Es war ein hoffnungsvoller Gedanke, dem ich allerdings kein großes Vertrauen schenkte. Es war die Stimme der Erfahrung, die mich im Einklang mit der Stimme meines Gewissens den Kiel eintauchen und »Anaphylaxis« schreiben ließ, bevor ich es mir anders überlegen konnte.
War der Fachbegriff Anaphylaxis überhaupt schon bekannt? In Rawlings’ Notizen war er mir nicht untergekommen – doch ich hatte sie ja auch noch nicht ganz gelesen. Es kam zwar zu jeder Zeit vor, dass Menschen an allergischen Schockreaktionen starben, doch es geschah nicht oft, und vielleicht war es ein Phänomen, das keinen Namen hatte. Besser, es dem Leser detailliert zu beschreiben, wer er auch immer sein mochte.
Und das war natürlich der Punkt. Wer
Ich schluckte erneut, als ich daran dachte, wie Rosamunds Augen unter den Lidern hervorgequollen und in verständnislosem Schrecken umhergerollt waren. Wir hatten versucht, sie zu schließen, als wir die Leiche wuschen und sie zum Begräbnis aufbahrten. Es war üblich, das Gesicht eines Toten für die Totenwache zu entblößen; in diesem Fall hielt ich das aber für unklug.
Am liebsten hätte ich den Sarg gar nicht mehr angesehen, tat es aber dennoch, mit einem kleinen Nicken des Grußes und der Entschuldigung. Brianna drehte mir den Kopf zu, dann wandte sie sich abrupt ab. Der Duft des Essens, das für die Totenwache aufgetischt wurde, begann, das Zimmer zu füllen und vermischte sich mit dem Geruch des Eichenholzfeuers und der Tinte aus Eichengalle – und des frisch gehobelten Eichenholzes der Sargbretter. Ich trank hastig noch einen Schluck Tee, um zu verhindern, dass mir die Galle hochkam.
Ich wusste sehr gut, wieso der hippokratische Eid darauf bestand, »Schädigung und Unrecht aber auszuschließen«. Es war verdammt einfach, Unrecht anzurichten. Welche Hybris doch dazu gehörte, Hand an einen Menschen zu legen, sich einzumischen. Wie empfindlich und komplex war der menschliche Körper! Wie grob die Eingriffe des Arztes.
Ich hätte die Abgeschiedenheit meines Sprechzimmers oder des Schreibzimmers aufsuchen können, um diese Aufzeichnungen zu verfassen. Ich wusste, warum ich es nicht getan hatte. Das grobe Leichentuch aus Musselin leuchtete weiß im regnerischen Licht des Fensters. Ich klemmte mir den Federkiel fest zwischen Daumen und Zeigefinger und versuchte, nicht mehr daran zu denken, wie der Ringknorpel zur Seite gesprungen war, als ich Rosamund ein Taschenmesser in den Hals gerammt hatte, ein letzter, vergeblicher Versuch, Luft in ihre kämpfenden Lungen strömen zu lassen.
Und doch … es gab keinen einzigen praktizierenden Arzt, so dachte ich, der sich noch nie in einer solchen Situation befunden hatte. Es war mir schon ein paar Mal passiert, sogar in einem modernen Krankenhaus, das mit allen lebensrettenden Mitteln ausgestattet war, die der Menschheit zur Verfügung standen – damals.
Auch hier würde irgendwann ein unbekannter Arzt der Zukunft vor dem gleichen Dilemma stehen; eine möglicherweise gefährliche Behandlung durchzuführen oder einen Patienten sterben zu lassen, der
Wer das wohl sein würde? Ich wischte den Federkiel sauber und dachte nach. Es gab in dieser Zeit noch nicht viele medizinische Fakultäten, und die meisten davon befanden sich in Europa. Die meisten Ärzte erlangten ihr Wissen durch Erfahrung oder, indem sie eine Lehre machten. Ich fuhr mit einem Finger in das Notizbuch und tastete blind zwischen den ersten Seiten herum, die der ursprüngliche Besitzer des Buches ausgefüllt hatte.