»Mein Schwiegervater ist im Augenblick … leider nicht abkömmlich. Kann ich Euch irgendwie behilflich sein?«
Christie musterte ihn stirnrunzelnd, als verschaffe er sich einen Eindruck von Rogers Potential, dann nickte er langsam. Er ergriff Rogers Hand und schüttelte sie fest. Zu seinem Erstaunen spürte Roger etwas ebenso Vertrautes wie völlig Unerwartetes; den deutlichen Druck eines Freimaurergrußes, der auf seinen Knöchel ausgeübt wurde. So etwas war ihm seit Jahren nicht mehr untergekommen, und es war eher ein Reflex als ein klarer Gedanke, der ihn dazu trieb, mit dem – hoffentlich – richtigen Gegensignal zu antworten. Offensichtlich war es zufriedenstellend; Christies ernste Miene hellte sich ein wenig auf, und er ließ los.
»Vielleicht, Mr. MacKenzie, vielleicht«, sagte Christie. Er sah Roger durchdringend an. »Ich bin auf der Suche nach einem Stück Land, das ich mit meiner Familie besiedeln kann – und mir wurde gesagt, dass Mr. Fraser möglicherweise im Stande sein könnte, mir etwas Passendes zur Verfügung zu stellen.«
»Das ist nicht ausgeschlossen«, erwiderte Roger vorsichtig.
»Bitte – setzt Euch doch«, wies er die Besucher mit einer Handbewegung an. Christies Familienangehörige – der Sohn und eine junge Frau, die wohl entweder Christies Tochter oder die Frau seines Sohnes war – hatten sich bei Rogers Eintreten ebenfalls erhoben und standen hinter dem Patriarchen wie die Gefolgsleute eines Potentaten auf Staatsbesuch.
Roger, der sich ausgesprochen befangen fühlte, dirigierte sie winkend wieder auf ihre Stühle und setzte sich selbst an Jamies Schreibtisch. Er zog einen Federkiel aus dem blauen, salzglasierten Behälter und hoffte, dass ihm dies ein professionelleres Aussehen verlieh. Himmel, was fragte man nur einen potentiellen Pächter?
»Nun denn, Mr. Christie.« Er lächelte ihnen zu, wobei er sich seines unrasierten Kinns unangenehm bewusst war. »Meine Frau sagt, Ihr kennt meinen Schwiegervater noch aus Schottland?«
»Aus dem Gefängnis von Ardsmuir«, antwortete Christie und warf Roger einen scharfen Blick zu, der ihn mahnte, sich nur ja nichts Böses dabei zu denken.
Roger räusperte sich erneut; seine Kehle war zwar verheilt, doch nach dem Aufstehen war sie nach wie vor eine Weile verstopft und rau. Christie schien dies jedoch als abfälligen Kommentar zu deuten und plusterte sich leicht auf. Er hatte dichte Augenbrauen und vorquellende Augen von heller, gelblich brauner Farbe, und zusammen mit seinem fedrigen, kurz geschnittenen Haar und dem Fehlen eines sichtbaren Halses verlieh ihm dies das Aussehen einer großen, aufbrausenden Eule.
»Jamie Fraser hat dort ebenfalls im Gefängnis gesessen«, sagte er. »Das war Euch doch sicher bekannt?«
»Aber ja«, sagte Roger nachsichtig. »Meines Wissens kommen eine ganze Reihe der Männer, die sich in Fraser’s Ridge niedergelassen haben, aus Ardsmuir.«
»Wer denn?«, fragte Christie fordernd, und der eulenartige Eindruck verstärkte sich noch.
»Äh … die Lindsays – Kenny, Murdo und Evan«, sagte Roger und rieb sich als Konzentrationshilfe mit der Hand über die Stirn, »Geordie Chisholm und Robert MacLeod. Ich glaube – ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass Alex MacNeill auch in Ardsmuir war.«
Christie hatte diese Aufzählung mit der Aufmerksamkeit einer Eule verfolgt, die ein Rascheln im Heu nicht aus den Augen lässt. Jetzt entspannte er sich und ließ seine Federn wieder sinken – so schien es Roger.
»Ich kenne sie«, sagte er und strahlte Genugtuung aus. »MacNeill wird sich für mich verbürgen, falls das notwendig ist.« Sein Tonfall suggerierte unmissverständlich, dass es eigentlich nicht notwendig sein sollte.
Roger war noch nie dabei gewesen, wenn Jamie einen potentiellen Pächter befragte, doch er hatte schon öfter mit angehört, wie er sich mit Claire über die Bewerber unterhielt, die er wählte. Dementsprechend stellte er Christie einige Fragen über seine jüngere Vergangenheit und versuchte dabei, die richtige Balance zwischen Höflichkeit und Autorität zu finden – was ihm, wie er fand, gar nicht übel gelang.
Christie war gemeinsam mit den anderen Sträflingen deportiert worden, sagte er, hatte jedoch das Glück gehabt, dass sein Leibeigenschaftskontrakt von einem Plantagenbesitzer in South Carolina erworben wurde, der ihn zum Lehrer seiner sechs Kinder machte, als er feststellte, dass Christie ein gebildeter Mann war. Gegen eine Gebühr ließ er auch den Kindern der Nachbarsfamilien das Privileg einer Unterweisung durch Christie zuteil werden. Nach Ablauf seiner Leibeigenschaft hatte sich Christie einverstanden erklärt, zu bleiben und gegen Lohn zu arbeiten.