„Wenn ich jetzt der Held aus dem Film wäre, würde ich da hineingehen und dir einen Mantel aussuchen”, sagte ich.
Sie lächelte. „Welchen denn?”
„Den da.” Ich zeigte auf den, der am wärmsten aussah.
Sie lachte. „Du hast einen guten Geschmack, Robby. Das ist ein sehr schöner, kanadischer Nerz.”
„Möchtest du ihn haben?”
Sie blickte mich an. „Weißt du, was so ein Mantel kostet, Liebling?”
„Nein”, sagte ich, „das will ich auch gar nicht wissen. Ich will lieber denken, ich könnte dir schenken, was ich möchte. Warum sollen nur andere Leute das können?”
Sie sah mich aufmerksam an. „Ich will aber gar keinen solchen Mantel, Robby.”
„Doch”, erwiderte ich, „du bekommst ihn! Kein Wort mehr darüber. Morgen lassen wir ihn abholen.”
Sie lächelte. „Danke, Liebling”, sagte sie und küsste mich mitten auf der Straße. „Und jetzt kommst du dran.” Sie blieb vor einem Herrenmodegeschäft stehen. „Diesen Frack da! Du brauchst ihn zu dem Nerz. Und den Zylinder dort bekommst du auch. Wie magst du wohl im Zylinder aussehen?”
„Wie ein Schornsteinfeger.” Ich schaute mir den Frack an. Er lag in einem Fenster, das mit grauem Samt ausgeschlagen war. Ich blickte noch einmal genauer hin. Es war das Geschäft, in dem ich mir im Frühjahr die Krawatte gekauft hatte, nachdem ich zum ersten Mal allein mit Pat zusammen gewesen war und mich betrunken hatte. Es würgte mich plötzlich etwas im Halse, ich wusste nicht warum. Im Frühjahr, – da hatte ich noch nichts von allem geahnt.
Ich nahm Pats schmale Hand und legte sie eine Sekunde an meine Wange. „Du brauchst noch etwas dazu”, sagte ich dann, „so ein Nerz allein ist wie ein Auto ohne Motor. Zwei oder drei Abendkleider – ”
„Abendkleider”, erwiderte sie und blieb vor den großen Schaufenstern stehen, „Abendkleider, das ist wahr, – die kann ich schon schwerer abschlagen – ”
Wir suchten drei wunderbare Kleider aus. Ich sah, wie diese Spielerei Pat belebte. Sie war ganz bei der Sache, denn Abendkleider waren ihre Schwäche. Wir suchten auch gleich die Sachen aus, die dazu gehörten, und sie wurde immer lebhafter. Ihre Augen glänzten. Ich stand neben ihr und hörte ihr zu und lachte und lachte, was für eine verdammte Sache es doch sei, eine Frau zu lieben und arm zu sein. „Komm”, sagte ich schließlich in einer Art verzweifelter Lustigkeit, „wenn man etwas macht, muss man es ganz machen!” Ich zog sie vor ein Juwelengeschäft. „Dort das Smaragdarmband! Dazu die beiden Ringe und die Ohrgehänge! Sprechen wir nicht weiter darüber. Smaragde sind die richtigen Steine für dich.”
„Dann bekommst du aber die Platinuhr da und die Perlen fürs Hemd.”
„Und du den ganzen Laden! Unter dem tue ich es jetzt nicht mehr – ”
Sie lachte und lehnte sich tief atmend an mich. „Genug, Liebling, genug! Jetzt kaufen wir uns nur noch ein paar Koffer und gehen zum Reisebüro und dann packen wir und reisen los, fort aus dieser Stadt und diesem Herbst und diesem Regen.”
Ja, dachte ich, mein Gott, ja, und du würdest dann rasch gesund! „Wohin denn?” fragte ich. „Nach Ägypten? Oder noch weiter? Nach Indien und China?”
„In die Sonne, Liebling, irgendwohin in die Sonne und den Süden und die Wärme. Zu Palmenstraßen und Felsen und weißen Häusern am Meer und Agaven[151]
. Aber vielleicht regnet es dort auch. Vielleicht regnet es überall.”„Dann fahren wir einfach weiter”, sagte ich, „bis es irgendwo nicht mehr regnet. Mitten in die Tropen und in die Südsee hinein.”
Wir standen vor den hellen Fenstern des Reisebüros der Hamburg-Amerika-Linie. In der Mitte war das Modell eines Dampfers aufgestellt. Es schwamm auf blauen Pappwellen und dahinter erhob sich mächtig die vergrößerte Photographie der Wolkenkratzer Manhattans[152]
. An den Fenstern hingen große, bunte Landkarten mit rot eingezeichneten Routen.„Nach Amerika fahren wir auch”, sagte Pat. „Nach Kentucky und Texas und New York und San Franzisko und Hawaii. Und dann über Südamerika weiter. Über Mexiko und den Panamakanal nach Buenos Aires. Und dann über Rio de Janeiro zurück.”
„Ja – ”
Sie sah mich strahlend an.
„Ich war noch nicht da”, sagte ich. „Ich habe dir das damals vorgeschwindelt.”
„Das weiß ich”, erwiderte sie.
„Das weißt du?”
„Aber Robby! Natürlich weiß ich es. Ich wusste es gleich.”
Sie lächelte und legte ihren Arm in meinen. „Ach, Liebling, warum sind wir nicht reich? Wir wüssten so großartig, was wir damit anfangen sollten! Es gibt doch so viele reiche Leute, die nichts besseres kennen, als immer wieder in ihre Büros oder ihre Banken zu gehen.”
„Deshalb sind sie ja reich”, sagte ich. „Wenn wir es wären, würden wir es bestimmt nicht lange bleiben.”
„Das glaube ich auch. Wir würden es sicher irgendwie verlieren.”
„Vielleicht würden wir auch aus Sorge, es zu verlieren, nichts davon haben. Heute ist Reichsein direkt ein Beruf. Und gar kein so ganz einfacher.”