Читаем Der wandernde Wald полностью

»Die Heilerin wohnt dort hinten.« Coar deutete auf ein annähernd halbkugelförmiges, grün-braun gemustertes Gebäude, das in etwa zehn Metern Höhe zwischen zwei mächtigen Baumstämmen verankert und über eine breite, sanft ansteigende Rampe erreichbar war. Die Reiterin, hinter deren Pferd Dels Trage befestigt war, brach auf einen stummen Blick der Kommandantin aus der geordneten Marschformation aus und ritt auf das Baumhaus zu.

»Fühlst du dich kräftig genug, zuerst mit dem Stadtkommandanten zu reden?«

Skar konnte sich im Moment Besseres vorstellen, aber er nickte trotzdem. Trotz seiner Müdigkeit hätte er keine Ruhe gefunden, ehe ihr weiteres Schicksal nicht wenigstens in groben Zügen geklärt war. Coars plötzliche Freundlichkeit hatte ihn beinahe vergessen lassen, daß sie noch immer Gefangene waren.

»So komm.« Coar wandte sich um und sprengte, ohne auf ihre Begleiterinnen zu achten, auf ein niedriges braunes Gebäude am südlichen Rand der Baumstadt zu. Skar preßte seinem Tier die Schenkel in die Seiten und folgte ihr.

Sie stiegen aus den Sätteln, und Coar schlug ein paarmal heftig mit der behandschuhten Faust an die niedrige Holztür. Sekundenlang geschah nichts, dann erklangen von drinnen langsame, schlurfende Schritte. Ein Riegel wurde zurückgeschoben, und ein alter, in zerschlissene braune Lumpen gekleideter Mann erschien unter der Tür.

Coar deutete auf ihr und Skars Pferd und sagte ein paar schnelle, unverständliche Worte. Der Alte nickte, schlurfte mit hängenden Schultern zu den beiden Pferden und führte sie wortlos ins Innere des Hauses. Offenbar waren Stallungen und Vorratshäuser ebenerdig angebracht.

Coar deutete mit einer Kopfbewegung weiter ins Zentrum Wents hinein. »Gehen wir. Und bleib immer dicht an meiner Seite.«

Es gab keine markierten Wege oder Pfade. Der Boden war mit Moos und Büscheln eines harten, scharfblättrigen Grases bewachsen, und hier und da entdeckte er – scheinbar wie alles in Went willkürlich und ohne erkennbaren Plan angelegt, kleine, gepflegte Blumenbeete oder auch Büsche einer saftigen, palmenähnlichen Pflanze, die nicht in den natürlichen Bewuchs des Waldes zu gehören schien und offenbar künstlich hier angepflanzt worden war – aber Coar führte ihn, einem undurchschaubaren Kurs aus scheinbar willkürlichen Rechtsund Linkswendungen folgend, tiefer in die Waldstadt hinein.

Skar war viel zu müde, um auf seine Umgebung zu achten. Wohin sie kamen, wurden sie von Neugierigen empfangen, aber Skar nahm kaum mehr als Bäume und sonderbar geformte Häuser und ein verwirrendes Spiel von Licht und Schatten und den unterschiedlichsten Grün- und Brauntönen wahr. Schließlich erreichten sie ein ebenerdig gelegenes, wuchtiges Gebäude im Zentrum der Stadt. Es war das erste aus Stein und Holz erbaute Haus, das Skar seit Betreten der Stadt erblickte, und vermutlich auch das einzige. Eine wuchtige, aus schweren, eisenbeschlagenen Balken gezimmerte Tür führte ins Innere des Hauses. Coar gebot ihm mit einer knappen Geste stehenzubleiben und zog an einer Kordel neben der Tür. Kurz darauf wurde in der Tür eine schmale Klappe geöffnet, und ein dunkles Augenpaar blickte mißtrauisch zu ihnen hinaus.

Coar wechselte ein paar Worte mit dem Mann hinter der Tür. Die Klappe wurde geschlossen, und die Kommandantin trat zurück. Ein angespannter, besorgter Zug lag plötzlich um ihre Lippen.

»Logar wird uns empfangen«, sagte sie knapp. »Er wußte bereits von unserem Kommen.« Sie zögerte, sah Skar sekundenlang unschlüssig an und fügte etwas leiser und hastig hinzu: »Er ist ein sehr mißtrauischer Mann. Es wird besser sein, du sagst so wenig wie möglich. Bernec war bereits bei ihm.« Der letzte Satz war in einem Tonfall gehalten, der deutlichmachte, daß dies allein – zumindest für Coar – Grund genug zu der Annahme war, daß sie Schwierigkeiten erwarten mußten. Skar wollte eine entsprechende Frage stellen, aber in diesem Moment wurde die Tür bereits geöffnet, und Coar wandte sich um, um vor Skar das Gebäude zu betreten.

Drinnen war es kühl und überraschend hell. Skar hatte beim Anblick der schmalen, schießschartenähnlichen Fenster unwillkürlich ein finsteres, muffig riechendes Verlies erwartet, aber das Gegenteil war der Fall: Hinter der Tür erstreckte sich ein breiter, hell erleuchteter Flur, an dessen hinterem Ende eine kurze Treppe begann, die zu einem weiteren Gang hinaufführte. Die Wände waren mit Bildern und rankenden Blütengewächsen bedeckt, und auf dem Boden lag ein knöcheltiefer, weicher Teppich, der – ebenso wie Bilder und Vorhänge – Blumen- und Tiermotive zeigte. Von außen mochte das Gebäude eine triste, graue Festung sein, innen war es ein Palast.

Coar ging rasch durch den Gang und blieb am Fuß der kurzen Treppe stehen.

»Warte hier«, sagte sie leise. »Ich werde zuerst allein mit Logar reden. Ich lasse dich rufen.«

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