Roger erwachte schlagartig aus seinem schwarzen, traumlosen Schlaf. Er fühlte sich wie ein gestrandeter Fisch, der sich nach Luft schnappend in ein fremdes, unerwartetes Element gerissen findet. Er erblickte seine Umgebung, ohne sie zu begreifen; seltsames Licht und konturlose Oberflächen. Dann realisierte sein Verstand, dass Brianna seinen Arm berührte, und er befand sich wieder in seiner Haut, in einem Bett.
»Hwh?« Er setzte sich abrupt auf und machte ein heiseres, fragendes Geräusch.
»Tut mir leid, dass ich dich wecke.« Brianna lächelte zwar, doch eine Sorgenfalte verzog ihre Augenbrauen, während sie ihm suchend ins Gesicht sah. Sie strich ihm das verworrene Haar aus der Stirn, und er streckte automatisch die Hand nach ihr aus, nahm sie in die Arme und ließ sich mit ihr auf das Kissen zurückfallen.
»Hwm.« Sie festzuhalten verankerte ihn in der Wirklichkeit – feste Muskeln und warme Haut, und ihr Haar lag sanft wie ein Traum über seinem Gesicht.
»Okay?«, fragte sie leise. Ihre langen Finger berührten seine Brust, seine Brustwarze richtete sich auf, die lockigen Haare ringsum sträubten sich.
»Okay«, sagte er mit einem tiefen Seufzer. Er küsste sie kurz auf die Stirn und entspannte sich dann blinzelnd. Seine Kehle war staubtrocken, und sein Mund fühlte sich klebrig an, doch er konnte allmählich wieder zusammenhängend denken. »Wievieluhr?« Er lag in seinem eigenen Bett, und das Licht im Zimmer war so gedämpft, dass es Abend hätte sein können, doch das lag daran, dass die Tür geschlossen war und die Fenster verhängt waren. Irgendetwas stimmte nicht mit dem Licht, mit der Luft.
Sie stieß sich von ihm ab und strich sich mit einer Hand das herabfallende Haar zurück.
»Es ist kurz nach Mittag. Ich hätte dich nicht geweckt, aber da ist ein Mann, und ich weiß nicht, was ich mit ihm anfangen soll.« Sie blickte in Richtung des Herrenhauses und senkte die Stimme, obwohl doch mit Sicherheit niemand in der Nähe war, der sie hätte hören können.
»Pa schläft tief und fest, und Mama auch«, sagte sie wie zur Bestätigung dieser Vermutung. »Ich möchte sie nicht wecken – selbst wenn ich es könnte.« Sie lächelte kurz. »Ich glaube, dazu würde man Schießpulver brauchen. Die Welt existiert für sie im Moment nicht.«
Sie wandte sich ab und griff nach dem Krug auf dem Tisch. Das Geräusch fließenden Wassers klang in Rogers Ohren wie Regen auf verdorrtem Boden, und er leerte den Becher, der ihm hingehalten wurde, mit drei Schlucken und hielt ihn ihr noch einmal entgegen.
»Mehr. Bitte. Mann?« Das war schon besser; er bildete wieder vollständige Wörter, und sein Denkvermögen kehrte langsam zurück.
»Er sagt, er heißt Thomas Christie. Er ist hier, um mit Pa zu sprechen; er sagt, er war in Ardsmuir.«
»Ja?« Den zweiten Becher trank Roger langsamer und sammelte dabei seine Gedanken. Dann stellte er den Becher hin, schwang die Beine aus dem Bett und streckte die Hand nach seinem Hemd aus, das am Kleiderhaken hing. »Okay. Sag ihm, ich bin sofort da.«
Sie küsste ihn flüchtig und ging. Vorher hielt sie noch kurz inne, um die Fensterbespannung zu lösen und einen gleißenden Lichtstrahl und frostige Luft einzulassen.
Er kleidete sich umständlich an, und sein Verstand war immer noch angenehm benommen. Doch als er sich bückte, um seine Socken unter dem Bett hervorzuziehen, fiel sein Blick auf einen Gegenstand in der zerwühlten Bettwäsche, direkt unter der Kopfkissenkante. Er streckte die Hand aus und hob ihn auf. Es war das »alte Weiblein« – der kleine Fruchtbarkeitszauber. Der uralte, rosafarbene Stein glänzte glatt in der Sonne und lag ihm überraschend schwer in der Hand.
»Da hol mich doch der Teufel«, sagte er laut. Eine Minute stand er da und starrte die Figur an, dann bückte er sich und steckte sie behutsam wieder unter das Kissen.
Brianna hatte den Besucher in Jamies Studierzimmer zurückgelassen, wo auch die meisten unter vier Augen geführten Gespräche mit den Pächtern stattfanden. Roger blieb einen Moment im Flur stehen, um zu überprüfen, ob er all seine Körperteile am rechten Fleck hatte. Er hatte keine Zeit gehabt, sich zu rasieren, doch er hatte sich das Haar gekämmt; unter den gegenwärtigen Umständen konnte dieser Christie nicht zu viel erwarten.
Bei seinem Eintreten wandten sich zu seiner Überraschung drei Gesichter zur Tür um. Brianna war nicht auf den Gedanken gekommen, ihn vorzuwarnen, dass Christie Begleitschutz hatte. Dennoch, der ältere Mann mit dem kurz geschnittenen, grau gesträhnten Haar war offensichtlich Thomas Christie; der dunkelhaarige, jüngere Mann war nicht älter als zwanzig und ebenso offensichtlich Christies Sohn.
»Mr. Christie?« Er bot dem älteren Mann die Hand an. »Ich bin Roger MacKenzie. Ich bin mit Jamie Frasers Tochter verheiratet – ich glaube, Ihr habt meine Frau schon kennen gelernt.«
Christie machte ein etwas überraschtes Gesicht und spähte an Roger vorbei, als erwartete er, dass Jamie hinter ihm auftauchte. Roger räusperte sich; vom Schlaf war seine Stimme immer noch belegt und daher noch rauer als sonst.