„Die Sittenpolizei”[181]
, erwiderte ich.Der Schlüssel knirschte und die Tür flog auf. „Du, Robby?” stammelte Pat fassungslos.
„Ich!” sagte ich. „Der Besieger von Fräulein Rexroth! Der Kognak- und Porto-Roncobesitzer!” Ich zog die Flaschen aus den Taschen meines Bademantels. „Und nun sag mir sofort, wieviel Männer hier schon gewesen sind.”
„Niemand, außer dem Fußballklub und dem verstärkten philharmonischen Orchester”, erklärte Pat lachend. „Ach, Liebling, jetzt sind die alten Zeiten wieder da!”
Sie schlief an meiner Schulter ein. Ich blieb noch lange wach. In einer Ecke des Zimmers brannte eine kleine Lampe. Die Schneeflocken klopften leise gegen das Fenster und die Zeit schien stille zu stehen in dieser matten, braungoldenen Dämmerung.
XXVII
Die nächsten Tage schneite es ununterbrochen. Pat hatte Fieber und musste zu Bett bleiben. Viele im Hause hatten Fieber.
„Es ist das Wetter”, sagte Antonio. „Zu warm und föhnig. Richtiges Fieberwetter.”
„Liebling, geh ein bisschen raus”, sagte Pat. „Kannst du Skifahren?”
„Nein. Wie sollte ich das können? Ich war ja nie im Gebirge.”
„Antonio wird es dir beibringen. Es macht ihm Spaß. Er mag dich gern.”
„Ich bleibe viel lieber hier.”
Sie richtete sich im Bett auf. Das Nachthemd fiel von ihren Schultern. Verdammt schmal waren sie. Verdammt schmal war auch der Nacken.
„Robby”, sagte sie, „tus mir zuliebe. Ich möchte nicht gern, dass du hier so am Krankenbett sitzt. Gestern und vorgestern, das war schon mehr als genug.”
„Ich sitze gern hier”, erwiderte ich. „Habe gar keine Sehnsucht, in den Schnee zu gehen.”
Sie atmete laut und ich hörte das unregelmäßige Scharren des Atems. „Ich habe darin mehr Erfahrung als du”, sagte sie und stützte sich auf die Ellenbogen. „Es ist besser für uns beide. Du wirst es nachher sehen.” Sie lächelte mühsam. „Heute nachmittag und heute abend kannst du noch genug hier sitzen. Morgens macht es mich unruhig, Liebling. Man sieht schrecklich aus, morgens, wenn man Fieber hat. Abends ist das ganz anders. Ich bin oberflächlich und dumm, – ich will nicht häßlich sein, wenn du mich siehst.”
„Aber Pat!” Ich stand auf. „Also gut, ich gehe ein bisschen mit Antonio raus. Mittags bin ich dann wieder hier. Hoffentlich breche ich mir nicht alle Knochen mit diesen Skidingern.”
„Du wirst es rasch lernen, Liebling.” Ihr Gesicht verlor die ängstliche Spannung. „Du wirst sehr schnell wunderbar laufen.”
„Und du willst mich sehr schnell wunderbar hier raus haben”, sagte ich und küsste sie. Ihre Hände waren feucht und heiß und ihre Lippen trocken und aufgesprungen.
Antonio wohnte im zweiten Stock. Er lieh mir ein paar Schuhe und Skier. Sie passten, denn wir waren gleich groß. Wir gingen zur Übungswiese, die ein Stück hinter dem Dorf lag. Antonio blickte mich unterwegs forschend an. „Fieber macht unruhig”, sagte er. „Sonderbare Sachen sind hier an solchen Tagen manchmal schon passiert.” Er legte die Skier vor sich hin und machte sie fest. „Das Schlimmste ist das Warten und das Nichtstunkönnen. Das macht verrückt und kaputt.”
„Die Gesunden auch”, erwiderte ich. „Dabei stehen zu müssen und nichts tun zu können.”
„Wollen wirs mal probieren?” fragte Antonio und stemmte die Skistöcke in den Schnee.
„Ja.”
Er zeigte mir, wie man die Skier anmachte und wie man das Gleichgewicht hielt. Es war nicht schwer. Ich fiel ziemlich oft, aber dann gewöhnte ich mich allmählich und es klappte schon ein wenig. Nach einer Stunde hörten wir auf. „Genug”, meinte Antonio. „Sie werden heute abend Ihre Muskeln schon spüren.”
Ich schnallte die Skier ab und fühlte, wie kräftig mein Blut strömte. „War gut, dass wir draußen waren, Antonio”, sagte ich.
Er nickte. „Das können wir jeden Vormittag machen. Man kommt auf andere Gedanken dabei.”
„Wollen wir irgendwo was trinken?” fragte ich. „Können wir. Einen Dubonnet[182]
bei Forster.”Wir tranken den Dubonnet und gingen zum Sanatorium hinauf. Im Büro sagte mir die Sekretärin, der Briefträger wäre für mich dagewesen; er hätte hinterlassen, ich solle zur Post kommen. Es sei Geld für mich da. Ich sah nach der Uhr. Es war noch Zeit und ich ging zurück. Auf der Post zahlte man mir zweitausend Mark aus. Ein Brief von Köster war dabei. Ich solle mir keine Sorgen machen; es sei noch mehr da. Ich brauche nur zu schreiben.
Ich starrte auf die Scheine. Wo hatte er das nur her? Und so schnell? Ich kannte doch auch unsere Quellen. Und plötzlich wusste ich es. Ich sah den rennfahrenden Konfektionär Bollwies vor mir, wie er gierig an Karl herumklopfte, abends vor der Bar, als er seine Wette verloren hatte, und sagte: „Für den Wagen bin ich jederzeit Käufer.” Verflucht! Köster hatte Karl verkauft! Daher auf einmal das Geld! Karl, von dem er gesagt hatte, er verlöre lieber eine Hand als den Wagen. Karl war nicht mehr da. Er war jetzt in den dicken Händen des Anzugsfabrikanten und Otto, dessen Ohr ihn auf Kilometer erkannte, würde ihn durch die Straßen heulen hören wie einen verstoßenen Hund.