Читаем Gertrud / Гертруда. Книга для чтения на немецком языке полностью

Das schöne Mädchen hatte mir gleich bei ihrem Eintritt Eindruck gemacht, nun klang ihre Stimme so hell und gut, dass ich die dargebotene Hand herzhaft drückte und dem Fräulein vergnügt in die Augen sah, die mich lieb und freundschafftlich begrüßten.

»Ich freue mich auf das Trio«, sagte sie lächelnd, als habe sie mich so erwartet, wie ich nun war, und sei befriedigt.

»Ich auch«, erwiderte ich, ohne zu wissen, was ich sagte, und sah sie wieder an, und sie nickte. Dann ging sie weiter und aus dem Saal, und ich sah ihr nach. Bald darauf kam sie wieder, an der Hand ihres Vaters und hinter ihnen die Gesellschafft. Wir drei saßen schon an den Pulten und waren bereit. Die Leute nahmen Platz, einige Bekannte nickten mir zu, der Hausherr gab mir die Hand, und als alle saßen, erloschen die elektrischen Lichter und brannten nur die hohen Kerzen über unseren Noten weiter.

Ich hatte meine Musik beinahe vergessen. Ich suchte hinten im Saal das Fräulein Gertrud, das an ein Büchergestell gelehnt in der Dämmerung saß. Ihr dunkelblondes Haar sah beinahe schwarz aus, ihre Augen sah ich nicht. Nun zählte ich leise den Takt und nickte, und wir stimmten mit breitem Strich das Andante an.

Jetzt während des Spielens ward mir wohl und innig, ich wiegte mich im Takte mit und schwebte frei im Zusammenklang der Tonströme, die mir alle völlig neu und wie in diesem Augenblick erfunden vorkamen. Mein Gedanken an die Musik und meine Gedanken an Gertrud Imthor flossen rein und ohne Störung zusammen, ich zog meinen Geigenbogen und gab mit den Augen meine Anweisungen, schön und stetig floss die Musik dahin und nahm mich mit, einen goldenen Weg zu Gertrud hin, die ich nicht mehr sehen konnte und jetzt auch gar nicht mehr zu sehen begehrte. Ich gab ihr meine Musik und meinen Atem, meinen Gedanken und meinen Herzschlag hin, wie sich ein Morgenwanderer dem lichten Blau und klaren Wiesenglanz der Frühe hingibt, ungefragt und ohne sich selbst zu verlieren. Zugleich mit dem Wohlgefühl und wachsenden Schwall der Töne trug und erhob mich ein verwundertes Glück darüber, dass ich nun so plötzlich wisse, was Liebe sei. Es war kein neues Gefühl, nur eine Klärung und Entscheidung uralter Ahnungen, Rückkehr in ein altes Vaterland.

Der erste Satz war zu Ende; ich gönnte nur eine Minute Pause. Leise klang das Stimmen der Saiten in mildem Durcheinander, über gespannte und zunickende Gesichter hinweg konnte ich einen Augenblick den dunkelblonden Kopf sehen, die zarte helle Stirn und den hellroten strengen Mund, dann klopfte ich sacht auf mein Pult, und wir strichen den zweiten Satz, der sich wohl hören lassen darf. Die Spieler wurden warm, die ansteigende Sehnsucht des Liedes hob unruhige Schwingen, kreiste in unbefriedigten Flügeln empor, suchte und verlor sich in klagender Bangigkeit. Tief und warm übernahm das Cello die Melodie, hob sie stark und dringlich heraus, trug sie verklingend in die neue, dunklere Tonart hinüber und löste sie verzweifelnd im halb zornigen Basse auf.

Dieser zweite Satz war meine Beichte, ein Bekenntnis meiner Sehnsucht und meines Unbefriedigtseins. Der dritte sollte die Erlösung und Erfüllung sein. Ich wusste aber seit diesem Abend, dass er nichts war, und ich spielte ihn sorglos hin als eine Sache, die hinter mir lag. Denn ich meinte jetzt genau zu wissen, wie die Befriedigung hätte klingen sollen, wie aus dem stürmischen Stimmenbrausen, der Glanz und Friede brechen müsse, Licht aus schwerem Gewölk. Das war in meinem dritten Satz nicht, er war nur ein linderndes Auflösen der angewachsenen Dissonanzen und ein Versuch, die alte Grundmelodie ein wenig zu läutern und zu steigern. Von dem, was in mir selber jetzt glänzte und sang, war kein Ton und Strahl darin, und ich wunderte mich, dass niemand es merkte.

Mein Trio war aus. Ich nickte den Spielern zu und legte meine Geige weg. Die Lichter flammten wieder auf, die Gesellschafft kam in Bewegung, manche kamen mit den gewohnten Artigkeiten, Lobsprüchen und Kritiken zu mir, um sich als Kenner auszuweisen. Den Hauptmangel der Arbeit warf keiner mir vor.

Man verteilte sich in mehrere Zimmer, es gab Tee, Wein und Gebäck, im Herrenzimmer wurde geraucht. Eine Stunde verging und noch eine. Da geschah es endlich, von mir kaum mehr erwartet, dass Gertrud bei mir stand und mir die Hand gab.

»Hat es Ihnen gefallen?« fragte ich.

»Ja, es war schön«, sagte sie nickend. Ich sah aber, dass sie mehr wusste. Darum sagte ich: »Sie meinen den zweiten Satz. Das andere ist ja nichts.«

Da schaute sie mir wieder neugierig in die Augen, mit einer gütigen Klugheit wie eine reife Frau, und sagte ganz fein: »Sie wissen es also selber. Der erste Satz, nicht wahr, ist gute Musik. Der zweite wird groß und weit und verlangt vom dritten zuviel. Man hat es Ihnen auch beim Spielen angesehen, wo Sie wirklich drin waren und wo nicht.«

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Джеймс Джойс – великий ирландский писатель, классик и одновременно разрушитель классики с ее канонами, человек, которому более, чем кому-либо, обязаны своим рождением новые литературные школы и направления XX века. В историю мировой литературы он вошел как автор романа «Улисс», ставшего одной из величайших книг за всю историю литературы. В настоящем томе представлена вся проза писателя, предшествующая этому великому роману, в лучших на сегодняшний день переводах: сборник рассказов «Дублинцы», роман «Портрет художника в юности», а также так называемая «виртуальная» проза Джойса, ранние пробы пера будущего гения, не опубликованные при жизни произведения, таящие в себе семена грядущих шедевров. Книга станет прекрасным подарком для всех ценителей творчества Джеймса Джойса.

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