Читаем Gertrud / Гертруда. Книга для чтения на немецком языке полностью

»Dummes Zeug. Sie sind ein Komponist, ein Schöpfer, ein kleiner Herrgott. Was geht Sie der Ruhm an? Unsereins muss pressieren, wenn er zu etwas kommen will. Wir Sänger und Seiltänzer haben es wie die Weiber, wir müssen das Fell zu Markt bringen[60], solang es schön glatt ist. Ruhm, soviel es geben will, und Geld und Weiber und Champagner! Photographien in den Zeitschriften, Lorbeerkränze! Denn siehe, wenn ich heute den Ekel kriege, oder es braucht bloß eine kleine Lungenentzündung zu sein, so bin ich morgen erledigt, und mit dem Ruhm und Lorbeer und dem ganzen Betrieb hat es gepfiffen[61]

»Nun, Sie können es abwarten.«

»Ach, wissen Sie, im Grunde bin ich verdammt neugierig auf das Altwerden. Es ist ein Schwindel mit der Jugend, ein richtiger Zeitungs- und Lesebuchschwindel! Die schönste Zeit des Lebens! Hat sich was, alte Leute machen mir immer einen viel zufriedenern Eindruck. Die Jugend ist die schwerste Zeit im Leben. Zum Beispiel Selbstmorde kommen in höheren Jahren fast gar nie vor.«

Ich begann zu spielen, und er wandte sich zu dem Lied, fasste rasch die Melodie und gab mir an einer Stelle, wo sie bedeutungsvoll von Moll in Dur zurücklenkte[62], einen anerkennenden Stoß mit dem Ellbogen.

Abends fand ich zu Hause, wie ich gefürchtet hatte, ein Kuvert von Herrn Imthor, das ein paar freundliche Worte und ein mehr als anständiges Honorar enthielt. Ich sandte das Geld zurück und schrieb dazu, ich sei wohlhabend genug, auch zöge ich es vor, in seinem Hause als Freund verkehren zu dürfen. Als ich ihn wiedersah, lud er mich ein, bald wiederzukommen, und sagte: »Ich dachte mir schon, dass es so gehen werde. Gertrud meinte, ich dürfe Ihnen nichts schicken, aber versuchen wollte ich’s doch.«

Von da an war ich im Hause Imthor ein sehr häufiger Gast. Ich übernahm bei vielen Hauskonzerten die erste Geige, ich brachte alle neue Musik, eigene und fremde, dorthin, und die meisten meiner kleinen Arbeiten wurden nun zuerst dort aufgeführt.

An einem Nachmittag im Frühling fand ich Gertrud allein mit einer Freundin zu Hause. Es regnete, und ich war auf der Vortreppe ausgeglitten, nun wollte sie mich nicht wieder fortlassen. Wir sprachen von Musik, und es geschah fast ungewollt, dass ich zu erzählen anfing und namentlich von der Graubündener Zeit sprach, in der ich meine ersten Lieder komponiert hatte. Dann ward ich verlegen und wusste nicht, ob es richtig gewesen sei, vor diesem Mädchen zu beichten. Da sagte Gertrud beinah zaghaft: »Ich muss Ihnen etwas bekennen, was Sie mir nicht übelnehmen dürfen. Ich habe zwei von Ihren Liedern für mich umgeschrieben und gelernt.«

»Ja, singen Sie denn?« rief ich überrascht. Zugleich fiel mir komischerweise das Erlebnis mit meiner allerersten Jugendliebe ein, wie ich sie so schlecht hatte singen hören.

Gertrud lächelte vergnügt und nickte: »O ja, ich singe, wenn auch nur für mich und ein paar Freunde. Ich will Ihnen die Lieder singen, wenn Sie begleiten wollen.«

Wir gingen zum Flügel, und sie gab mir die Noten, zierlich von ihrer feinen Frauenhand umgeschrieben. Leise begann ich mit der Begleitung, um sie recht gut zu hören. Und sie sang das Lied, und dann das zweite, und ich saß und horchte und hörte meine Musik verwandelt und verzaubert. Sie sang mit einer hohen, vogelleichten, köstlich schwebenden Stimme, und es war das Schönste, was ich in meinem Leben gehört habe. In mich aber drang die Stimme wie der Südsturm in ein beschneites Tal, und jeder Ton zog eine Hülle von meinem Herzen, und während ich selig war und zu schweben meinte, musste ich kämpfen und mich hart machen, denn die Tränen standen mir in den Augen und wollten mir die Noten verlöschen.

Wohl hatte ich gemeint zu wissen, was Liebe sei, und war mir damit weise vorgekommen, hatte getröstet aus neuen Augen in die Welt geschaut und einen näheren und tieferen Anteil an allem Leben gefühlt. Nun war es anders, nun war es nicht mehr Klarheit, Trost und Heiterkeit, sondern Sturm und Flamme, nun warf mein Herz sich jauchzend und zitternd weg, wollte nichts mehr vom Leben wissen und nur in seiner Flamme verbrennen. Wenn jetzt mich einer gefragt hätte, was denn die Liebe sei, da hätte ich es wohl zu wissen geglaubt und hätte es sagen können, und es hätte dunkel und lodernd geklungen.

Indessen schwang sich hoch darüber Gertruds leichte, selige Stimme, schien mir heiter zuzurufen und nur meine Freude zu wollen, und flog doch in fernen Höhen mir davon, unerreichbar und fast fremd.

Ach, ich wusste nun, wie es stand. Sie mochte singen, sie mochte freundlich sein, sie mochte es gut mit mir meinen, das alles war nicht, was ich begehrte. Wenn sie nicht ganz und für immer mir zu eigen wurde, mir allein, dann war mein Leben vergebens, und alles Gute und Zarte und Eigenste in mir hatte keinen Sinn.

Nun fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter, erschrak und wandte mich um, und sah in ihr Gesicht. Die hellen Augen waren ernst, und nur langsam, da ich sie anstarrte, fing sie an, zart zu lächeln und zu erröten.

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Джеймс Джойс – великий ирландский писатель, классик и одновременно разрушитель классики с ее канонами, человек, которому более, чем кому-либо, обязаны своим рождением новые литературные школы и направления XX века. В историю мировой литературы он вошел как автор романа «Улисс», ставшего одной из величайших книг за всю историю литературы. В настоящем томе представлена вся проза писателя, предшествующая этому великому роману, в лучших на сегодняшний день переводах: сборник рассказов «Дублинцы», роман «Портрет художника в юности», а также так называемая «виртуальная» проза Джойса, ранние пробы пера будущего гения, не опубликованные при жизни произведения, таящие в себе семена грядущих шедевров. Книга станет прекрасным подарком для всех ценителей творчества Джеймса Джойса.

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