Eine Woche später fuhr ich zurück. Vom Bahnhof ging ich gleich zur Werkstatt. Es war Abend, als ich ankam, es regnete immer noch und mir schien, als wäre es ein Jahr her, seit ich mit Pat abgefahren war.
Köster und Lenz saßen im Büro. „Du kommst gerade recht”, sagte Gottfried.
„Was ist denn los?” fragte ich.
„Lass ihn erst mal reinkommen”, sagte Köster.
Ich setzte mich zu ihnen. „Wie geht es Pat?” fragte Otto.
„Gut. So gut es eben kann. Aber nun sagt mir schon, was hier los ist.”
Es handelte sich um den Stutz. Wir hatten ihn re-pariert und vor vierzehn Tagen abgeliefert. Nun war Köster gestern hingegangen, um das Geld abzuholen. Inzwischen aber hatte der Mann, dem der Wagen gehörte, Pleite gemacht und der Wagen war in die Konkursmasse[158]
gekommen.„Das ist doch nicht schlimm”, sagte ich. „Wir haben ja nur mit der Versicherung zu tun.”
„Haben wir auch gedacht”, erklärte Lenz trocken. „Der Wagen ist aber nicht versichert.”
„Verdammt! Ist das wahr, Otto?”
Köster nickte. „Habe es heute erst erfahren.”
„Wer kann so was ahnen!” sagte ich.
Lenz fing an zu lachen. „Es ist zu blödsinnig!”
„Was machen wir nun, Otto?” fragte ich.
„Ich habe unsere Forderung beim Konkursverwalter[159]
angemeldet. Aber ich fürchte, es wird nicht viel dabei herauskommen.”„Wir machen die Bude zu, das wird dabei herauskommen”, sagte Gottfried. „Das Finanzamt ist auch schon rebellisch wegen der Steuern.”
„Möglich”, gab Köster zu.
Lenz erhob sich. „Gleichmut und gute Haltung in schwierigen Situationen zieren den Soldaten.” Er ging zum Schrank und holte den Kognak.
„Bei dem Kognak können wir sogar heroische Haltung haben”, sagte ich. „Wenn ich nicht irre, ist das unsere letzte gute Flasche.”
„Heroische Haltung, Knabe”, erwiderte Lenz verweisend, „ist was für schwere Zeiten. Wir aber leben in verzweifelten Zeiten. Da ist die einzige anständige Haltung der Humor.” Er trank sein Glas aus. „So, und jetzt werde ich mal unsere alte Rosinante[160]
besteigen und etwas Kleingeld zusammenfahren.”Er ging über den dunklen Hof und fuhr mit dem Taxi los. Köster und ich blieben noch eine Weile sitzen. „Pech[161]
, Otto”, sagte ich. „Wir haben verdammt viel Pech in der letzten Zeit.”„Ich habe mir angewöhnt, nicht mehr nachzudenken, als unbedingt nötig ist”, erwiderte Köster. „Das ist immer noch genug. Wie wars oben?”
„Wenn diese Krankheit nicht wäre, ein Paradies. Schnee und Sonne.”
Er hob den Kopf. „Schnee und Sonne. Klingt ein bisschen unwahrscheinlich, was?”
„Ja. Verflucht unwahrscheinlich. Da oben ist alles unwahrscheinlich.”
Er sah mich an. „Was hast du heute abend vor?”
Ich zuckte die Achseln. „Werde erstmal meinen Koffer nach Hause bringen.”
„Ich muss noch auf eine Stunde weg. Kommst du nachher in die Bar?”
„Auf jeden Fall”, sagte ich. „Was soll ich sonst machen?”
Ich holte meinen Koffer vom Bahnhof und brachte ihn nach Hause. Ich öffnete die Tür, so leise ich konnte, denn ich hatte keine Lust, mit irgendjemand zu reden. Es gelang mir durchzukommen, ohne Frau Zalewski in die Hände zu fallen. Eine Weile blieb ich in meinem Zimmer sitzen. Auf dem Tisch lagen Briefe und Zeitungen. Die Briefe waren lauter Drucksachen. Ich hatte niemand, der mir schrieb. Jetzt würde ich jemand haben, dachte ich.
Nach einiger Zeit stand ich auf, wusch mich und zog mich um. Meinen Koffer packte ich nicht aus; ich wollte nachher, wenn ich allein nach Hause kam, noch etwas zu tun haben. Ich ging auch nicht in Pats Zimmer, obschon ich wusste, dass niemand da wohnte. Leise schlich ich mich über den Korridor und atmete auf, als ich draußen war.
In der Bar waren Valentin, Köster und Ferdinand Grau. Lenz kam etwas später. Ich setzte mich zu ihnen und bestellte mir eine halbe Flasche Rum. Ich fühlte mich immer noch verdammt schlecht.
Der Rum klopfte hinter meiner Stirn. Ich stand leise auf und ging zu Fred ins Büro. Er schlief. Ich weckte ihn und ließ eine Verbindung mit dem Sanatorium anmelden.
,.Sie können drauf warten”, sagte er. „Um diese Zeit geht das rasch.”
Fünf Minuten später klingelte das Telefon, das Sanatorium meldete sich. „Ich möchte Fräulein Hollmann sprechen”, sagte ich.
„Einen Augenblick, ich verbinde mit der Station.”
Die Oberschwester meldete sich. „Fräulein Holmann schläft schon.”
„Hat sie kein Telefon im Zimmer?”
„Nein.”
„Können Sie sie nicht wecken?”
Die Stimme zögerte. „Nein. Sie soll heute auch nicht aufstehen.”
„Ist etwas passiert?”
„Nein. Sie muss nur die nächsten Tage im Bett bleiben.”
„Ist bestimmt nichts passiert?”
„Nein, nein, das ist immer so im Anfang. Sie muss im Bett bleiben und sich erst gewöhnen.”
Ich hängte ab. „Schon zu spät, was?” fragte Fred.
„Wie meinst du das?” Er zeigte mir seine Uhr. „Es geht schon auf zwölf.”
„Ja”, sagte ich. „Hätte gar nicht anrufen sollen.”
Ich ging zurück und trank weiter.
Um zwei Uhr brachen wir auf.
XXIII