Читаем Outlander - Der Ruf der Trommel: Roman (Die Outlander-Saga 4) (German Edition) полностью

Morag gurrte dem Jungen etwas zu und kuschelte ihn an ihre Brust, während sie ihn hastig wieder einwickelte.

»Süßer Jemmy, aye, bist ein lieber Junge. Psst, Schätzchen, psst, ist ja schon gut, Mami ist ja hier.«

»Wie lange?«, flüsterte Roger und legte ihr die Hand auf den Arm. »Wie lange hält sich der Ausschlag, wenn er von der Milch kommt?«

»Vielleicht vier Tage, vielleicht fünf«, flüsterte sie zurück. »Aber es dürfte nur noch zwei dauern, bis sich der Ausschlag verändert – bis er nachlässt. Dann kann jeder sehen, dass es nicht die Pocken sind. Dann kann ich herauskommen.«

Zwei Tage. Wenn es die Pocken waren, würde das Kind bis dahin tot sein. Aber wenn nicht – dann könnte er es vielleicht ganz knapp schaffen. Und sie ebenfalls.

»Könnt Ihr so lange wach bleiben? Die Ratten …«

»Aye, das kann ich«, sagte sie heftig. »Ich kann tun, was ich muss. Dann helft Ihr mir also?«

Er holte tief Luft, ohne den Gestank zu beachten.

»Aye, das tue ich.« Er stand auf und gab ihr die Hand. Sie zögerte einen Augenblick, dann ergriff sie sie und stellte sich ebenfalls hin. Sie war klein; sie reichte ihm kaum bis zur Schulter, und die Hand, die er in der seinen hielt, war so groß wie eine Kinderhand – im Schatten sah sie aus wie ein kleines Mädchen, das seine Puppe wiegt.

»Wie alt seid Ihr?«, fragte er plötzlich.

Er sah ihre Augen vor Überraschung aufleuchten, dann blitzten ihre Zähne auf.

»Gestern war ich noch zweiundzwanzig«, sagte sie trocken. »Heute bin ich wohl eher hundert.«

Ihre kleine, feuchte Hand befreite sich aus der seinen, und sie verschmolz wieder mit der Dunkelheit.




Kapitel 39

Der Spieler

In der Nacht verstärkte sich der Nebel. In der Morgendämmerung glitt das Schiff in einer Wolke dahin, die so dicht war, dass man von der Reling aus die See nicht sehen konnte, und nur das Rauschen an der Bordwand zeugte davon, dass die Gloriana immer noch im Wasser trieb und nicht in der Luft.

Die Sonne war nicht zu sehen, und es wehte kaum Wind; die Segel hingen schlaff herunter und erzitterten dann und wann in einem vorübergehenden Luftzug. Niedergeschlagen gingen die Männer im Dämmerlicht wie Geister über das Deck und tauchten mit einer Plötzlichkeit aus dem Dunst auf, dass sie sich gegenseitig einen Schrecken einjagten.

Diese Sichtbehinderung kam Roger sehr gelegen; er konnte sich fast ungesehen auf dem Schiff bewegen und unbeobachtet in den Lagerraum schlüpfen, wobei er den kleinen Lebensmittelvorrat, den er von seinen eigenen Mahlzeiten zurückbehalten hatte, in seinem Hemd verbarg.

Der Nebel war auch in den Frachtraum gedrungen; feuchtkalte, weiße Schlieren, die zwischen den Bergen von Wasserfässern hervordrifteten, benetzten sein Gesicht und umschwebten seine Füße. Hier unten war es dunkler als je zuvor, das staubig goldene Zwielicht hatte das Schwarzbraun kalten, feuchten Holzes angenommen.

Das Kind schlief; Roger sah nur die Rundung seiner Wangen, die immer noch mit roten Pusteln übersät war. Sie sahen aggressiv und entzündet aus. Morag sah seinen zweifelnden Blick, sagte aber nichts, sondern ergriff seine Hand und presste sie gegen den Hals des Säuglings.

Der winzige Pulsschlag machte klopf-klopf-klopf unter seinem Finger, und die weiche, faltige Haut war warm, aber feucht. Beruhigt lächelte er Morag an, und sie antwortete mit einem kurzen Aufleuchten.

Ein Monat im Zwischendeck hatte sie abmagern lassen und sie mit Schmutz überzogen; die letzten beiden Tage hatten ihr bleibende Falten der Furcht ins Gesicht geprägt. Das Haar hing ihr in langen Zotteln um das Gesicht; es stand vor Fett und wimmelte vor Läusen. Ihre Augen waren wund vor Müdigkeit, und sie roch nach Fäkalien und Urin, saurer Milch und abgestandenem Schweiß. Ihre Lippen waren verkrampft und bleich wie der Rest ihres Gesichtes. Roger ergriff ganz sanft ihre Schultern, bückte sich und küsste sie auf den Mund.

Oben auf der Leiter sah er sich um. Sie stand immer noch da, das Kind in den Armen, und sah zu ihm hoch.

Das Deck war völlig still bis auf das Gemurmel von Steuermann und Bootsmann, unsichtbar am Steuerrad. Roger ließ den Lukendeckel wieder an seinen Platz gleiten. Sein Herzschlag begann, sich zu verlangsamen, ihre Berührung wärmte ihm immer noch die Hände. Zwei Tage. Möglicherweise drei. Vielleicht würden sie es schaffen; zumindest war Roger überzeugt, dass sie recht hatte; das Kind hatte keine Pocken.

In der nächsten Zeit würde wohl niemand einen Grund haben, in den Frachtraum zu gehen – erst gestern war ein frisches Wasserfass hochgebracht worden. Er konnte Wege finden, ihr Essen zu bringen – wenn sie nur lange genug wach bleiben konnte. Das scharfe Ting der Schiffsglocke durchbohrte den Nebel, eine Erinnerung an die Zeit, die nicht länger zu existieren schien, da kein Wechsel zwischen Licht und Dunkelheit ihr Verstreichen anzeigte.

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