»Nun, eine große Leuchte ist er nicht, das kann ich dir sagen«, sagte sie schließlich keuchend. »Aber er ist auch nicht tot!« Und sie brach erneut in Gelächter aus.
Jamie starrte mich verwundert an.
»Zombie?«
»Ach, nichts«, sagte ich und wurde fast genauso rot wie Geilie. »Wie viele Sklaven hast du hier?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln.
»Hihi«, sagte sie, und ihr Gelächter flaute jetzt zu Gekicher ab. »Oh, etwa hundert oder so. Die Plantage ist ja nicht groß. Nur hundertzwanzig Hektar Zuckerrohr und in den höheren Lagen ein bisschen Kaffee.«
Sie zog ein spitzenbesetztes Taschentuch hervor und betupfte sich schniefend das feuchte Gesicht, während sie allmählich die Fassung zurückgewann. Ich spürte Jamies Anspannung neben mir. Ich war mir sicher, dass er derselben Überzeugung war wie ich, dass nämlich Geilie etwas über Ian Murray wusste – allein schon deshalb, weil sie keinerlei Überraschung über unser Erscheinen an den Tag gelegt hatte. Irgendjemand hatte ihr von uns erzählt, und dieser Jemand konnte nur Ian sein.
Der Gedanke, eine Frau zu bedrohen, um ihr eine Antwort zu entlocken, wäre Jamie nur im Notfall gekommen, mir dagegen schon eher. Doch unglücklicherweise hatte die Anwesenheit der Zwillingssäulen des Herkules derartigen Gedankengängen ein Ende gesetzt. Die nächstbeste Idee schien es zu sein, das Haus und das Grundstück nach irgendeiner Spur des Jungen abzusuchen. Hundertzwanzig Hektar waren zwar kein kleines Grundstück, aber wenn er sich auf der Plantage befand, war es wahrscheinlich in der Nähe der Gebäude – im Haus, in der Raffinerie oder im Quartier der Sklaven.
Ich tauchte aus meinen Gedanken auf, weil ich begriff, dass mir Geilie eine Frage gestellt hatte.
»Was hast du gesagt?«
»Ich sagte«, wiederholte sie geduldig, »dass du damals in Schottland eine begnadete Heilerin warst; vielleicht weißt du inzwischen noch mehr?«
»So ist es wohl.« Ich betrachtete sie vorsichtig. Bedurfte sie meines Könnens selbst? Gesund war sie nicht; ein Blick auf ihre fleckige Haut und die dunklen Ringe unter ihren Augen reichte aus, um mir das zu zeigen. Aber war sie akut krank?
»Nicht für mich«, sagte sie, als sie meinen Blick sah. »Zumindest nicht im Moment. Ich habe zwei kranke Sklaven. Vielleicht wärst du so freundlich, sie dir anzusehen?«
Ich richtete den Blick auf Jamie, der mir kaum merklich zunickte. Es war eine Chance, mir Zugang zu den Sklavenquartieren zu verschaffen und mich nach Ian umzusehen.
»Ich habe bei unserer Ankunft gesehen, dass Ihr Schwierigkeiten mit Eurer Zuckerpresse habt«, sagte er und erhob sich abrupt. Er nickte Geilie kühl zu. »Vielleicht werfe ich einen Blick darauf, während Ihr mit meiner Frau nach den Kranken seht.« Ohne eine Antwort abzuwarten, zog er seinen Rock aus und hing ihn an den Haken neben der Tür. Er verließ das Haus über die Veranda und krempelte sich die Hemdsärmel auf. Das Sonnenlicht glitzerte in seinem Haar.
»Ein geschickter Kerl, was?« Geilie blickte ihm belustigt nach. »Mein Mann Barnabas war auch so – konnte die Finger nicht von Maschinen lassen. Von den Sklavenmädchen auch nicht«, fügte sie hinzu. »Komm mit, die Kranken sind hinter der Küche.«
Die Küche befand sich in einem separaten kleinen Gebäude, das durch einen überdachten, mit Jasmin bewachsenen Durchgang mit dem Haus verbunden war. Ihn zu durchschreiten war, als schwebte man durch eine parfümierte Wolke, so laut von Bienen umsummt, dass man es auf der Haut spüren konnte wie die Basspfeife eines Dudelsacks.
»Bist du schon einmal gestochen worden?« Geillis holte beiläufig mit der Hand nach einem tief fliegenden Pelztierchen aus und schlug es zu Boden.
»Hin und wieder.«
»Ich auch«, sagte sie. »Oft sogar, und ich habe noch nie mehr als einen roten Quaddel auf der Haut davongetragen. Aber letztes Frühjahr hat eins der kleinen Biester eine der Küchensklavinnen gestochen, und das Weibsbild ist vor meinen Augen angeschwollen wie eine Kröte und gestorben!« Sie sah mich mit großen, spöttischen Augen an. »Das hat Wunder für meinen Ruf gewirkt, das kann ich dir sagen. Die restlichen Sklaven haben herumerzählt, ich hätte das Mädchen verhext; sie durch einen Fluch umgebracht, weil ihr der Kuchen angebrannt ist. Seitdem hatten wir nicht einmal mehr einen angekokelten Topf.« Kopfschüttelnd hieb sie nach einer anderen Biene.
Ich war zwar entsetzt über ihre Hartherzigkeit, aber auch erleichtert über die Geschichte. Vielleicht basierten die anderen Gerüchte, die ich auf dem Ball des Gouverneurs gehört hatte, ja genauso wenig auf Tatsachen.
Алекс Каменев , Владимир Юрьевич Василенко , Глуховский Дмитрий Алексеевич , Дмитрий Алексеевич Глуховский , Лиза Заикина
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