SoBe machte also niemanden klüger. Bedeutet das, dass das Produkt selbst nichts bringt – zumindest, was das Auflösen von Worträtseln betrifft? Um diese Frage beantworten zu können, ersannen wir einen weiteren Test. Vorne auf das Heftchen mit den Rätseln ließen wir folgende Information drucken: »Getränke wie SoBe verbessern nachweislich die mentale Funktion, was zu höheren Leistungen bei Aufgaben wie etwa dem Lösen von Rätseln führt.« Außerdem fügten wir noch die frei erfundene Information hinzu, dass auf der Webseite von SoBe auf über 50 wissenschaftliche Studien verwiesen wird, die diese Aussage untermauern.
Was geschah? Die Gruppe, die den vollen Preis für das Getränk bezahlt hatte, schnitt wieder besser ab als diejenige, die es zum halben Preis bekam. Aber auch die Botschaft vorne auf dem Heftchen übte einen gewissen Einfluss aus. Beide Gruppen, die diese Information gelesen hatten und deshalb einen Erfolg erwarteten, schlugen sich besser als die Gruppen, deren Heftchen nicht diese Botschaft enthielt. Und dieses Mal machte SoBe die Teilnehmer tatsächlich schlauer. Als wir das Getränk zusätzlich mit der Aussage bewarben, dass es wissenschaftlichen Studien zufolge die mentale Leistung verbessert, lösten diejenigen, die das Getränk zum Discount-Preis bekommen hatten, im Durchschnitt 0,6 Rätsel mehr, die Probanden der Gruppe, die sowohl die Werbebotschaft bekommen als auch den vollen Preis bezahlt hatten, jedoch durchschnittlich 3,3 Rätsel mehr. Mit anderen Worten, die Botschaft auf der Flasche (und auf dem Heftchen mit den Rätseln) sowie der Preis hatten wohl einen stärkeren Einfluss als die Flüssigkeit selbst.
Haben wir also notgedrungen immer das Nachsehen, wenn wir etwas zu einem günstigeren Preis bekommen? Sofern wir uns auf unsere irrationalen Instinkte verlassen, ja. Wenn wir ein Produkt zum halben Preis sehen, gehen wir instinktiv davon aus, dass es von schlechterer Qualität ist als ein Produkt zum vollen Preis – und dann machen wir es zu einem solchen. Was kann man dagegen tun? Wenn wir innehalten und rational das Preis-Leistungs-Verhältnis betrachten, können wir uns von dem unbewussten Drang lösen, einen reduzierten Preis automatisch mit reduzierter Qualität gleichzusetzen.
Um dies zu überprüfen, führten wir erneut eine Reihe von Experimenten durch. Dabei stellte sich heraus, dass Käufer, die sich über das Preis-Leistungs-Verhältnis bei einem Produkt Gedanken machen, wesentlich weniger anfällig sind für die Annahme, dass ein Getränk zum halben Preis weniger gut wirkt – und folglich schneiden sie bei den Worträtseln auch nicht so schlecht ab, wie es der Fall wäre, wenn sie von jener Annahme ausgehen würden. Diese Ergebnisse zeigen uns nicht nur einen Weg, wie wir die Abhängigkeit des Placeboeffekts vom Preis umgehen können, sondern sie belegen auch, dass die Wirkung von Rabatten größtenteils auf einer unbewussten Reaktion auf niedrigere Preise beruht.
Wir haben jetzt gesehen, wie Preise die Wirksamkeit von Placebos beeinflussen, seien es Schmerzmittel oder Energiedrinks. Dazu noch ein anderer Gedanke. Wenn Placebos bewirken können, dass wir uns besser fühlen, können wir uns dann ganz beruhigt ihrer bedienen? Oder sind Placebos etwas Schlechtes – Mogelpackungen, die wir in den Müll werfen sollten, ob sie uns nun helfen oder nicht? Bevor Sie diese Frage beantworten, möchte ich Ihnen die Sache noch etwas schwerer machen. Angenommen, Sie entdecken ein Placebomittel oder ein Placeboverfahren, das nicht nur bewirkt, dass Sie sich besser fühlen, sondern dass es Ihnen tatsächlich physisch bessergeht. Würden Sie das Placebo dennoch anwenden? Was, wenn Sie Arzt wären? Würden Sie Medikamente verschreiben, die reine Placebos sind? Ich möchte Ihnen dazu eine Geschichte erzählen, die meinen Gedanken verdeutlicht.
Im Jahr 800 n. Chr. krönte Papst Leo III. Karl den Großen zum römischen Kaiser und schuf damit eine direkte Verknüpfung zwischen Kirche und Staat. Von dieser Zeit an waren die Kaiser des Heiligen Römischen Reichs und in ihrer Nachfolge die europäischen Könige als Herrscher »von Gottes Gnaden« von einem Glanz des Göttlichen umgeben. Daher rührte die sogenannte »königliche Berührung« – die Praxis, Menschen durch Handauflegen zu heilen. Wie uns zahlreiche Geschichtsschreiber berichten, begaben sich das ganze Mittelalter hindurch die großen Könige regelmäßig unters Volk und spendeten die königliche Berührung. Charles II. von England (1630 bis 1685) zum Beispiel soll während seiner Regentschaft rund 100 000 Menschen die Hand aufgelegt haben, und in den Annalen sind sogar die Namen etlicher amerikanischer Kolonisten verzeichnet, die nur aus der Neuen in die Alte Welt zurückkehrten, in der Hoffnung, König Charles zu begegnen und geheilt zu werden.