Nein, offensichtlich nicht, folgerte er nach weiterem Herumblättern in diesem Kapitel – oder wenn, dann hatte sie es hier nicht festgehalten.
Fiona hatte ihm frischen Tee und einen Teller mit Ingwer-Nuss-Plätzchen gebracht, der unberührt dagestanden hatte, seit er angefangen hatte zu lesen. Mehr aus Pflichtgefühl denn Hunger nahm er sich ein Plätzchen und biss hinein, doch die scharf gewürzten Krümel blieben ihm im Hals stecken und brachten ihn zum Husten.
Das letzte Kapitel des Buches trug die Überschrift »Techniken und Vorbereitungen«. Es begann:
Der Keksbissen schien sich dauerhaft in seinem Hals festgeklemmt zu haben, ganz gleich, wie viel Tee er trank. Er las immer schneller, überflog den Text, ließ ganze Seiten aus und lehnte sich schließlich zurück und schlug das Buch zu. Er würde den Rest später lesen – und das nicht nur einmal. Doch jetzt musste er hinaus an die frische Luft. Kein Wunder, dass das Buch Fiona verwirrt hatte.
Er ging schnell die Straße entlang zum Fluss und ignorierte den leichten Regen. Es war spät; eine Kirchenglocke schlug zum Abendgebet, und auf den Brücken setzte der allabendliche Fußgängerverkehr zu den Kneipen ein. Doch durch Glockenschlag, Stimmen und Schritte hörte er die letzten Worte, die er gelesen hatte. Sie klangen in seinem Ohr nach, als hätte sie direkt zu ihm gesprochen.
Kapitel 33
Mittsommernacht
In der Mittsommernacht steht in Schottland die Sonne zusammen mit dem Mond am Himmel. Sommersonnenwende, das Fest der Litha, Alban Eilir. Fast Mitternacht, und das Licht war gedämpft und milchig weiß, doch trotzdem war es Licht.
Er spürte die Steine schon lange, bevor er sie sah. Claire und Geillis hatten recht gehabt, dachte er; das Datum spielte eine Rolle. Bei seinen früheren Besuchen waren sie unheimlich gewesen, aber stumm. Jetzt konnte er sie hören; nicht mit den Ohren, sondern mit der Haut – ein tiefes, dröhnendes Brummen wie die Basspfeife eines Dudelsacks.
Sie überquerten den Hügelkamm und blieben zehn Meter vor dem Kreis stehen. Unten lag das dunkle Tal, rätselhaft unter dem aufgehenden Mond.
Er hörte neben sich ein leises Einatmen, und ihm wurde klar, dass Fiona ernsthaft Angst hatte.
»Hör mal, du brauchst nicht hierzubleiben«, sagte er zu ihr. »Wenn du Angst hast, dann solltest du nach unten gehen; ich komme schon klar.«
»Ich habe doch keine Angst um
Über ihm raschelte es im Erlendickicht, und er erschauerte mit einem Mal. Kalte Übelkeit durchlief ihn, obwohl er so warm angezogen war. Seine Kleidung kam ihm plötzlich lächerlich vor; der langschößige Rock und das Wams aus dicker Wolle, die passende Kniehose und die gestrickten Strümpfe. Ein Theaterstück im College, hatte er dem Schneider gesagt, der ihm das Kostüm gefertigt hatte.
»Dummkopf stimmt«, brummte er vor sich hin.
Fiona trat als Erste in den Kreis; sie wollte ihn nicht mitkommen oder zusehen lassen. Gehorsam drehte er ihr den Rücken zu und ließ sie tun, was auch immer sie vorhatte.
Sie hatte eine Plastiktüte mitgebracht, die wohl die Zutaten für ihr Zeremoniell enthielt. Er hatte sie gefragt, was sie darin hatte, und sie hatte ihn kurz und knapp angewiesen, sich um seinen eigenen Kram zu kümmern. Sie war fast genauso nervös wie er, dachte er.