Читаем Gertrud / Гертруда. Книга для чтения на немецком языке полностью

Inzwischen war meine Oper nach München gegangen. Nach zwei Monaten, kurz vor der Ankunft meiner Mutter, schrieb mir Muoth, sie sei angenommen, könne aber in dieser Spielzeit nicht mehr einstudiert werden. Doch werde sie im Beginn des nächsten Winters aufgeführt werden. So hatte ich der Mutter eine gute Nachricht, und Teiser veranstaltete ein Fest mit Freudentänzen, als es er hörte.

Meine Mutter weinte beim Einzug in unsere hübsche Gartenwohnung und meinte, es sei nicht gut, im Alter noch auf fremden Boden verpflanzt zu werden. Ich aber fand es sehr gut, und die Teisers auch, und Brigitte half und ging meiner Mutter zur Hand, dass es eine Freude war. Das Mädchen hatte wenig Bekannte in der Stadt und war oft, während ihr Bruder im Theater war, einsam zu Hause gesessen, was ihr allerdings nicht anzusehen war. Nun kam sie viel zu uns und half auch mir und der Mutter, den schwierigen Weg in ein freundlich stilles Zusammenleben hineinzufinden. Sie wusste es der alten Frau zu erklären, wenn ich Ruhe brauchte und allein sein musste, sie war dann zur Hand und sprang für mich ein, und mir deutete sie manche Bedürfnisse und Wünsche meiner Mutter an, die ich nie erraten und die Mutter mir nie mitgeteilt hätte. So gab es bald eine kleine Heimat und einen Heimatfrieden bei uns, anders und bescheidener, als ich mir vormals mein Heim vorgestellt hatte, doch gut und schön genug für einen, der es selber nicht weiter gebracht hatte als ich.

Jetzt lernte meine Mutter auch meine Musik kennen. Sie hieß nicht alles gut und schwieg zu dem meisten, aber sie sah und glaubte, dass es nicht Zeitvertreib und Spielerei, sondern Arbeit und Ernst war, und fand überhaupt zu ihrem Erstaunen unser Musikantenleben, das sie sich stark seiltänzerhaft vorgestellt hatte, kaum viel weniger bürgerlichfleißig als das, das der selige Papa etwa geführt hatte. Von ihm konnten wir nun auch besser reden, und allmählich hörte ich tausend Geschichten von ihm und von ihr, von den Großeltern und von der eigenen Kinderzeit. Die Vergangenheit und Familie ward mir lieb und interessant, ich fühlte mich nicht mehr außerhalb des Kreises. Dagegen lernte meine Mutter, mich gewähren zu lassen und Vertrauen zu mir zu haben, auch wenn ich in Arbeitszeiten mich einschloss oder reizbar war. Sie hatte es bei meinem Vater sehr gut gehabt, desto härter war ihre Prüfung in der Schniebelschen Zeit gewesen; jetzt fasste sie wieder Vertrauen und hörte allmählich auf, von ihrem Altwerden und Vereinsamen zu reden.

In all diesem Behagen und bescheidenen Glück sank das Leidgefühl und Ungenügen unter, in dem ich lang gelebt hatte. Es sank aber nicht ins Bodenlose, sondern ruhte tief und unverloren in meiner Seele, sah mich in mancher Nacht fragend an und behielt sein Recht. Je ferner das Vergangene zurückgesunken schien, desto klarer stieg mir das Bild meiner Liebe und meines Leides herauf, blieb bei mir und war mein stiller Mahner.

Manchmal hatte ich gemeint zu wissen, was Liebe sei. Schon in Jünglingszeiten, da ich betört um die hübsche leichte Liddy schwärmte, hatte ich Liebe zu kennen gemeint. Dann wieder, als ich Gertrud zuerst sah und fühlte, dass sie die Antwort auf meine Fragen und der Trost für meine dunklen Wünsche sei. Dann wieder, als Pein begann und aus der Freundschafft und Klarheit Leidenschafft und Dunkel wurde, und schließlich, als sie mir verloren war. Aber die Liebe blieb und war immer bei mir, und ich wusste, dass ich niemals mehr einer Frau mit Begierde folgen und nach dem Kuss eines Frauenmundes verlangen konnte, seit ich Gertrud im Herzen hatte.

Ihr Vater, den ich zuweilen besuchte, schien jetzt von meinem Verhältnis zu ihr zu wissen. Er bat sich das Präludium aus, das ich zu ihrer Hochzeit gemacht hatte, und zeigte mir ein stilles Wohlwollen. Er mochte fühlen, wie gern ich von ihr hörte und wie ungern ich doch fragte, und er teilte mir viel aus ihren Briefen mit. Darin war auch von mir häufig die Rede, namentlich von meiner Oper. Sie schrieb, dass für die Sopranrolle eine gute Sängerin gefunden sei und wie sie sich freue, das ihr schon so vertraute Werk endlich ganz zu hören. Sie freute sich auch darüber, dass ich meine Mutter bei mir habe. Was sie über Muoth schrieb, weiß ich nicht.

Mein Leben lief ruhig hin, die Ströme der Tiefe drangen nicht mehr nach oben. Ich arbeitete an einer Messe und hatte ein Oratorium im Kopf, für das mir der Text noch fehlte. Wenn ich genötigt war, an die Oper zu denken, war es mir eine fremde Welt. Meine Musik ging neue Wege, sie wurde einfacher und kühler, sie wollte trösten und nicht erregen.

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Джеймс Джойс – великий ирландский писатель, классик и одновременно разрушитель классики с ее канонами, человек, которому более, чем кому-либо, обязаны своим рождением новые литературные школы и направления XX века. В историю мировой литературы он вошел как автор романа «Улисс», ставшего одной из величайших книг за всю историю литературы. В настоящем томе представлена вся проза писателя, предшествующая этому великому роману, в лучших на сегодняшний день переводах: сборник рассказов «Дублинцы», роман «Портрет художника в юности», а также так называемая «виртуальная» проза Джойса, ранние пробы пера будущего гения, не опубликованные при жизни произведения, таящие в себе семена грядущих шедевров. Книга станет прекрасным подарком для всех ценителей творчества Джеймса Джойса.

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