Ausgeruht. Abgekühlt. Dabei wäre er jetzt normalerweise so verkrampft und verspannt, dass es wehtat – der übliche Kater, der seinen Todesvisionen auf dem Fuße folgte. Einem Impuls nachgebend, fuhr er mit der Zunge über seine Zahnreihe, tastete nach Fängen, aber die furchterregenden Fangzähne hatten sich zurückgezogen. Er konnte normal sehen, seine Augen waren nicht die außerirdischen doppelten Laserstrahlen, die ihn als Angehörigen des Stammes auswiesen.
Der Sturm seiner Veränderung, wenn sie denn überhaupt stattgefunden hatte, war vorbei.
Er zog die flauschige Decke herunter und bemerkte, dass ihm Mantel und Stiefel fehlten. „Wo sind meine Sachen?“
„Hier“, sie zeigte auf den schwarzen Ledermantel, der zusammen mit seinen Doc Martens säuberlich zusammengelegt auf einem Besucherstuhl neben der Tür ruhte. „Dein Handy liegt auf meinem Schreibtisch. Ich habe es vor ein paar Stunden ausgeschaltet, ich hoffe, das macht dir nichts aus. Es hat ständig geklingelt, und ich wollte dich nicht wecken.“
Vor ein paar
„Viertel vor eins.“
Mist. Die Anrufe waren mit Sicherheit aus dem Hauptquartier gekommen, dort fragten sie sich sicher schon, wo zur Hölle er steckte. Da würde er später wohl etwas zu erklären haben.
„Harvard ruht sich übrigens aus. Er hat ein paar Probleme, die sehr ernst sein könnten. Ich habe ihn gefüttert und ihm Flüssigkeit und eine Infusion mit Antibiotika gegeben, die werden ihm helfen zu schlafen. Er ist in einem der Zwinger draußen im Gang.“
Ein paar Sekunden lang war Dante verwirrt und fragte sich, wie um alles in der Welt es sein konnte, dass sie den Agenten kannte, und warum zum Geier er Medikamente bekommen hatte und in einem der Hundezwinger ihrer Klinik schlief. Dann schaltete sich sein Gehirn wieder ein, und er erinnerte sich an den verwahrlosten kleinen Köter, den er als Mittel benutzt hatte, um sich Tess zu nähern.
„Ich würde ihn gern über Nacht dabehalten, wenn es dir nichts ausmacht“, sagte Tess. „Vielleicht auch ein paar Tage, dann kann ich einige Tests mit ihm durchführen und sichergehen, dass er alles bekommt, was er braucht.“
Dante nickte. „Gut. Okay.“
Er sah sich in dem kleinen, gemütlichen Büro um, mit seinem Minikühlschrank in der Ecke und der elektrischen Kochplatte, neben der eine Kaffeemaschine stand. Offenbar verbrachte Tess viel Zeit hier. „Das ist nicht der Untersuchungsraum, in dem ich vorher war. Wie bin ich hierhergekommen?“
„Du hattest im Untersuchungsraum einen Krampfanfall. Ich hab dich auf die Füße gestellt und dir geholfen, hier in mein Büro zu gehen. Ich dachte, hier ist es bequemer für dich. Du warst ziemlich außer Gefecht gesetzt.“
„Ja“, sagte er und rieb sich mit der Hand über das Gesicht.
„Ist es das, was es war? Ein Krampfanfall?“
„So was Ähnliches.“
„Hast du das öfter?“
Er zuckte die Achseln, sah keinen Grand, es abzustreiten. „Ja, schon.“
Da kam Tess zu ihm herüber und setzte sich auf die Armlehne der Couch. „Nimmst du Medikamente dagegen? Ich wollte nachsehen, aber dann kam es mir doch nicht richtig vor, in deinen Taschen zu wühlen. Wenn du etwas brauchst …“
„Es geht mir gut“, sagte er und staunte immer noch über die völlige Abwesenheit von Schmerz oder Schwindel nach diesem Anfall, dem bisher schlimmsten, den er je gehabt hatte. Der erste, der ihn jemals gepackt hatte, als er wach war. Und jetzt fühlte er sich einfach nur etwas erschöpft von seinem tiefen Schlaf, nichts erinnerte ihn daran, dass er diese verdammte Vision überhaupt gehabt hatte. „Hast du … mir irgendwas gegeben oder vielleicht … irgendwas mit mir gemacht? Irgendwann hast du mir die Hände auf den Rücken gelegt und mir den Kopf massiert …“
Ein seltsamer Ausdruck trat in ihr Gesicht, fast schon Panik. Dann blinzelte sie und sah zur Seite. „Wenn du denkst, das hilft, ich hab Tylenol in der Schublade. Ich bring dir eins und ein Glas Wasser.“
Sie machte sich daran aufzustehen.
„Tess.“ Dante steckte den Arm nach ihr aus und nahm ihr Handgelenk in lockerem Griff. „Bist du die ganze Zeit – all diese Stunden lang – bei mir geblieben?“
„Natürlich. Ich konnte dich doch schlecht hier allein lassen.“
Vor sein inneres Auge trat ein plötzliches, klares Bild dessen, was sie gesehen haben musste, wenn sie auch nur irgendwo in seiner Nähe gewesen war, als er mit dem verheerenden Ansturm seiner Todesvision rang. Aber sie war nicht schreiend davongerannt. Und so, wie sie ihn ansah, hatte sie auch keine Angst vor ihm. Er musste sich fragen, ob die Intensität seines Albtraums durch ihre Gegenwart vielleicht irgendwie gemildert worden war, noch bevor er richtig begonnen hatte.
Ihre Berührung war so lindernd und tröstend gewesen, so kühl und zart.
„Du bist bei mir geblieben“, sagte er, voll Ehrfurcht vor ihrem Mitleid. „Du hast mir geholfen, Tess. Ich danke dir.“