Der zweite Mechanismus ist die Konditionierung. Wie die berühmten Pawlowschen Hunde (die lernten, Speichel zu bilden, wenn eine Glocke ertönte) baut auch der menschliche Körper nach mehrmals wiederholter Erfahrung eine Erwartungshaltung auf. Angenommen, Sie haben eine Pizza bestellt. Wenn der Pizza-Bote an der Tür klingelt, beginnen Ihre Verdauungssäfte zu fließen, noch ehe Ihnen der appetitanregende Geruch in die Nase gestiegen ist. Oder nehmen wir an, Sie sind in den Flitterwochen. Während Sie mit Ihrem Liebespartner zusammengekuschelt auf dem Sofa liegen und in ein prasselndes Kaminfeuer schauen, setzt die Aussicht auf Sex Endorphine frei, die Sie auf das Kommende vorbereiten und Ihnen ein unendlich gesteigertes Wohlgefühl vermitteln.
Bei Schmerzen können Erwartungen Hormone und Neurotransmitter freisetzen, zum Beispiel Endorphine und körpereigene Opiate, die nicht nur Schmerzen abblocken, sondern ein starkes Hochgefühl auslösen (Endorphine docken an denselben Rezeptoren an wie Kokain). So kann ich mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, als ich mit schrecklichen Schmerzen auf der Station für Brandverletzte lag: Was für eine Erlösung, sobald ich die Schwester mit einer Spritze kommen sah, von der schon fast das Schmerzmittel tropfte! Mein Gehirn schüttete schmerzstillende Opioide aus, noch ehe sie mir die Nadel in die Haut stach.
Etwas Bekanntes mag vielleicht Verachtung hervorrufen, aber auf jeden Fall erzeugt es Erwartungen. Markennamen, eine bestimmte Verpackung und die beruhigende Zuwendung einer behandelnden Person können bewirken, dass es uns bessergeht. Aber wie steht es mit dem Preis? Kann auch der Preis eines Medikaments unsere Reaktion darauf beeinflussen?
Gehen wir allein vom Preis aus, können wir uns leicht vorstellen, dass ein Sofa für 4000 Dollar bequemer sein wird als eines für 400 Dollar; dass eine Designer-Jeans besser genäht und bequemer sein dürfte als eine von Wal-Mart; dass ein teures elektrisches Schleifgerät besser funktioniert als ein billiges; und dass die gebratene Ente bei Imperial Dynasty (für 19,95 Dollar) uns wesentlich besser munden wird als die von Wong’s Noodle Shop (für 10,95 Dollar). Aber kann solch ein unterstellter Qualitätsunterschied das tatsächliche Erleben beeinflussen, und zeigt sich dieser Einfluss auch bei objektiven Erfahrungen wie der Reaktion auf Medikamente?
Ist ein preisgünstiges Schmerzmittel beispielsweise weniger wirksam als eines, das mehr kostet? Müssen Sie sich mit Ihrer Erkältung im Winter mehr quälen, wenn Sie ein Schnupfenmittel aus dem Drogeriemarkt nehmen, statt zu einem teuren Produkt zu greifen? Spricht Ihr Asthma auf ein Generikum weniger gut an als auf das neueste Medikament einer bekannten Firma? Mit anderen Worten: Verhält es sich mit Medikamenten wie mit chinesischem Essen, Sofas, Jeans und Werkzeugen? Können wir davon ausgehen, dass ein hoher Preis eine höhere Qualität bedeutet, und schlagen sich unsere Erwartungen in der objektiven Wirksamkeit des Produkts nieder?
Diese Frage ist besonders wichtig. Tatsache ist, dass man mit einem preiswerteren Essen beim Chinesen oder einer günstigeren Jeans durchaus leben kann. Mit etwas Selbstdisziplin wird es uns normalerweise gelingen, einen Bogen um die teuersten Markenprodukte zu machen. Aber suchen Sie wirklich nach Schnäppchen, wenn es um Ihre Gesundheit geht? Wenn wir den Schnupfen mal beiseitelassen: Werden viele Menschen knausern, wenn es um ihr Leben geht? Nein, wir wollen das Beste, für uns selbst, für unsere Kinder und unsere Angehörigen.
Wenn wir das Beste für uns wollen, hilft uns dann ein teures Medikament besser als ein günstigeres? Ist der Preis wirklich ausschlaggebend? Genau das wollten Rebecca Waber (Doktorandin am MIT), Baba Shiv (Professor in Stanford), Ziv Carmon und ich vor einigen Jahren mit Hilfe von Experimenten herausfinden.
Stellen Sie sich vor, Sie nehmen an einem Wirksamkeitstest für ein neues Schmerzmittel namens Veladone-Rx teil. (An dem echten Arzneimitteltest waren rund 100 erwachsene Bostoner beteiligt, aber wir lassen Sie jetzt an ihre Stelle treten.)