Читаем Gertrud / Гертруда. Книга для чтения на немецком языке полностью

Gertrud hatte, als wir mit dem Durchsingen der Sopranrolle soweit fertig waren, wohl bemerkt, dass es mir schwerfiel, auf die häufigen Besuche bei ihr und das vertrauliche Beisammensein am Klavier zu verzichten, und dass ich mich doch scheute, Vorwände für dessen Fortsetzung zu erfinden. Da überraschte sie mich mit dem Vorschlag, sie regelmäßig beim Singen zu begleiten, und ich kam nun zwei, dreimal in der Woche am Nachmittag in ihr Haus. Der Alte sah ihre Freundschafft mit mir gerne; ohnehin ließ er sie, die schon früh die Mutter verloren hatte und dem Haus als Dame vorstand, in allem gewähren.

Der Garten stand in voller Frühsommerpracht, überall waren Blumen und sangen Vögel um das stille Haus, und wenn ich von der Straße in den Garten trat und an den dunklen, alten Steinbildern der Allee vorüber mich dem grünumwachsenen Hause näherte, war es mir jedesmal wie der Eintritt in ein Heiligtum, wohin Stimmen und Dinge der Welt nur leise und gemildert dringen konnten. Da sangen vor den Fenstern im blühenden Gebüsch die Bienen, Sonne und leichte Laubschatten fielen ins Zimmer, und ich saß am Flügel und hörte Gertrud singen, horchte ihrer Stimme nach, die sich leicht emporschwang und im mühelosen Schweben wiegte, und wenn wir nach einem Lied einander ansahen und lächelten, so war es einig und vertraulich, wie zwischen Geschwistern. Da meinte ich manches Mal, jetzt brauche ich nur die Hand auszustrecken und mein Glück leise zu fassen, um es für immer zu haben, und tat es doch nie, denn ich wollte warten, bis auch sie einmal Verlangen und Sehnsucht zeige. Gertrud aber schien in reiner Zufriedenheit zu atmen und nichts anders zu wünschen, ja mir kam es oft vor, als bäte sie mich, dieses stille Einvernehmen nicht zu erschüttern und unsern Frühling nicht zu stören.

War ich darüber enttäuscht, so tröstete es mich zu fühlen, wie innig sie in meiner Musik lebte, wie sie mich verstand und darüber stolz war.

Das dauerte bis zum Juni, dann reiste Gertrud mit ihrem Vater in die Berge, ich blieb zurück, und wenn ich an ihrem Hause vorüberging, lag es leer hinter seinen Platanen, und die Pforte war geschlossen. Da fing die Pein wieder an, wuchs und verfolgte mich tief in die Nächte hinein.

Da kam ich abends, fast immer mit Noten in der Tasche, zu den Teisers, nahm an ihrem heiter genügsamen Leben teil, trank von ihrem österreichischen Wein und spielte Mozart mit ihnen. Dann ging ich durch die milden Nächte heim, sah in den Anlagen die Liebespaare spazieren, legte mich zu Hause müd aufs Bett und fand doch keinen Schlaf. Es war mir jetzt unbegreiflich, wie ich so brüderlich mit Gertrud hatte umgehen können, dass ich nie den Bann gebrochen[67], sie an mich gezogen und bestürmt und erobert hatte. Ich sah sie in ihrem hellblauen oder grauen Kleid, munter oder ernsthaft, ich hörte ihre Stimme und begriff nimmer, dass ich sie jemals hatte hören können, ohne in Glut und Werbung auszubrechen. Berauscht und fiebernd stand ich auf, machte Licht und warf mich auf die Arbeit, ließ Menschenstimmen und Instrumente werben und flehen und drohen, wiederholte das Lied der Sehnsucht in neuen, fiebernden Melodien. Oft aber blieb mir diese Tröstung aus, dann lag ich glühend und wild in grimmiger Schlaflosigkeit, sagte wirr und sinnlos ihren Namen Gertrud, Gertrud vor mich hin, warf Trost und Hoffnung weg und gab mich verzweifelnd der grauenhaften Ohnmacht des Begehrens hin. Ich rief Gott an und fragte ihn, warum er mich so geschaffen, warum er mich verstümmelt und mir statt des Glückes, das jeder Ärmste habe, nichts gegeben habe als den grausamen Trost, in Tönen zu wühlen und das Unerreichbare in wesenlosen Tonphantasien immer wieder vor mein Begehren hinzumalen.

Bei Tage gelang es mir besser, meiner Leidenschafft Herr zu werden. Da biss ich auf die Zähne, saß vom frühesten Morgen an bei der Arbeit, erzwang Ruhe durch lange Gänge und Ermunterung durch kalte Sturzbäder, und abends floh ich vor den Schatten der heraufdrohenden Nacht in die heitere Nähe der Geschwister Teiser, wo mir für Stunden Ruhe und manchmal beinahe Behagen kam. Teiser merkte wohl, dass ich litt und krank war, doch schrieb er es der Arbeit zu und riet mir Schonung, obwohl er selber flammend dabei war und im Grunde meine Oper ebenso erregt und ungeduldig wachsen sah wie ich selbst. Manchmal holte ich ihn auch ab, um ihn allein zu haben, und brachte den Abend mit ihm in einem kühlen Wirtsgarten zu, wo jedoch die Liebespaare und das Nachtblau, die Lampions und Feuerwerke und der Duft von Begehrlichkeit, den die Sommerabende der Städter immer haben, mir nicht wohl tat.

Völlig schlimm wurde es, als auch Teiser abreiste, um mit Brigitte die Ferien im Gebirge zu verwandern. Er lud mich zum Mitkommen ein, und es war ihm Ernst, so sehr ich mit meiner Unbeweglichkeit ihm die Lust zerstört hätte; aber ich konnte nicht annehmen. Zwei Wochen blieb ich allein in der Stadt, schlaflos und aufgerieben, und die Arbeit gedieh nicht mehr.

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Джеймс Джойс – великий ирландский писатель, классик и одновременно разрушитель классики с ее канонами, человек, которому более, чем кому-либо, обязаны своим рождением новые литературные школы и направления XX века. В историю мировой литературы он вошел как автор романа «Улисс», ставшего одной из величайших книг за всю историю литературы. В настоящем томе представлена вся проза писателя, предшествующая этому великому роману, в лучших на сегодняшний день переводах: сборник рассказов «Дублинцы», роман «Портрет художника в юности», а также так называемая «виртуальная» проза Джойса, ранние пробы пера будущего гения, не опубликованные при жизни произведения, таящие в себе семена грядущих шедевров. Книга станет прекрасным подарком для всех ценителей творчества Джеймса Джойса.

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