Entmutigt schüttelte er den Kopf. Gefasel. Das Fiebertoben des Mannes war genau das gewesen – Fiebertoben. Falls der Mann jemals Gold gesehen hatte – und es klang durchaus so, als sei das irgendwann der Fall gewesen –, ließ sich diesem Gewirr aus Delirium und Fieberwahn nicht entnehmen, wo oder wann.
»Ihr seid Euch ganz sicher, dass das alles ist, was er gesagt hat?« Grey klammerte sich an die kleine Hoffnung, dass Fraser womöglich den Bruchteil eines Satzes ausgelassen hatte, irgendeine Formulierung, die einen Hinweis auf das verschwundene Gold preisgeben würde.
Frasers Ärmel fiel zurück, als er seinen Becher hob; Grey konnte das breite Band aus rohem Fleisch sehen, das sich um sein Handgelenk zog, dunkel im grauen Morgenlicht des Schankraums. Fraser sah, wie sein Blick darauf fiel, und stellte den Becher hin, so dass die schwache Illusion der Kameradschaft zersprang.
»Ich halte meine Abmachungen, Major«, sagte Fraser mit kalter Förmlichkeit. Er erhob sich. »Sollen wir jetzt zurückkehren?«
Eine Weile ritten sie schweigend dahin. Fraser war in seinen eigenen Gedanken verloren, Grey in Erschöpfung und Enttäuschung versunken. An einer kleinen Quelle hielten sie an, um sich zu erfrischen, just als die Sonne über die kleinen Hügel im Norden kam.
Grey trank kaltes Wasser, dann bespritzte er sich das Gesicht und spürte sich durch den Schock zumindest vorerst belebt. Er war jetzt mehr als vierundzwanzig Stunden wach und fühlte sich müde und betäubt.
Fraser war dieselben vierundzwanzig Stunden wach, schien dadurch jedoch nicht im mindesten beeinträchtigt zu sein. Geschäftig kroch er auf allen vieren um die Quelle herum und schien eine Pflanze aus dem Wasser zu pflücken.
»Was macht Ihr da, Mr. Fraser?«, fragte Grey verwundert.
Fraser hob den Kopf, etwas überrascht, aber nicht verlegen.
»Ich pflücke Brunnenkresse, Major.«
»Das sehe ich«, sagte Grey gereizt. »Wozu?«
»Zum Essen, Major«, erwiderte Fraser gleichmütig. Er nahm den fleckigen Stoffbeutel von seinem Gürtel und ließ die triefende grüne Masse hineinfallen.
»Ach ja? Bekommt Ihr nicht genug zu essen?«, fragte Grey verständnislos. »Ich habe noch nie gehört, dass die Leute Brunnenkresse essen.«
»Sie ist grün, Major.«
In seinem erschöpften Zustand bekam der Major den Verdacht, dass man sich einen Scherz mit ihm erlaubte.
»Welche Farbe sollte so ein gottverdammtes Kraut denn sonst haben?«, wollte er wissen.
Frasers Mund zuckte sacht, und er schien etwas mit sich selbst zu erörtern. Schließlich zuckte er mit den Schultern und wischte sich die nassen Hände an den Hosenbeinen ab.
»Ich wollte damit nur sagen, Major, dass man keine Zähne durch Skorbut verliert, wenn man grüne Pflanzen isst. Meine Männer essen das Grün, das ich ihnen mitbringe, und Kresse schmeckt besser als die meisten Pflanzen, die ich im Moor pflücken kann.«
Grey spürte, wie seine Augenbrauen in die Höhe fuhren.
»Grüne Pflanzen beugen Skorbut vor?«, entfuhr es ihm. »Woher in aller Welt habt Ihr das?«
»Von meiner Frau!«, herrschte ihn Fraser an. Abrupt wandte er sich ab und blieb stehen, während er mit festen, raschen Bewegungen seinen Beutel zuband.
Grey konnte sich die Frage nicht verkneifen.
»Eure Frau, Sir – wo ist sie?«
Die Antwort war ein plötzliches Aufblitzen von dunklem Blau, das ihn bis ins Mark erschreckte, so schockierend war seine Intensität.
Jedoch nur einen Moment; dann war sein üblicher Schleier aus kühler Höflichkeit wieder an seinem Platz.
»Meine Frau ist fort«, sagte Fraser und wandte sich wieder ab, so abrupt, dass es beinahe unverschämt war.
Grey spürte, wie ihn ein unerwartetes Gefühl erschütterte. Zum Teil war es Erleichterung. Die Frau, die sowohl Grund als auch Komplizin seiner Erniedrigung gewesen war, war tot. Zum Teil war es Bedauern.
Keiner von ihnen sagte auf dem Rückweg nach Ardsmuir ein weiteres Wort.
Drei Tage später entkam Jamie Fraser. Es war nicht schwer für die Gefangenen, aus dem Gefängnis von Ardsmuir zu entkommen; es kam einfach nicht vor, weil es kein Ziel für den Flüchtenden gab. Einige Meilen jenseits des Gefängnisses stürzte Schottlands Küste an einer bröckeligen Granitklippe in den Ozean. Auf den anderen drei Seiten erstreckte sich meilenweit nichts als ödes Moorland.
Einst konnte ein Mann in der Heide leben und sich auf die Unterstützung und den Schutz von Clan und Familie verlassen. Doch die Clans waren vernichtet, die Familien tot, die schottischen Gefangenen weit von ihrem angestammten Land entfernt. Im kahlen Moor zu hungern war kaum besser als eine Gefängniszelle. Es lohnte sich nicht zu fliehen – außer für Jamie Fraser, der offenbar einen Grund hatte.
Алекс Каменев , Владимир Юрьевич Василенко , Глуховский Дмитрий Алексеевич , Дмитрий Алексеевич Глуховский , Лиза Заикина
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