»Ich würde sagen, die beiden hier haben geahnt, was kommt, wenigstens in den letzten Augenblicken. Sie mussten sich hinstellen und gewusst haben, dass sie gleich enthauptet würden. Das hat eine extreme Angst hervorgerufen, die zu Spitzenwerten sowohl des Blutdrucks als auch des Herzschlags geführt hat. Noch mal, das ist nur mein erster Eindruck.«
D’Agosta versuchte, die ganze Situation vollständig zu erfassen. »Mit was wurden die Köpfe abgeschlagen?«
Martinelli nickte. »Gleich da drüben.«
Als D’Agosta sich umwandte, sah er das Tatwerkzeug: irgendeine Art mittelalterlicher Waffe, auf dem Boden liegend, die Klinge komplett mit Blut überzogen.
»So etwas nennt man eine Bartaxt. Wurde von Wikingern verwendet. Natürlich eine Kopie. Rasiermesserscharf.«
D’Agosta blickte kurz zu Pendergast hinüber, aber der wirkte in seinem Schutzanzug noch undurchsichtiger als üblich.
»Warum haben die Opfer nicht geschrien? Keiner hat irgendwas gehört.«
»Wir sind ziemlich sicher, dass noch eine andere Waffe beteiligt war. Vermutlich eine Schusswaffe. Auf bedrohliche Weise eingesetzt, um die beiden ruhig zu halten. Außerdem sind diese Türen extrem dick, und das gesamte Büro ist sehr gut schallisoliert.«
D’Agosta schüttelte den Kopf. Es war absolut verrückt, die beiden Vorstandschefs eines großen Unternehmens mitten in ihren Büroräumen zu töten, und zwar zur belebtesten Zeit, während die Überwachungskameras liefen und sich Hunderte Leute in der Nähe befanden. Er blickte noch einmal zu Pendergast. Im Unterschied zu seinem üblichen Herumgestocher mit Pinzette und Teströhrchen war er diesmal still und so gelassen, als würde er einen Spaziergang im Park unternehmen. »Also, Pendergast, haben
»Im Augenblick nicht, danke.«
»Ich untersuche zwar nur die Blutspritzer«, sagte Martinelli »aber ich habe den Eindruck, der Mörder will uns eine Art Botschaft senden. Die
D’Agosta schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. »Ich weiß, was die
»Okay, entschuldigen Sie.«
Endlich sagte Pendergast auch etwas. »Mr. Martinelli, hätte der Täter nicht blutüberströmt sein müssen, nachdem er zwei aufrecht stehende Menschen enthauptet hatte?«
»Das sollte man meinen. Allerdings ist der Griff an der Axt ungewöhnlich lang. Wenn der Täter in einer gewissen Entfernung gestanden und beide mit einem sauberen Streich enthauptet hätte, und wenn er flink genug gewesen wäre, beiseitezuspringen, um dem arteriellen Blutstrahl auszuweichen, als die Leichen zu Boden stürzten, könnte er so gerade eben davongekommen sein.«
»Würden Sie sagen, dass der Täter ein Könner im Gebrauch der Axt war?«
»Wenn man so sagen will, ja. Es ist gar nicht leicht, einen Menschen mit einem einzigen Hieb zu enthaupten, vor allem, wenn er steht. Und so etwas hinzubekommen, ohne mit Blut bespritzt zu werden – ja doch, das erfordert richtig viel Übung, würde ich sagen.«
D’Agosta schauderte.
»Vielen Dank, das wäre alles«, sagte Pendergast.
Pendergast und D’Agosta trafen den Mann von der Börsenaufsicht im Büro der Security im Keller an. Auf ihrem Weg nach unten, als sie durch die Lobby gingen, hatten sie vor dem Gebäude eine Menschenmenge gesehen. Zunächst dachte D’Agosta, es handle sich um die übliche ungebärdige Pressemeute, was natürlich auch stimmte, aber da waren auch andere Leute. Die Transparente und Sprechchöre legten nahe, dass es sich um eine Demonstration gegen die Einprozenter handelte.
»Wollen wir uns dort drüben unterhalten?«, sagte er und zeigte auf einen Sitzbereich im Warteraum. Die Techniker des NYPD waren schon dabei, die letzten Aufnahmen der Überwachungskameras herunterzuladen und aufzubereiten.
»Wo Sie möchten.«
Die drei nahmen Platz, der Mann von der Börsenaufsicht, Pendergast und D’Agosta.
»Also, Agent Meldrum«, sagte D’Agosta. »Setzen Sie uns doch bitte über die Ermittlungen der Börsenaufsicht in Kenntnis.«
»Gerne.« Meldrum reichte ihm eine Visitenkarte. »Ich lasse Ihnen die Akten in Kopie zukommen.«
»Vielen Dank.«
»Die Burches sind – besser gesagt: waren – ein Ehepaar, zweiundzwanzig Jahre lang. Damals, in der Finanzkrise haben sie ein betrügerisches Geschäftsmodell ausgeheckt, mit dem sie Menschen, die Hypotheken besaßen, um ihr Geld gebracht haben. 2012 ist die Sache dann aufgeflogen, und sie wurden festgenommen.«
»Und dafür sind sie nicht ins Gefängnis gewandert?«
Meldrum lächelte freudlos. »Gefängnis? Entschuldigen Sie bitte, Lieutenant, aber wo sind Sie in den letzten zehn Jahren gewesen? Ich kann Ihnen gar nicht sagen, an wie vielen Fällen ich gearbeitet habe, bei denen wir uns, anstatt einen Prozess anzustrengen, außergerichtlich geeinigt und eine Geldstrafe erhoben haben. Diese beiden Betrüger haben einen Klaps auf die Hand bekommen und in Windeseile einen neuen Abzockerladen aufgemacht – LFX Financial.«
»Und was macht der?«