füllte. Alles, was er roch, war eine würzig-süße Wärme, die ihn in Frieden einzuhüllen schien. Er hob die Hände und glättete die weiche Fleece-Decke, die seinen riesigen Körper nur teilweise bedeckte. Der plüschige, sahnefarbene Stoff roch nach
Er drehte den Kopf, gerade als sie aus dem Gang in den Raum hereinkam. Ihr weißer Laborkittel war fort; in ihrer aufgeknöpften blassgrünen Strickjacke über einem beigefarbenen Oberteil sah sie unglaublich weich und feminin aus. Ihre Jeans umspannte eng ihre Hüften und zeigte ihm einen schmalen Streifen glatter, cremefarbener Haut, wo der Saum ihres T-Shirts nicht ganz bis zu ihrem Hosenbund reichte. Sie hatte die Haarspange aus Plastik herausgenommen und trug ihr Haar nun offen, die honigbraunen Locken umflossen lose und glänzend ihre Schultern.
„Hi“, sagte sie und sah zu, wie er sich aufsetzte und herumdrehte, um seine Füße auf den Teppichboden zu stellen. „Fühlst du dich schon besser?“
„Ja.“
Seine Stimme war ein trockenes Krächzen, aber er fühlte sich überraschend gut.