Pat war schon bei mir gewesen und hatte die Rosen gefunden. Sie lachte, als ich hereinkam. „Robby”, sagte sie, „ich bin doch ziemlich harmlos. Erst Frida hat mich aufgeklärt, dass frische Rosen sonntags früh um diese Zeit zweifellos etwas mit Diebstahl zu tun haben müssten. Sie hat mir auch erklärt, dass diese Sorte in den umliegenden Blumengeschäften nicht zu kaufen ist.”
„Glaub, was du willst”, erwiderte ich. „Die Hauptsache ist, dass sie dir Freude machen.”
„Jetzt noch mehr als sonst, Liebling. Du hast sie doch unter Gefahren erbeutet!”
„Na, und unter was für Gefahren!” Ich dachte an den Pastor. „Aber wieso bist du so früh schon auf?”
„Ich konnte nicht mehr schlafen. Und dann habe ich auch geträumt. Nichts Schönes.”
Ich blickte sie aufmerksam an. Sie sah müde aus und hatte Schatten unter den Augen. „Seit wann träumst du sowas?” sagte ich. „Ich dachte, das wäre bisher meine Spezialität.”
Sie schüttelte den Kopf. „Hast du gesehen, dass es Herbst wird draußen?”
„Bei uns nennt man das Spätsommer”, erwiderte ich. „Die Rosen blühen ja noch. Es regnet, das ist alles, was ich sehe.”
„Es regnet”, wiederholte sie. „Es regnet schon viel zu lange, Liebling. Manchmal nachts, wenn ich aufwache, glaube ich, dass ich ganz begraben bin unter dem vielen Regen.”
„Du musst nachts zu mir kommen” , sagte ich. „Dann hast du solche Gedanken nicht mehr. Im Gegenteil, es ist schön, beieinander zu sein, wenn es dunkel ist und wenn es draußen regnet.”
„Vielleicht”, erwiderte sie und lehnte sich an mich.
„Ich habe es ganz gern, wenn es sonntags regnet”, sagte ich. „Man merkt dann besser, wie gut man es hat. Wir sind zusammen, wir haben ein warmes, schönes Zimmer und einen freien Tag vor uns, – ich finde, das ist eine ganze Menge.”
Ihr Gesicht hellte sich auf. „Ja, wir haben es gut, nicht wahr?”
„Ich finde, dass wir es wunderbar haben. Wenn ich an früher denke, – mein Gott! Ich hätte nie gedacht, dass ich es noch einmal so gut haben würde.”
„Es ist schön, wenn du das sagst. Ich glaube es dann sofort. Du musst es öfter sagen.”
„Sage ich es nicht oft genug?”
„Nein.”
„Kann sein”, sagte ich. „Ich glaube, ich bin nicht sehr zärtlich. Ich weiß nicht warum, aber ich kann es einfach nicht sein. Dabei wäre ich es sehr gern.”
„Du brauchst es nicht, – Liebling, ich verstehe dich auch so. Nur manchmal, da möchte man es trotzdem auch gern hören.”
„Ich werde es dir von jetzt an jedesmal sagen. Auch wenn ich mir albern dabei vorkomme.”
„Ach, albern”, erwiderte sie. „In der Liebe gibt es keine Albernheit.”
„Gottlob nicht”, sagte ich. „Es wäre sonst furchtbar, was aus einem würde.”
Wir frühstückten zusammen, dann legte Pat sich wieder zu Bett. Jaffé hatte das so angeordnet, „Bleibst du hier?” fragte sie unter ihrer Decke hervor.
„Wenn du willst”, sagte ich.
„Ich möchte schon, aber du brauchst nicht – ”
Ich setzte mich zu ihr ans Bett. „So war es nicht gemeint. Ich erinnere mich nur, dass du es früher nicht gern hattest, wenn man dir beim Schlafen zusah.”
„Früher, ja – aber jetzt habe ich manchmal Angst, allein – ”
„Das hatte ich auch mal”, sagte ich. „Im Lazarett, nach einer Operation. Ich fürchtete mich damals, nachts zu schlafen.
Ich blieb immer wach und las oder dachte an irgendetwas, und erst wenn es hell wurde, schlief ich ein. Aber das vergeht wieder.”
Sie legte ihr Gesicht auf meine Hand. „Man hat Angst, dass man nicht zurückkommt, Robby – ”
Sie atmete tiefer und drehte sich etwas zur Seite. Eine Minute später war sie fest eingeschlafen.
Ich setzte mich wieder ans Fenster und sah in den Regen hinaus. Er wehte jetzt in grauen Schauern vor den Scheiben vorbei und das Haus wirkte wie eine kleine Insel in der trüben Unendlichkeit. Ich war unruhig, denn es kam selten vor, dass Pat morgens mutlos und traurig war. Aber dann dachte ich daran, dass sie vor einigen Tagen noch lebhaft und froh gewesen war und dass vielleicht alles schon anders sein würde, wenn sie wieder erwachte. Ich wusste, dass sie viel an ihre Krankheit dachte, und ich wusste auch von Jaffé, dass es noch nicht besser geworden war, – aber ich hatte in meinem Leben so viele Tote gesehen, dass jede Krankheit für mich immer noch Leben und Hoffnung war. Ich wusste, dass man an einer Verwundung sterben konnte, und darin hatte ich große Erfahrung, – aber es fiel mir gerade deshalb oft schwer, zu glauben, dass auch eine Krankheit, bei der der Mensch doch äußerlich heil blieb, gefährlich sein konnte. Dadurch kam ich immer rasch über solche Anfälle von Mutlosigkeit hinweg.
Nachmittags gingen wir in ein Kino. Als wir herauskamen, hatte der Himmel sich aufgeklärt. Er war apfelgrün und sehr klar. In den Straßen und Läden brannte schon Licht. Wir gingen langsam nach Hause und sahen uns dabei die Schaufenster an.
Vor den hell erleuchteten Scheiben eines großen Pelzgeschäftes blieb ich stehen. Es war schon kühl abends und in den Fenstern waren dicke Bündel Silberfüchse und warme Mäntel für den Winter ausgestellt. Ich sah Pat an; sie trug immer noch ihre kurze Pelzjacke und war eigentlich viel zu leicht angezogen.