Dann fuhren wir hinaus. In der Nähe war ein Stück sehr schlechter Straße. Wir gingen mit fünfzig Kilometern Tempo darüber. Die Karosserie klapperte. Wir ließen ein viertel Atmosphäre Luft aus den Reifen und versuchten es noch einmal. Es war schon besser. Wir ließen noch ein Viertel heraus. Jetzt rührte sich nichts mehr.
Wir fuhren zurück, ölten die quietschende Motorhaube, klemmten etwas Gummi dazwischen, füllten heißes Wasser in den Kühler, damit der Motor gleich gut ansprang, und spritzten den Wagen unten noch einmal mit einem Petroleumzerstäuber ab, damit er auch da glänzte. Dann hob Gottfried Lenz die Hände zum Himmel. „Nun komm, gesegneter Kunde! Komm, lieblicher Brieftaschenbesitzer! Wir harren deiner wie der Bräutigam der Braut!”
Die Braut ließ auf sich warten. Wir schoben deshalb das Dampfross des Bäckermeisters über die Grube und begannen, ihm die Vorderachse auszubauen. Ein paar Stunden arbeiteten wir ruhig, ohne viel zu reden. Dann hörte ich Jupp von der Benzinpumpe her das Lied: „Horch, was kommt von draußen rein – ” pfeifen.
Ich kletterte aus der Grube und schaute durchs Fenster. Ein kleiner, untersetzter Mann strich um den Cadillac herum. Er sah bürgerlich und solide aus. „Schau mal, Gottfried”, flüsterte ich, „sollte das da eine Braut sein?”
„Klar”, sagte Lenz nach dem ersten Blick. „Sieh dir das Gesicht an. Der ist schon misstrauisch, bevor jemand da ist. Los, ran! Ich bleibe hier als Reserve. Komme nach, wenn du es nicht schaffst. Denk an meine Tricks!”
„Gut.” Ich ging raus.
Der Mann sah mir aus klugen, schwarzen Augen entgegen. Ich stellte mich vor. „Lohkamp.”
„Blumenthal.”
„Sie kommen wegen des Cadillacs, Herr Blumenthal?” fragte ich. Blumenthal nickte.
„Das drüben ist er”, sagte ich und zeigte hinüber.
„Das sehe ich”, erwiderte Blumenthal.
Wir gingen über den Hof. Ich öffnete eine Tür des Wagens und ließ den Motor an. Dann schwieg ich, um Blumenthal Zeit zur Besichtigung zu lassen.
Aber Blumenthal besichtigte nicht. Er kritisierte auch nicht. Es blieb mir nichts übrig, ich musste aufs Geratewohl vom Leder ziehen[53]
.Ich begann langsam und systematisch den Cadillac zu beschreiben wie eine Mutter ihr Kind, und versuchte dabei herauszukriegen, ob der Mann irgendetwas verstand. War er Fachmann, dann musste ich mehr auf Motor und Chassis gehen, – verstand er nichts, auf Komfort und Kinkerlitzchen[54]
.Doch er verriet auch jetzt nichts. Er ließ mich reden, bis ich mir vorkam wie ein Luftballon.
„Machen wir eine Probefahrt, Herr Blumenthal”, schlug ich schließlich, schon stark abgekämpft, vor.
„Probefahrt?” erwiderte er, als hätte ich Bahnhof gesagt.
„Ja, Probefahrt. Sie müssen doch sehen, was der Wagen leistet.
„Ach, Probefahrten – “ er machte eine wegwerfende Handbewegung, „Probefahrten zeigen nichts. Was am Wagen fehlt, merkt man immer erst hinterher.”
„Na schön, dann nicht”, sagte ich und ließ alle Hoffnung fahren. Der Mann wollte nicht, das war klar.
Aber da wandte er sich plötzlich um, sah mir voll in die Augen und sagte leise und scharf und sehr rasch: „Was kostet der Wagen?”
„Siebentausend Mark”, erwiderte ich, ohne mit der Wimper zu zucken, wie aus der Pistole geschossen. Dieser Mann durfte nicht merken, dass ich auch nur einen Moment überlegte, das wusste ich. Jede Sekunde Zögern hätte tausend Mark gekostet, die er abgehandelt hätte. „Siebentausend Mark netto”, wiederholte ich fest und dachte: wenn du jetzt fünf bietest, hast du ihn weg.
Aber Blumenthal bot gar nichts. Er stieß nur ein kurzes Schnaufen aus. „Viel zu teuer!”
„Natürlich!” sagte ich und gab den Fall endgültig auf.
„Wieso natürlich?” fragte Blumenthal auf einmal ziemlich menschlich.
„Herr Blumenthal”, erwiderte ich, „haben Sie heutzutage schon mal jemand getroffen, der auf einen Preis was anderes antwortet?”
Er sah mich aufmerksam an. Dann zog so etwas wie der Schimmer eines Lächelns über sein Gesicht. „Stimmt. Aber der Wagen ist wirklich zu teuer.”
Ich traute meinen Ohren nicht. Da war er ja endlich, der richtige Ton! Der Ton des Interessenten! Oder war das wieder ein neuer verfluchter Dreh?
„Wenn Sie den Wagen einmal gefahren haben, werden Sie anders über den Preis denken”, sagte ich. „Sie können ihn gern solange probieren, wie Sie wollen. Vielleicht kann ich Sie auch abends zu einer Probefahrt abholen, wenn Ihnen das besser passt.”
Aber die flüchtige Regung war bereits verflogen. „Lassen Sie nur”, sagte er, „ich muss jetzt gehen. Wenn ich eine Probefahrt machen will, kann ich Ihnen ja noch telefonieren.”
Ich sah, dass vorläufig nichts weiter zu machen war. Dieser Mann war nicht zu bereden. „Gut, erklärte ich, „aber wollen Sie mir nicht Ihre Telefonnummer geben, damit ich Ihnen Bescheid sagen kann, wenn noch ein Interessent da ist?”
Blumenthal sah mich merkwürdig an. „Interessenten sind noch keine Käufer.”
Er gab mir freundlich die Hand und ging. Ich sah ihm nach und verfluchte ihn leise, aber gründlich. Dann ging ich zurück in die Werkstatt.