Alfons nickte.
Köster stand auf. „Ich glaube, es wird Zeit.” Er sah nach der Uhr. „Ja, wir müssen los.”
„Noch einen Kognak”, sagte Alfons. „Von dem echten Napoleon! Habe ihn doch extra für euch mitgebracht!”
Wir tranken den Kognak, dann brachen wir auf.
„Auf Wiedersehen, Alfons!” sagte Pat. „Ich bin immer so gern hier gewesen.” Sie gab ihm die Hand.
Alfons wurde rot. Er hielt ihre Hand fest zwischen seinen beiden Pranken. „Also, wenn mal was ist, – einfach nur Bescheid geben.” Er sah sie äußerst verlegen an. „Sie gehören ja jetzt dazu. Hätte nie gedacht, dass eine Frau auch mal dazu gehören könnte.”
„Danke”, sagte Pat, „danke, Alfons. Sie hätten mir nichts Schöneres sagen können. Auf Wiedersehen und alles Gute.”
„Auf Wiedersehen! Bald!”
Köster und Lenz brachten uns zur Bahn. Vor unserm Hause hielten wir einen Augenblick und ich holte den Hund herunter. Die Koffer hatte Jupp schon zum Bahnhof gebracht.
Wir kamen gerade rechtzeitig an. Kaum waren wir eingestiegen, da fuhr der Zug schon los. Als die Lokomotive anzog, griff Gottfried in die Tasche und reichte mir eine eingewickelte Flasche herauf. „Hier, Robby, nimm das mal. So was kann man unterwegs immer gebrauchen.”
Der Zug wurde schneller und Gottfried blieb zurück. Pat lehnte aus dem Fenster und winkte, bis der Bahnhof hinter einer Kurve verschwand. Dann wandte sie sich um. Sie war sehr blass und ihre Augen glänzten feucht. Ich nahm sie in den Arm. „Komm”, sagte ich, „jetzt trinken wir was. Du hast dich großartig gehalten.”
„Mir ist aber gar nicht großartig zumute”, erwiderte sie mit einem Versuch zu lächeln.
„Mir auch nicht”, sagte ich. „Deshalb wollen wir ja was trinken.”
Ich machte die Flasche auf und gab ihr einen Becher Kognak.
„Gut?” fragte ich.
Sie nickte und lehnte sich an meine Schulter. „Ach, Liebling, was soll das alles werden?”
„Du musst nicht weinen”, sagte ich. „Ich war so stolz, dass du nicht geweint hast, den ganzen Tag.”
„Ich weine ja gar nicht”, erwiderte sie und schüttelte den Kopf und die Tränen liefen ihr über das schmale Gesicht.
„Komm, trink noch etwas”, sagte ich und hielt sie fest. „Es ist nur immer der erste Moment, dann wird es schon besser.”
Sie nickte. „Ja, Robby. Du musst dich auch gar nicht darum kümmern. Es ist gleich vorbei und es ist besser, wenn du es gar nicht siehst. Lass mich nur ein paar Minuten hier allein sitzen, dann werde ich schon damit fertig.”
„Warum denn? Du warst den ganzen Tag so tapfer, da kannst du jetzt ruhig soviel weinen, wie du willst.”
„Ich war gar nicht tapfer. Du hast es nur nicht gemerkt.”
„Vielleicht”, sagte ich, „aber das war es dann gerade.”
Sie versuchte zu lächeln. „Warum denn eigentlich, Robby?”
„Weil man sich nicht ergibt.” Ich strich ihr über das Haar.
„Solange man sich nicht ergibt, ist man mehr als das Schicksal.”
„Bei mir ist es kein Mut, Liebling”, murmelte sie. „Es ist einfach nur Angst. Jämmerliche Angst vor der großen, letzten Angst.”
„Das ist aller Mut, Pat.”
Sie lehnte sich an mich. „Ach, Robby, du weißt ja gar nicht, was Angst ist.”
„Doch”, sagte ich.
Die Tür ging auf. Der Schaffner verlangte die Fahrkarten. Ich gab sie ihm. „Ist die Schlafwagenkarte für die Dame?” fragte er.
Ich nickte.
„Dann müssen Sie in den Schlafwagen gehen”, sagte er zu Pat. „Die Karte gilt nicht für die übrigen Abteile.”
„Gut.”
„Und der Hund muss in den Packwagen”, erklärte er. „Das Hundeabteil ist im Packwagen.”
„Schön”, sagte ich. „Wo ist denn der Schlafwagen?”
„Rechts der dritte Wagen. Der Packwagen ist ganz vorn.”
Er ging. Auf seiner Brust baumelte eine kleine Laterne. Das sah aus, als ginge er durch die Schächte eines Bergwerks.
„Dann wollen wir mal umziehen, Pat”, sagte ich. „Billy schmuggle ich schon zu dir rein. Der hat im Packwagen nichts zu suchen.”
Ich hatte für mich keinen Schlafwagenplatz genommen. Es machte mir nichts, in einer Abteilecke die Nacht zu verbringen. Außerdem war es billiger.
Jupp hatte Pats Gepäck schon in den Schlafwagen gebracht. Das Abteil war ein hübscher, kleiner, mit Mahagoniholz getäfelter Raum. Pat hatte das untere Bett. Ich fragte den Schaffner, ob auch das obere belegt sei.
„Ja”, sagte er, ,,ab Frankfurt.”
„Wann sind wir in Frankfurt?”
„Um halb drei.”
Ich gab ihm ein Trinkgeld und er ging in seine Wagenecke zurück.
„In einer halben Stunde bin ich mit dem Hund wieder bei dir”, sagte ich zu Pat.
„Aber das geht doch nicht; der Schaffner bleibt ja im Wagen.”
„Es geht schon. Schließ nur deine Türe nicht ab.”
Ich ging zurück, an dem Schaffner vorbei, der mich ansah. Auf der nächsten Station stieg ich mit dem Hund aus und ging über den Bahnsteig am Schlafwagen vorbei bis zum nächsten Wagen. Hier wartete ich, bis der Schaffner ausstieg, um mit dem Zugführer zu schwätzen. Dann stieg ich wieder ein, ging durch den Wagen bis zu den Schlafwagenabteils und kam zu Pat, ohne dass mich jemand gesehen hatte.
Sie trug einen weichen, weißen Mantel und sah wunderschön aus. Ihre Augen glänzten. „Ich bin jetzt ganz darüber weg, Robby”, sagte sie.