Читаем Gertrud / Гертруда. Книга для чтения на немецком языке полностью

Es kam zwischen Gertrud und mir keine Verlegenheit auf, wir trieben im selben Strom, arbeiteten am selben Werk, es war für sie wie mich ein Aufblühen reifgewordener Jugendkräfte, ein Glück und Zauber, in dem meine Leidenschafft ungesehen mitbrannte. Sie unterschied nicht zwischen meinem Werk und mir, sie liebte uns und war unser, und auch für mich war Liebe und Arbeit, Musik und Leben nicht mehr zu trennen, Manchmal sah ich das schöne Mädchen erstaunt und bewundernd an, und sie erwiderte meinen Blick, und wenn ich kam oder ging, drückte sie mir die Hand wärmer und stärker, als ich ihre zu drücken wagte. Und wenn ich in diesen lauen Frühlingstagen durch den Garten her kam und das alte Haus betrat, wusste ich nicht: War es mein Werk oder meine Liebe, was mich trieb und erhob?

Solche Zeiten dauern nicht lange. Es ging schon gegen das Ende, und meine Flamme flackerte ungeteilt in blinden Liebeswünschen, da saß ich an ihrem Flügel und sie sang den letzten Akt meiner Oper, deren Sopranrolle fertig war. Sie sang so wunderbar, und ich dachte dieser glühenden Tage, deren Glanz ich schon erblassen fühlte, während Gertrud noch auf ihrer Höhe schwebte, und ich fühlte unabwendbar andere und kühle Tage kommen. Da lächelte sie mir zu und neigte sich zu mir herab, den Noten wegen, und bemerkte die Trauer in meinem Blick, und sah mich fragend an. Ich schwieg und stand auf und nahm ihr Gesicht vorsichtig in beide Hände, küsste ihre Stirn und ihren Mund und setzte mich wieder. Sie ließ alles still und fast feierlich geschehen, ohne Befremdung und Unwillen, und da sie Tränen in meinen Augen sah, strich sie mir mit ihrer lichten Hand beruhigend über Haar und Stirn und Schulter.

Dann spielte ich weiter, und sie sang, und der Kuss und diese merkwürdige Stunde blieb unbesprochen, doch unvergessen zwischen uns, als unser letztes Geheimnis.

Denn das andere konnte nicht lange mehr zwischen uns bleiben; die Oper brauchte nun andre Mitwisser und Helfer. Der erste musste Muoth sein, denn an ihn hatte ich bei der Hauptrolle gedacht, deren Ungestüm und bittere Leidenschafft ganz seinem Gesang und ganz seinem Wesen verwandt waren. Nur zögerte ich noch eine kleine Zeit. Noch war mein Werk im Bündnis zwischen mir und Gertrud, gehörte ihr und mir, schuf uns Sorge und Lust, war ein Garten, von dem niemand wusste, oder ein Schiff, auf dem wir beide allein das große Meer befuhren.

Sie fragte selbst danach, als sie fühlte und merkte, dass sie mir nimmer weiter helfen konnte.

»Wer singt die große Rolle?« fragte sie.

»Heinrich Muoth.«

Sie schien erstaunt. »Oh«, sagte sie, »ist das Ernst? Ich hab ihn nicht gern.«

»Er ist mein Freund, Fräulein Gertrud. Und die Rolle passt für ihn.«

»Ja.«

Nun war schon ein Fremder dazwischen.

Fünftes Kapitel

Indessen hatte ich nicht an Muoths Ferien und Reiselust gedacht. Er freute sich über meinen Opernplan und versprach alle Hilfe, war aber schon in Reiseplänen und konnte mir nur versprechen, bis zum Herbst seine Rolle durchzunehmen. Ich schrieb sie ihm ab, soweit ich schon fertig war. Er nahm sie mit und ließ nach seiner Gewohnheit in all den Monaten nichts von sich hören.

So war eine Frist für uns gewonnen. Zwischen Gertrud und mir bestand nun eine gute Kameradschafft. Ich glaube, sie wusste seit jener Stunde am Klavier genau, was in mir vorging, doch sagte sie nie ein Wort und war um nichts anders gegen mich. Sie liebte nicht nur meine Musik, sie hatte mich selber gern und fühlte wie ich, dass zwischen uns beiden ein natürlicher Einklang war, dass jeder von uns des andern Wesen gefühlsmäßig verstand und billigte. So ging sie neben mir in Eintracht und Freundschafft, doch ohne Leidenschafft. Zuzeiten genügte mir das, und ich lebte stille, dankbare Tage in ihrer Nähe. Doch immer kam bald die Leidenschafft dazwischen, dann war mir jede ihrer Freundlichkeiten nur ein Almosen, und ich empfand mit Qualen, dass die Stürme des Liebhabens und Begehrens, die mich erschütterten, ihr fremd und unlieb waren. Oft täuschte ich mich gewaltsam und suchte mir vorzureden, sie sei eben eine gleichmäßige und heiter stille Natur. Doch wusste mein Gefühl, dass es falsch sei, und kannte Gertrud genug, um zu wissen, dass auch ihr die Liebe Sturm und Gefahren bringen müsse. Oft habe ich darüber nachgedacht, und ich glaube, wenn ich sie damals bestürmt und bekriegt und mit allen Kräften an mich gezogen hätte, sie wäre mir gefolgt und für immer mit mir gegangen. So aber misstraute ich ihrer Heiterkeit, und was sie mir von Zärtlichkeit und feiner Zuneigung zeigte, schob ich auf das fatale Mitleid. Ich konnte den Gedanken nicht loswerden, dass sie mit einem andern, gesunden und äußerlich schönen Manne, wenn sie ihn so gern hatte wie mich, nicht so lange in dieser ruhigen Freundschafftlichkeit hätte verharren können. Dann waren wieder die Stunden nicht selten, in denen ich meine Musik und alles, was in mir lebte, für ein gerades Bein und flottes Wesen hingegeben hätte.

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Джеймс Джойс – великий ирландский писатель, классик и одновременно разрушитель классики с ее канонами, человек, которому более, чем кому-либо, обязаны своим рождением новые литературные школы и направления XX века. В историю мировой литературы он вошел как автор романа «Улисс», ставшего одной из величайших книг за всю историю литературы. В настоящем томе представлена вся проза писателя, предшествующая этому великому роману, в лучших на сегодняшний день переводах: сборник рассказов «Дублинцы», роман «Портрет художника в юности», а также так называемая «виртуальная» проза Джойса, ранние пробы пера будущего гения, не опубликованные при жизни произведения, таящие в себе семена грядущих шедевров. Книга станет прекрасным подарком для всех ценителей творчества Джеймса Джойса.

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