»Wie meinst du das, du kannst es nicht?«
»Bäh.« Sie streckte ihre flache Zunge heraus und wackelte von rechts nach links. »Ich kann es nicht.«
»Natürlich kannst du es.« Jamie runzelte die Stirn. »Da, es ist ganz einfach, Kleine – das kann wirklich jeder!« Er streckte erneut die Zunge heraus und rollte sie ein und aus wie ein väterlicher Ameisenbär, der seinen Nachwuchs eifrig ermuntert, sich über eine appetitliche Insektenmasse herzumachen. Er zog die Augenbrauen hoch und sah Roger an.
»Das hast du dir so gedacht, wie?«, sagte Roger. Er streckte seinerseits die Zunge heraus – flach. »Bäh.«
»Seht ihr?«, sagte ich triumphierend. »Manche Menschen können ihre Zunge einrollen, und manche können es einfach nicht. Man kann es nicht lernen. Entweder ist es einem angeboren oder nicht.«
Jamie blickte stirnrunzelnd von Brianna zu Roger, dann wandte er sich mir zu.
»Nehmen wir einmal an, dass du Recht hast – warum kann Brianna es nicht, obwohl du und ich es können? Du hast mir doch versichert, dass sie meine Tochter ist, aye?«
»Sie ist mit absoluter Sicherheit deine Tochter«, sagte ich. »Wie dir jeder, der Augen im Kopf hat, bestätigen könnte.« Er musterte Brianna und ließ den Blick über ihren schlanken, hochgewachsenen Körper und ihre roten Haarmassen schweifen. Sie lächelte ihn an und kniff die blauen Augen zu Dreiecken zusammen. Er erwiderte ihr Lächeln und kapitulierte mit einem gutmütigen Achselzucken.
»Nun, ich nehme dich bei deinem Wort als Ehrenfrau, Sassenach. Aber was ist dann mit der Zunge?« Er rollte die seine erneut skeptisch zusammen, denn er konnte immer noch nicht ganz glauben, dass es nicht jeder konnte, wenn er nur wollte.
»Nun, du weißt ja, wo die Babys herkommen«, begann ich. »Das Ei und die …«
»Das weiß ich«, sagte er mit hörbar gereiztem Unterton. Seine Ohrenspitzen liefen schwach rot an.
»Ich meine, jedes Baby hat etwas von seinem Vater und etwas von seiner Mutter.« Ich konnte spüren, wie auch meine Ohren rot wurden, fuhr jedoch tapfer fort. »Manchmal ist der Einfluss des Vaters deutlicher zu sehen als der der Mutter; manchmal ist es umgekehrt – aber beider … äh … Einflüsse sind dennoch da. Wir nennen sie Gene – die Dinge, die ein Baby von seinen beiden Eltern mitbekommt und die sein Aussehen und seine Fähigkeiten beeinflussen.«
Jamie beobachtete Jemmy, der jetzt wieder vor sich hin summte und versuchte, die Edelsteine aufeinander zu stapeln. Das Sonnenlicht glänzte auf seinem Kupferhaar. Als er sich wieder umwandte, fing er Rogers Blick auf und richtete seine Aufmerksamkeit rasch auf mich.
»Aye, und?«
»Nun, Gene beeinflussen nicht nur die Haar- oder Augenfarbe. Also«, erwärmte ich mich allmählich für meinen Vortrag, »jeder Mensch hat zwei Gene für jede Eigenschaft – eins vom Vater, eins von der Mutter. Und wenn sich die … äh … Gameten in den Ovarien und den Testes bilden –«
»Vielleicht solltest du mir das später erzählen, Sassenach«, unterbrach mich Jamie mit einem Seitenblick in Briannas Richtung. Offenbar war er der Meinung, das Wort »Testes« sei für die Ohren seiner Tochter nicht geeignet, denn
»Schon gut, Pa. Ich weiß, wo die kleinen Kinder herkommen«, versicherte ihm Brianna grinsend.
»Nun denn«, sagte ich und übernahm erneut das Kommando über das Gespräch. »Du hast ein Genpaar für jede Eigenschaft, ein Gen von deiner Mutter und ein Gen von deinem Vater – aber wenn es an der Zeit ist, sie an deine Nachkommen weiterzugeben, kannst du nur
»Nun gut. Manche Gene bezeichnet man als dominant, andere als rezessiv. Wenn ein Mensch ein dominantes Gen hat, ist dies dasjenige, das sich durchsetzt – das sichtbar wird. Er kann noch ein anderes Gen haben, das rezessiv ist, so dass man es nicht sieht – aber es kann immer noch an die Nachkommen weitergegeben werden.«
Mein versammeltes Publikum trug Mienen puren Argwohns.
»Das musst du doch in der Schule gelernt haben, Roger«, sagte dann Brianna belustigt.
»Nun, das habe ich auch«, murmelte er, »aber vielleicht habe ich da nicht richtig aufgepasst. Ich bin schließlich nicht davon ausgegangen, dass es tatsächlich
»Schön«, sagte ich trocken. »Also. Jamie, du und ich, wir haben offensichtlich eines der dominanten Gene, die es uns ermöglichen, unsere Zungen einzurollen.