Köster schüttelte den Kopf. Er antwortete nicht mehr.
Die Straße wurde feucht. Auf der lehmigen Straße schwänzelte der Wagen und schleuderte. Köster musste mit dem Tempo herunter. Dafür ging er nachher noch schärfer in die Kurven. Er fuhr nicht mehr mit dem Kopf; er fuhr nur noch mit dem Instinkt. Der Arzt schwieg. Plötzlich flirrte die Luft vor den Scheinwerfern, sie bekam Farbe, blasses Silber, wolkige Schleier. Es war der einzige Augenblick, wo Jaffé Köster fluchen hörte. Eine Minute später waren sie im dichten Nebel.
Köster blendete die Scheinwerfer ab. Sie schwammen in Watte.
Als sie nach zehn Minuten herauskamen, war Kösters Gesicht verfallen. Er sah Jaffé an und murmelte etwas. Dann ging er mit vollem Gas weiter, geduckt, kalt und wieder beherrscht —
Wie Blei brütete die klebrige Wärme in der Stube. „Hört es noch nicht auf?” fragte ich.
„Nein”, sagte der Arzt.
Pat sah mich an. Ich lächelte ihr zu. Es wurde eine Grimasse. „Noch eine halbe Stunde”, sagte ich.
Der Arzt blickte auf. „Noch anderthalb Stunden, wenn nicht zwei. Es regnet.”
Ein Käfer summte irgendwo – aber er kam nicht näher – er kam nicht näher. Er summte gleichmäßig leise; jetzt setzte er einmal aus – jetzt war er wieder da – jetzt noch einmal – ich zitterte plötzlich – das war kein Käfer, das war ein sehr weiter Wagen, der mit hohen Touren in die Kurve ging. „Sie kommen! Doktor, Pat, sie kommen. Ich höre sie schon!”
Der Arzt hatte mich schon den ganzen Abend für ziemlich verrückt gehalten. Er stand auf und horchte ebenfalls. „Es wird ein anderer Wagen sein”, sagte er schließlich.
„Nein, ich kenne den Motor.”
Ich blieb draußen. Ich zitterte vor Erregung. „Karl! Karl!” sagte ich.
Jetzt wurde das Heulen schwächer; er war hinter dem Wald – und jetzt schwoll es an, rasend, jubelnd, ein heller Strich wischte durch den Nebel, die Scheinwerfer, ein Donnern, der Arzt stand fassungslos neben mir, jäh blendete uns das voll heranschießende Licht und mit knirschendem Ruck hielt der Wagen vor der Gartentür. Ich rannte hin. Der Professor stieg gerade aus. Er beachtete mich nicht, sondern ging auf den Arzt zu. Hinter ihm kam Köster. „Wie geht es ihr?” sagte er. „Sie blutet noch.”
„Kommt vor”, sagte er, „brauchst dich noch nicht zu ängstigen.”
Ich schwieg und sah ihn an.
„Hast du eine Zigarette?” fragte er.
Ich gab sie ihm. „Gut, dass du gekommen bist, Otto.”
Er rauchte mit tiefen Zügen. „Dachte, es wäre besser so.”
„Du bist sehr schnell gefahren.”
„Es ging. Hatte bloß ein Stück Nebel.”
Wir saßen auf der Bank nebeneinander und warteten. „Denkst du, dass sie durchkommt?” fragte ich.
„Natürlich. Eine Blutung ist nicht gefährlich.”
„Sie hat mir nie etwas davon gesagt.”
Köster nickte. „Sie muss durchkommen, Otto”, sagte ich.
Er sah nicht auf. „Gib mir noch eine Zigarette”, sagte er, „ich habe vergessen, meine einzustecken.”
„Sie muss durchkommen”, sagte ich, „sonst ist alles Scheiße.”
Der Professor kam heraus. Ich stand auf. „Verdammt will ich sein, wenn ich noch einmal mit Ihnen fahre”, sagte er zu Köster.
„Entschuldigen Sie”, sagte Köster, „es ist die Frau meines Freundes.”
„So”, sagte Jaffé und sah mich an.
„Kommt sie durch?” fragte ich.
Er betrachtete mich aufmerksam. Ich blickte zur Seite. „Glauben Sie, dass ich so lange hier bei Ihnen stünde, wenn sie nicht durchkäme?” sagte er.
Ich biss die Zähne zusammen. Ich presste die Fäuste ineinander. Ich weinte. „Entschuldigen Sie”, sagte ich, „es geht etwas zu schnell.”
„Sowas kann gar nicht schnell genug gehen”, sagte Jaffé und lächelte.
„Nimms nicht übel, Otto”, sagte ich, „dass ich flenne.”
„War es richtig, dass Sie kamen?” fragte Köster.
„Ja”, sagte Jaffé, „es war besser.”
„Ich kann Sie morgen früh wieder mit zurücknehmen.”
„Lieber nicht”, sagte Jaffé.
„Ich werde vernünftig fahren.”
„Ich will noch einen Tag bleiben und die Sache beobachten. Ist Ihr Bett frei?” fragte er mich. Ich nickte.
Ich fuhr aus einem unruhigen Halbschlaf empor. Es war grau und kühl draußen. Köster war schon wach. „Hast du nicht geschlafen, Otto?”
„Doch.”
Ich kletterte aus dem Wagen und schlich über den Gartenweg zum Fenster. Die kleine Nachttischlampe brannte noch immer. Ich sah Pat mit geschlossenen Augen im Bett liegen. Einen Moment fürchtete ich, dass sie tot sein könnte. Aber dann bemerkte ich, wie ihre rechte Hand sich bewegte. Sie war sehr blass. Aber sie blutete nicht mehr. Jetzt machte sie wieder eine Bewegung. Im selben Moment öffnete Jaffé, der auf dem zweiten Bett schlief, die Augen. Ich trat rasch zurück. Ich war beruhigt; er passte auf.
„Ich denke, wir verschwinden hier”, sagte ich zu Köster, „damit er nicht sieht, dass wir ihn kontrolliert haben.”
„Wir könnten baden gehen”, sagte Köster. „Wunderbare Luft hier.” Er dehnte sich.
„Geh du”, sagte ich.
„Komm mit”, erwiderte er.
Wir sprangen ins Wasser und schwammen. Das Wasser leuchtete in Grau und Rot.
Dann gingen wir zurück.