»Er nimmt die Ehegatten von Soldaten und pensionierten Veteranen ins Visier. Dabei setzen die Burches zwei einfache Betrugsmodelle ein. Man gewinnt einen Soldaten in Übersee als Kunden. Der Ehegatte – normalerweise die Ehefrau – lebt hier in den Staaten, in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen. Also drängt man die Ehefrau, eine Hypothek mit steigendem Zinssatz auf das Haus aufzunehmen. Zunächst mit kleinen Raten, dann aber wird der Zinssatz so hoch gesetzt, dass sich die Ehefrau die Raten nicht mehr leisten kann. LFX beschlagnahmt das Haus, verkauft es und streicht die Dollars ein.«
»Ist das legal?«
»Größtenteils. Allerdings gelten für Soldaten im aktiven Dienst besondere gesetzliche Vorschriften, die die beiden nicht befolgt haben. Und da komme ich ins Spiel.«
»Und worin besteht die zweite Betrugsmasche?«
»LFX identifiziert die Witwe eines Veteranen, die in einem schönen Haus wohnt, das vollständig abbezahlt ist. LFX überredet sie, eine kleine umgekehrte Hypothek aufzunehmen. Keine große Sache, so etwas wird ständig gemacht. Dann aber erzwingt LFX mit irgendeiner vorgeschobenen Begründung einen Ausfall der umgekehrten Hypothek: Nichtbezahlung der Hauseigentümerversicherung oder irgendeine andere erdichtete oder triviale Verletzung der vertraglichen Bestimmungen. Was so gerade eben als Vorwand ausreicht, um das Haus zu beschlagnahmen, zu verkaufen und obszön hohe Kosten für Mahngebühren, Bußgelder, Zinsen, Konventionalstrafen und andere überzogene Forderungen in Rechnung zu stellen.«
»Mit anderen Worten: Die beiden Chefs waren der Abschaum der Menschheit«, sagte D’Agosta.
»So kann man das ausdrücken.«
»Die Burches müssen sich viele Feinde gemacht haben.«
»Ja. Vor einiger Zeit ist es in diesem Gebäude sogar zu einer Schießerei gekommen – ein Soldat, der sein Haus verloren hatte, hat das Gebäude betreten, wild um sich geschossen und anschließend Selbstmord begangen.«
»Ah ja«, sagte D’Agosta. »Ich erinnere mich. Und Sie glauben, die beiden wurden von einem Betrugsopfer umgebracht, das sich rächen wollte?«
»Das ist eine vernünftige Hypothese, und das habe ich zunächst auch geglaubt, als man mich anrief.«
»Aber jetzt denken Sie das nicht mehr.«
»Nein. Es scheint mir ziemlich klar zu sein, dass es sich um denselben Psycho handelt, der auch die anderen drei Personen ohne Kopf ermordet hat, ein Rächer-Typ, der reiche Dreckskerle bestraft. Sie wissen schon, so wie es in diesen Artikeln in der
D’Agosta schüttelte den Kopf. So wenig er diesen Mistkerl Harriman ausstehen konnte, seine Theorie kam ihm zunehmend plausibel vor. Er warf Pendergast einen kurzen Blick zu; er musste ihn einfach fragen: »Und? Was denken Sie?«
»Sehr viel.«
D’Agosta wartete, aber schon bald wurde ihm klar, dass Pendergast sich nicht weiter zu der Sache äußern würde. »Das ist doch verrückt. Da werden zwei Menschen am helllichten Tag in einem geschäftigen Bürogebäude enthauptet. Wie ist der Mörder an der Security vorbeigekommen, wie ist er in das Büro gelangt, wie konnte er die beiden umbringen, ihre Köpfe abtrennen und das Gebäude verlassen, ohne dass jemand irgendetwas mitbekommen hat? Kommt mir unmöglich vor, so wie in einem von diesen ›Verschlossener Raum‹-Krimis von – wie hieß der noch gleich? – Dickson Carr.«
Pendergast nickte. »Meiner Meinung nach drehen sich die wichtigen Fragen nicht so sehr darum,
»Was gibt es an einem Mord denn noch außer dem Wer, Warum und Wie?«
»Mein lieber Vincent, es gibt noch das
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Der Toningenieur klippte das Lavalier-Mikrofon an Harrimans Hemd, richtete es und zog sich dann auf seine Position zurück. »Sprechen Sie bitte ein paar Worte«, rief er herüber. »Mit normaler Stimme.«
»Hier ist Bryce Harriman«, sagte Harriman. »Lass uns nun gehen, du und ich, wenn der Abend ausgebreitet gegen den Himmel ist …«
»Prima, wir haben gute Ausschläge.« Der Toningenieur gab dem Produzenten das Okay-Zeichen.
Harriman schaute sich auf der Studiobühne um. Fernsehstudios amüsierten ihn jedes Mal aufs Neue. Zehn Prozent davon waren so eingerichtet, dass das Ganze wie ein Wohnzimmer aussah oder wie der Schreibtisch eines Fernsehmoderators, doch im restlichen Raum herrschte stets ein Riesenchaos: Betonboden und Hängelampen und Greenscreen-Leinwände, Kameras und Kabelrollen und Leute, die herumstanden und zusahen.