Von diesen unglücklichen Erinnerungen wurde ich abgelenkt, weil sich auf dem Nachbardock Unruhe regte. Eine große Gruppe Männer hatte sich am Landesteg eines Schiffs gesammelt, und es herrschte beträchtliches Geschrei und Geschiebe. Kein Kampf; ich hielt mir die Hand über die Augen, um einen Blick auf den Streit zu werfen, doch ich sah keine Fäuste fliegen. Stattdessen schien man bemüht zu sein, einen Weg durch das Gemenge zu den Toren eines großen Lagerhauses am Ende des Docks freizuräumen. Die Menge widersetzte sich diesen Bemühungen hartnäckig und strömte nach jedem Vorstoß wieder zurück wie die Flut.
Jamie tauchte plötzlich hinter mir auf, dicht gefolgt von Jared, der in Richtung der Menschenmenge unter uns blinzelte. Ich war so gebannt von dem Geschrei gewesen, dass ich sie gar nicht hatte kommen hören.
»Was ist da los?« Ich erhob mich und lehnte mich mit dem Rücken an Jamie, um mich gegen das zunehmende Schwanken des Schiffsdecks abzustützen. So dicht bei ihm war ich mir seines Geruchs bewusst; er hatte im Wirtshaus ein Bad genommen und roch sauber und warm mit einem schwachen Hauch von Sonne und Staub. Anscheinend zählte auch ein geschärfter Geruchssinn zu den Nebenwirkungen der Schwangerschaft; ich konnte ihn selbst inmitten der Masse von Gestänken und Gerüchen des Seehafens riechen, so wie man manchmal eine nahe, leise Stimme aus einer lauten Menge heraushört.
»Ich weiß es nicht. Anscheinend ein Problem auf dem anderen Schiff.« Er legte mir eine Hand auf den Ellbogen, um mich festzuhalten. Jared wandte sich um und bellte einem der umstehenden Matrosen auf Französisch einen Befehl zu. Der Mann war mit einem Hüpfer über die Reling, und sein geteerter Pferdeschwanz baumelte auf das Wasser zu, als er dann an einem der Seile zum Dock hinunterglitt. Wir sahen vom Deck aus zu, wie er sich der Menge anschloss, einen anderen Seemann in die Rippen stieß und unter ausdrucksvollen Gesten eine Antwort bekam.
Jareds Stirn war gerunzelt, als der Mann mit dem Pferdeschwanz durch das Gewimmel auf der Landebrücke zurückkehrte. Der Seemann sagte etwas in demselben rollenden Französisch zu ihm, zu schnell, als dass ich ihm hätte folgen können. Nach einigen weiteren Worten fuhr Jared abrupt herum und stellte sich neben mich. Seine schlanken Hände packten die Reling.
»Er sagt, an Bord der
»Was denn für eine Krankheit?« Ich hatte natürlich nicht daran gedacht, meine Arzneitruhe mitzubringen, deshalb gab es ohnehin nur wenig, was ich tun konnte, aber ich war neugierig. Jareds Miene war sorgenvoll und unglücklich.
»Sie fürchten, dass es die Pocken sein könnten, aber sie wissen es nicht. Man hat den Hafeninspektor und den Hafenmeister rufen lassen.«
»Soll ich vielleicht einen Blick darauf werfen?«, bot ich an. »Zumindest könnte ich vielleicht sagen, ob es eine ansteckende Krankheit ist oder nicht.«
Jareds schüttere Augenbrauen verschwanden unter seinem strähnigen Pony. Jamies Blick war etwas verlegen.
»Meine Frau ist als Heilerin bekannt, Vetter«, erklärte er, wandte sich dann aber kopfschüttelnd an mich.
»Nein, Sassenach. Es wäre zu gefährlich.«
Ich hatte einen guten Blick auf den Landesteg der
Die Seeleute hatten sich Stoffstreifen um Nasen und Münder gebunden und hielten die Gesichter von der Bahre abgewandt. Sie bewegten die Köpfe ruckartig, wenn sie sich auf ihrem schwerfälligen Weg über die splittrigen Planken etwas zuknurrten. Die beiden passierten die faszinierten Nasen der Menge und verschwanden im nächsten Lagerhaus.
Kurz entschlossen drehte ich mich um und hielt auf den rückwärtigen Ladesteg der
»Keine Sorge«, rief ich zu Jamie zurück, »wenn es die Pocken sind, kann ich es nicht bekommen.« Einer der Seeleute, der mich hörte, hielt inne und gaffte mich an, doch ich lächelte ihm einfach nur zu und hastete vorüber.
Die Menge war zum Stillstand gekommen und drängte sich nicht länger umher, so dass es nicht so schwierig war, mir meinen Weg durch die murmelnden Seeleute zu bahnen, von denen viele stirnrunzelnde oder verblüffte Mienen zogen, als ich mich an ihnen vorüberduckte. Das Lagerhaus stand leer; in den hallenden Schatten des großen Raumes fanden sich keine Fässer oder Ballen, doch die Düfte von frisch gesägtem Holz, geräuchertem Fleisch und Fisch hingen immer noch deutlich inmitten der Masse der anderen Gerüche.
Sie hatten den Kranken hastig neben der Tür auf einem Haufen Verpackungsstroh abgelegt. Seine Träger drängten sich an mir vorüber, als ich eintrat, denn sie hatten es eilig, von ihm fortzukommen.