Читаем Gertrud / Гертруда. Книга для чтения на немецком языке полностью

Das war für meine Mutter ein Schlag ins Gesicht, den sie der Cousine nicht vergaß. Früher war es ihr ein Bedürfnis und ein Genuss gewesen, hie und da im Gespräch mit dieser Vertrauten etwas zu klagen und ihrem Hausherrn einiges am Zeug zu flicken[83]; jetzt aber ertrug sie nicht den mindesten Schatten auf seinem verklärten Bilde und begann die beginnende Revolution im Hause nicht nur als störend, sondern vor allem als eine Versündigung an dem Seligen zu empfinden.

So war es gegangen, ohne dass ich davon erfuhr. Als jetzt zum erstenmal ein Brief meiner Mutter diesen Unfrieden im Vogelkäfig andeutete, wenn auch noch schonend und vorsichtig, machte die Sache mich lachen. Ich ließ in meinem nächsten Schreiben die Grüße an die Jungfer weg, ging aber nicht auf die Andeutungen ein und dachte, die Frauen möchten besser ohne mich fertig werden. Auch kam anderes dazwischen, das mich weit mehr beschäftigte.

Es war Oktober geworden, und der Gedanke an Gertruds bevorstehende Hochzeit ließ mich nicht mehr los. Ich hatte ihr Haus nicht wieder besucht und sie selber nicht wiedergesehen. Nach der Hochzeit, wenn sie fort wäre, dachte ich den Verkehr mit ihrem Vater wieder aufzunehmen. Auch hoffte ich, es werde sich zwischen ihr und mir mit der Zeit wieder ein gutes, vertrauliches Verhältnis herstellen; wir waren einander schon zu nahe gewesen, um einfach das Gewesene ausstreichen zu können. Nur jetzt hatte ich noch nicht den Mut zu einer Begegnung, welcher sie, wie ich sie kannte, nicht ausgewichen wäre.

Da pochte es eines Tages auf eine wohlbekannte Art an meiner Tür. Ahnungsvoll und verwirrt sprang ich auf und öffnete, und da stand Heinrich Muoth und streckte mir die Hand entgegen.

»Muoth!« rief ich und hielt die Hand fest, und ich konnte nicht in seine Augen sehen, ohne dass alles in mir aufwachte und wehe tat. Ich sah wieder den Brief auf seinem Tische liegen, den Brief mit Gertruds Handschrift, und sah mich wieder von ihr Abschied nehmen und den Tod wählen. Da stand er nun und blickte mich forschend an. Er sah etwas gemagert aus, doch schön und stolz wie je.

»Ich hatte dich nicht erwartet«, sagte ich leise.

»So? Dass du zu Gertrud nicht mehr gekommen bist, weiß ich schon. Meinetwegen – lassen wir das alles unbesprochen! Ich bin da, um zu sehen, wie du lebst und was deine Arbeit macht. Was ist denn mit der Oper?«

»Die ist fertig. Aber zuerst: wie geht es Gertrud?«

»Gut. Wir haben ja bald Hochzeit.«

»Ich weiß.«

»Ja. Besuchst du sie nicht bald einmal?«

»Später, doch. Ich will sehen, ob sie es auch gut bei dir hat.«

»Hm…«

»Heinrich, verzeih, aber ich muss manchmal an die Lotte denken, die du schlecht gehalten und geschlagen hast.«

»Lass die Lotte! Es geschah ihr recht. Es bekommt kein Weib Schläge, das keine haben will.«

»Nun ja. Also die Oper. Ich weiß noch gar nicht, wo ich sie zuerst einreichen soll. Es müsste eine gute Bühne sein, aber ob die das Ding nehmen wird?«

»Sie wird schon. Ich wollte darüber mit dir sprechen. Bring sie nach München! Angenommen wird sie wahrscheinlich, man interessiert sich für dich, und im Notfall stehe ich dafür ein. Ich möchte sehr gern, dass kein anderer die Rolle vor mir singt.«

Damit war mir gedient. Ich sagte gern zu und versprach, bald für die Abschriften zu sorgen. Wir besprachen Einzelheiten und sprachen verlegen weiter, als sei es uns todeswichtig, und doch wollten wir nichts als die Zeit hinbringen und vor der Kluft, die sich zwischen uns aufgetan hatte, die Augen schließen. Muoth brach den Bann zuerst.

»Du«, sagte er, »weißt du noch, wie du mich damals zu den Imthors mitgenommen hast? Es ist ein Jahr her.«

»Ich weiß noch«, sagte ich, »und du brauchst mich nicht zu erinnern, du. Geh lieber!«

»Nein, Freund. Also du erinnerst dich noch. Nun, wenn du damals schon das Mädchen liebgehabt hast, warum hast du nicht ein Wort zu mir gesagt? Warum hast du nicht gesagt: lass sie in Ruhe, lass sie mir! Es wäre genug gewesen, ich hätte auch eine Andeutung verstanden.«

»Das durfte ich nicht.«

»Durftest du nicht? Warum nicht? Wer hieß dich zusehen und den Mund halten, bis es zu spät war?«

»Ich konnte ja nicht wissen, ob sie mich liebhabe. Und auch dann – wenn du ihr lieber bist, kann ich doch nichts machen.«

»Du bist ein Kind! Sie wäre mit dir vielleicht glücklicher geworden! Es hat doch jeder das Recht, sich eine Frau zu erobern. Und wenn du mir gleich anfangs ein Wort gesagt hättest, einen kleinen Wink gegeben hättest, ich wäre weggeblieben. Nachher war’s natürlich zu spät.«

Mir war diese Unterhaltung peinlich.

»Ich denke anders darüber«, sagte ich, »und du kannst ja zufrieden sein, nicht? Also lass mich in Ruhe! Sag ihr einen Gruß, und ich würde euch in München besuchen.«

»Zur Hochzeit magst du nicht kommen?«

»Nein, Muoth, das wäre geschmacklos. Aber – lasst ihr euch kirchlich trauen?«

»Natürlich, im Münster.«

»Das ist mir lieb. Ich habe etwas für die Gelegenheit zurückgelegt, ein Orgelvorspiel. Keine Sorge, es ist ganz kurz.«

»Du bist ein lieber Kerl! Hol’s der Teufel, dass ich mit dir so Pech habe!«

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Джеймс Джойс – великий ирландский писатель, классик и одновременно разрушитель классики с ее канонами, человек, которому более, чем кому-либо, обязаны своим рождением новые литературные школы и направления XX века. В историю мировой литературы он вошел как автор романа «Улисс», ставшего одной из величайших книг за всю историю литературы. В настоящем томе представлена вся проза писателя, предшествующая этому великому роману, в лучших на сегодняшний день переводах: сборник рассказов «Дублинцы», роман «Портрет художника в юности», а также так называемая «виртуальная» проза Джойса, ранние пробы пера будущего гения, не опубликованные при жизни произведения, таящие в себе семена грядущих шедевров. Книга станет прекрасным подарком для всех ценителей творчества Джеймса Джойса.

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