Читаем Der wandernde Wald полностью

Im ersten Moment zweifelte er fast daran, die Stadt überhaupt schon erreicht zu haben. Hinter der Hecke erstreckte sich ein vielleicht dreißig Meter breiter, vollkommen glatter Streifen festgestampfter Erde, sorgfältig von Unkraut und Steinen gereinigt und mit einer zweiten, nur mehr brusthohen Dornenhecke eingefaßt. Schmale, mit glatten, runden Steinen eingefaßte Wege führten in regelmäßigen Abständen zu den Wachtürmen. Ein zweites Tor –eigentlich nur ein symbolischer Durchgang ohne Sturz, der von zwei schlanken, kunstvoll geschnitzten Pfeilern aus einem dunklen Holz flankiert wurde. Dahinter erstreckte sich ein weiterer, fünfzig Meter breiter Streifen flachen Geländes, und erst dahinter begann die eigentliche Stadt – wenn man Went eine Stadt nennen konnte. Im ersten Augenblick hatte Skar den Eindruck, daß sich der Wald jenseits der doppelten Barriere aus dornigem Gestrüpp einfach fortsetzte. Er erkannte erst nach Sekunden, daß Went keine Stadt im Wald, sondern der Wald selbst war. Nur wenige Gebäude waren nach der Art herkömmlicher Häuser auf dem Boden errichtet worden. Die meisten waren, gleich großen, luftigen Gewächsen, in unterschiedlichen Höhen zwischen den Bäumen aufgehängt, wie Vogelnester in Astgabeln und Kronen verankert oder an einem raffinierten System von Seilen und Netzen gespannt. Skar war nicht in der Lage, die genaue Größe der Stadt abzuschätzen. Der Durchmesser des inneren Dornenkreises betrug vielleicht – wenn sich die Krümmung jenseits der Bäume im gleichen Maße fortsetzte – etwas mehr als eine Meile, aber Went beschränkte sich nicht auf nur eine Ebene. Es war unmöglich, ein System in der Art, wie die Stadt gebaut war, zu erkennen. Die einzelnen Gebäude schienen vollkommen willkürlich gerade da errichtet worden zu sein, wo es ihren Bewohnern in den Sinn gekommen war. Und auch wie es ihnen gerade einfiel. Es gab keine einheitliche Form – jedes Haus unterschied sich in Größe und Ausführung von den anderen, als hätte jeder einzelne Bewohner der Stadt sein Haus speziell nach seinen Wünschen und Bedürfnissen erdacht und erbaut. Es gab eine Unzahl kleiner, vogelnestartiger Hütten, kaum groß genug, um mehr als zwei oder allerhöchstens drei Bewohnern ausreichend Raum zu bieten, aber auch riesige, ineinander verschachtelte Gebilde aus Balken und Sparren und wucherndem Grün, die an gewaltigen Trossen hingen und über breite Rampen mit dem Erdboden und auch untereinander verbunden waren. Eine Reihe von Häusern erstreckte sich über sieben, acht Bäume; titanische Plattformen, die auf gewaltigen natürlichen Pfeilern ruhten. Dünne, zerbrechlich aussehende Hängebrücken verbanden die unterschiedlichen Ebenen Wents miteinander, schwankende Stege, die in zwanzig, dreißig oder mehr Metern Höhe geländerlos über die Tiefe führten. Manche Häuser, stellte Skar überrascht fest, schienen weniger gebaut, als vielmehr gewachsen zu sein; Gebilde aus Ranken und dichten grünen Hecken, deren Wuchs geduldig gelenkt und beeinflußt worden war, bis sie sich zu kugeligen Höhlen mit schmalen Tür- und Fensteröffnungen geformt hatten.

Ihr Führer hielt an, als sie die zweite Dornensperre durchschritten hatten. Erneut wechselte er ein paar Worte mit Coar, riß sein Pferd dann mit einem brutalen Zerren am Zügel herum und sprengte an der Spitze seiner Männer auf die Stadt zu.

»Ärger?« fragte Skar knapp, als Coar langsam auf ihn zugeritten kam. Sie schüttelte den Kopf. »Nichts, was dich betrifft.«

»Den Eindruck hatte ich nicht«, erwiderte Skar lächelnd.

In Coars dunklen Augen blitzte es verärgert auf. »Bernec spielt sich gerne auf, das ist alles. Kümmere dich nicht um ihn.«

»Bernec? Der . . .«

»Der Befehlshaber der Stadtgarde«, sagte Coar. »Er bildet sich ein, unumschränkter Herrscher über Went zu sein.« Sie lächelte abfällig. »Wahrscheinlich wird er jetzt drei Wochen kein Wort mehr mit mir wechseln, aber er beruhigt sich auch wieder. Vorerst bleibt ihr weiter in meiner Obhut. Wir bringen dich und Del zuerst zu unserer Heilerin. Ihr müßt ruhen.«

Skar brannten noch tausend Fragen auf der Zunge, aber Coar wandte sich bereits wieder um und ritt in mäßigem Tempo auf die Stadt zu. Die beiden Kriegerinnen rechts und links von Skar schoben ihre Waffen in die Gürtel zurück und gaben ihren Tieren die Sporen.

Die Nachricht von ihrem Kommen schien sich wie ein Lauffeuer in der Stadt zu verbreiten. Vorhin, als sie durch die Dornenhecke geritten waren, waren nur wenige Menschen außerhalb der Gebäude zu sehen gewesen. Aber jetzt füllten sich die Laufstege und Brücken zunehmend mit Menschen: Männern, Frauen, Kindern und Greisen, die der Garde und ihren beiden Gefangenen neugierig entgegenblickten und aufgeregt miteinander redeten und gestikulierten.

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