Ich näherte mich vorsichtig und blieb in einigem Abstand stehen. Er hatte hohes Fieber, und seine Haut hatte einen seltsamen, dunklen Rotton angenommen und war mit weißen Pusteln übersät. Er stöhnte und warf den Kopf unruhig hin und her, während sich seine aufgeplatzten Lippen bewegten, als suchten sie nach Wasser.
»Holt mir etwas Wasser«, sagte ich zu einem der Seeleute, die vor der Halle standen. Der Mann, ein kleiner, muskulöser Kerl, der seinen Bart mit Teer zu schmückenden Stacheln geformt hatte, starrte mich einfach nur an, als hätte ihn ein Fisch angesprochen.
Ich wandte mich ungeduldig von ihm ab, sank neben dem Kranken auf die Knie und öffnete sein verdrecktes Hemd. Er stank fürchterlich; er war vermutlich ohnehin nicht besonders reinlich gewesen, und seine Kameraden hatten ihn in seinem eigenen Dreck liegen gelassen, weil sie Angst hatten, ihn anzufassen. Seine Arme waren relativ frei von dem Ausschlag, der sich jedoch dicht über seine Brust und seinen Bauch zog, und seine Haut brannte.
Jamie war hereingekommen, während ich den Mann untersuchte, begleitet von Jared. Bei ihnen befanden sich ein kleiner, birnenförmiger Mann im goldbesetzten Rock eines Offiziellen und zwei weitere Männer, einer seiner Kleidung nach ein Adeliger oder ein reicher Bürger, der andere ein hochgewachsenes, hageres Individuum, seiner braungebrannten Haut nach ein Seefahrer. Wahrscheinlich der Kapitän des Pockenschiffs, wenn es das denn war.
Und es sah ganz danach aus. Ich hatte schon öfter Pockenkranke gesehen, in den unzivilisierten Teilen der Welt, in die mich mein Onkel Lamb, ein bedeutender Archäologe, in meiner Jugend mitgenommen hatte. Dieser Mann pinkelte zwar kein Blut, wie es manchmal vorkam, wenn die Krankheit auf die Nieren übergriff, doch ansonsten hatte er alle klassischen Symptome.
»Ich fürchte, es sind die Pocken«, sagte ich.
Der Kapitän der
»Nein!«, rief er. »Törichtes Weibsbild!
Das letzte Wort endete in einem Gurgeln, als sich Jamies Hand um seine Kehle schloss. Er krallte die andere Hand in das Hemd des Mannes und zog ihn auf die Zehen hoch.
»Ich würde es vorziehen, wenn Ihr meine Frau mit Respekt ansprecht, Monsieur«, sagte Jamie in aller Ruhe. Der Mann, dessen Gesicht jetzt dunkelrot anlief, brachte ein knappes, ruckartiges Kopfnicken zuwege, und Jamie ließ ihn los. Keuchend trat er einen Schritt zurück und rieb sich den Hals, während er sich wie schutzsuchend hinter seinen Begleiter zurückzog.
Der rundliche kleine Beamte beugte sich vorsichtig über den Kranken und hielt sich dabei ein silbernes Duftgefäß an einer Kette vor die Nase. Draußen sank plötzlich der Lärmpegel, und die Menge wich vom Tor des Lagerhauses zurück, um eine weitere Leinentrage einzulassen.
Der Mann vor uns fuhr plötzlich zum Sitzen hoch, und der kleine Beamte erschrak so sehr, dass er fast umgefallen wäre. Der Kranke starrte wild in der Halle umher, dann verdrehte er die Augen und fiel auf das Stroh zurück wie mit der Axt getroffen. Dem war zwar nicht so, doch das Ergebnis war ähnlich.
»Er ist tot«, sagte ich überflüssigerweise.
Der Beamte, der jetzt mit dem Duftgefäß auch seine Würde wieder an sich brachte, trat erneut näher, warf einen genauen Blick auf den Toten, richtete sich auf und verkündete: »Pocken. Die Dame hat recht. Bedaure, Monsieur le Comte, aber Ihr kennt das Gesetz so gut wie jeder andere.«
Der Angesprochene seufzte ungeduldig. Er sah mich stirnrunzelnd an, dann wandte er sich ruckartig an den Beamten.
»Das lässt sich doch gewiss arrangieren, Monsieur Pamplemousse. Bitte, wenn wir uns kurz unter vier Augen unterhalten könnten …« Er wies auf den verlassenen Verschlag des Verwalters, der etwas von uns entfernt stand, eine kleine baufällige Hütte inmitten des größeren Gebäudes. Monsieur le Comte war ein schlanker, eleganter Mann mit dichten Augenbrauen und schmalen Lippen. Seine ganze Haltung zeugte davon, dass er es gewohnt war, seinen Willen zu bekommen.
Doch der kleine Beamte wich zurück und hielt die Hände abwehrend vor sich hin.
»
»Nein«, sagte er erneut, und sein Wabbelgesicht verhärtete sich entschlossen. »Entschuldigt mich, Monsieur – und Madame«, fügte er hinzu, als bemerkte er mich erst jetzt. »Ich muss die nötigen Vorkehrungen für die Vernichtung des Schiffs in die Wege leiten.«