»Ärger! Ach, nur ein wenig. Wir erreichen die Erde, und alle Erwachsenen erwachen aus dem Tiefschlaf, nur um herauszufinden, daß Nafai und Luet — upps! — irgendwie vergessen haben, sich ebenfalls in den Tiefschlaf zu versetzen, und daß — noch einmal upps! — sie es irgendwie geschafft haben, daß ein Dutzend der älteren Kinder während der gesamten zehn Jahre der Reise mit ihnen wach geblieben sind. Verstehst du also, meine liebe Schwester Schuja? Als du dich schlafen gelegt hast, war deine Tochter Dza erst acht Jahre alt, aber jetzt ist sie achtzehn und mit Padarok verheiratet, der mittlerweile übrigens siebzehn ist — tut uns leid, Schedemei und Zdorab, wir wußten doch, ihr habt nichts dagegen, daß wir euren einzigen Sohn für euch großziehen. Und da diese Kinder ja nun mal nicht geschlafen haben, haben wir sie natürlich die ganze Zeit unterrichtet, so daß sie jetzt Experten auf allen Gebieten sind, auf denen sie sich auskennen müssen, um unsere Kolonie aufzubauen. Sie sind auch schon groß und stark genug, um die Arbeit von Erwachsenen zu erledigen. Aber — und nochmal upps! — keins
›Wie ich sehe, hast du jeden Aspekt des Plans durchdacht. Warum siehst du nicht ein, daß er sowohl notwendig als auch fehlerlos ist?‹
»Sie werden wütend sein«, sagte Luet. »Sie werden uns alle hassen — Volemak und Rasa und Issib und Schuja und Schedemei und Zdorab, weil wir ihnen ihre ältesten Kinder gestohlen haben. Und die anderen werden uns hassen, weil wir
›Ja, sie werden wütend sein. Aber diejenigen, die meine treuesten Freunde sind, werden bald die Notwendigkeit einsehen, daß ihre Kinder älter und stärker sein müssen. Dies verändert das Gleichgewicht der körperlichen Macht in der Gemeinschaft. Es wird euch alle am Leben halten.‹
»Sie werden immer davon überzeugt sein, daß die Gemeinschaft lediglich auseinandergebrochen ist, weil Nafai und ich etwas so Schreckliches getan haben. Sie werden uns hassen und uns Vorwürfe machen und uns ganz bestimmt nie wieder
›Ich werde ihnen sagen, daß es meine Idee war.‹
»Und sie werden sagen, daß du nur ein Computer bist und natürlich nicht wissen kannst, wie und was Menschen empfinden. Aber daß
›Vielleicht hättet ihr euch weigern sollen. Aber ihr werdet es nicht tun.‹
»Ich habe mich bereits geweigert. Ich weigere mich jetzt erneut.«
›Du weigerst dich mit deinem Mund und deinem Verstand. Doch Huschidh hat in deinem Herzen gesehen, daß du dich bereits darauf vorbereitest, mir zu gehorchen.‹
»Nein!« rief Luet.
»Mutter?« Es war Chvejas Stimme, die durch die Tür von Luets Zimmer drang.
»Was ist, Veja?«
»Mit wem sprichst du?«
»Mit mir selbst, in einem Traum. Reine Torheit. Schlaf weiter.«
»Ist Vater schon zu Hause?«
»Er ist noch bei Issib im Schiff.«
»Mutter?«
»Schlaf jetzt, Chveja. Ich meine es ernst.«
Sie hörte das schlurfende Geräusch von Chvejas Sandalen auf dem Boden. Was hatte Chveja gehört? Seit wann lauschte sie schon an der Tür?
›Sie hat alles gehört.‹
Warum hast du mich nicht gewarnt?
›Warum hast du laut gesprochen? Ich verstehe deine Gedanken.‹
Weil meine Gedanken klarer sind, wenn ich laut spreche, deshalb. Was hast du vor? Willst du Chveja dazu bringen, deinen Plan auszuführen?
›Da du mit Nafai nicht darüber sprechen willst, habe ich Chveja aufgeweckt. Sie sollte hören, was du sagst. Sie wird es ihm erzählen.‹
Warum hast du nicht einfach selbst mit ihm gesprochen?
›Er will nicht auf mich hören.‹
Weil er ein sehr kluger Mann ist. Deshalb liebe ich ihn.
›Er braucht eine andere Sicht der Dinge. Du hättest sie ihm am besten vermitteln können. Chveja wird genügen.‹
Laß ja meine Kinder in Ruhe.
›Deine Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten. Als du in Chvejas Alter gewesen bist, warst du bereits als Wasserseherin von Basilika bekannt. Mir ist nicht aufgefallen, daß du dich damals über meine enge Beziehung zu dir beschwert hast. Und ich scheine mich zu entsinnen, daß du dich gefreut hast, als Chveja zum erstenmal Träume vom Hüter der Erde bekam.‹
»Wenn ich mir überlege, daß ich dich einmal für einen … einen
›Und wofür hältst du mich jetzt?‹
»Wenn ich nicht wüßte, daß du ein Computerprogramm bist, würde ich sagen, du bist ein aufdringliches, ekelhaftes altes Miststück.«
›Sei ruhig wütend auf mich, wenn du willst. Das verletzt meine Gefühle nicht. Ich verstehe dich sogar. Aber du mußt die großen Zusammenhänge sehen, Luet. Ich sehe sie.‹
»Ja, du siehst so große Zusammenhänge, daß dir kaum auffällt, wie du das Leben von kleinen Eintagsfliegen wie uns zerstörst.«
›Ist dein Leben bislang so schrecklich gewesen?‹
»Sagen wir mal … es ist nicht wie erwartet verlaufen.«
›Aber ist es so schrecklich gewesen?‹
»Halt endlich die Klappe und laß mich in Ruhe.«