»Es ist die gängige Vorgehensweise bei der Wasserprobe. Die der Hexerei verdächtige Person bekommt den rechten Daumen mit einem Hanfstrick an den großen Zeh des linken Fußes gebunden. Ebenso wird der linke Daumen an den rechten großen Zeh gebunden Und dann …« Er warf einen vielsagenden Blick auf das Wasser des Sees. Zwei Fischer standen barfuß im Uferschlamm, die Hosen bis über die Knie aufgerollt und mit einem Faden festgebunden. Einer von ihnen sah mich mit einem anzüglichen Grinsen an, griff nach einem kleinen Stein und warf ihn auf die stahlgraue Oberfläche hinaus. Er hüpfte einmal auf und versank.
»Wenn sie in das Wasser eintaucht«, meldete sich der kurze Richter zu Wort, »wird eine schuldige Hexe an der Oberfläche treiben, da die Reinheit des Wassers ihre verderbte Person abweist. Eine unschuldige Frau wird untergehen.«
»Ich kann mir also aussuchen, ob ich als Hexe verurteilt werde oder für unschuldig befunden werde, aber ertrinke, ist es das?«, fuhr ich ihn an. »Nein danke!« Ich klammerte mich noch fester an meine Ellbogen und versuchte, das Zittern zu unterdrücken, das jetzt mein permanenter Begleiter zu sein schien.
Der Richter blies sich auf wie eine Kröte, die sich bedroht fühlt.
»Es steht Euch nicht zu, vor diesem Gericht Eure Stimme zu erheben, Weib! Wagt Ihr es etwa, Euch der rechtmäßigen Untersuchung zu widersetzen?«
»Ob ich es wage, mich zu weigern, ertränkt zu werden? Das tue ich, absolut!« Zu spät fiel mein Blick auf Geilie, die heftig den Kopf schüttelte, so dass ihr das blonde Haar rings um das Gesicht wehte.
Der Richter wandte sich an MacRae.
»Entkleidet sie und gebt ihr die Peitsche«, sagte er ausdruckslos.
Durch den Nebel meines Unglaubens hörte ich ein kollektives Einatmen, das eigentlich schockiert hätte sein müssen – in Wirklichkeit aber Vorfreude war. Und ich begriff, was Hass tatsächlich bedeutete. Nicht der ihre. Der meine.
Sie machten sich nicht die Mühe, mich zum Dorfplatz zurückzubringen. Ich hatte kaum noch etwas zu verlieren, und ich hatte nicht vor, es ihnen leichtzumachen.
Grobe Hände rissen mich vor und zerrten mir an Hemd und Mieder.
»Loslassen, du verdammter Rüpel!«, brüllte ich und trat einen meiner Peiniger dorthin, wo es am wirkungsvollsten war. Er sackte stöhnend zusammen, doch seine vornübergekrümmte Gestalt verlor sich schnell in einer Eruption schreiender, spuckender, wütend funkelnder Gesichter. Andere Hände packten meine Arme und schoben mich stolpernd weiter, hoben mich halb über diejenigen hinweg, die im Gedränge gestürzt waren, und drückten mich durch Lücken, die eigentlich viel zu klein waren.
Irgendjemand boxte mich in den Magen, und mir verging der Atem. Mein Mieder hing jetzt buchstäblich in Fetzen, so dass sie mir den Rest ohne große Schwierigkeiten ausziehen konnten. Mein Schamgefühl war zwar nie besonders übertrieben gewesen, aber hier halb nackt vor dieser fluchenden Menge zu stehen, die Abdrücke verschwitzter Hände auf den bloßen Brüsten, erfüllte mich mit einem Gefühl des Hasses und der Erniedrigung, das ich nie für möglich gehalten hätte.
John MacRae fesselte mir die Hände vor dem Körper, indem er mir einen Strick um die Handgelenke schlang und ein längeres Ende hängen ließ. Er besaß zwar den Anstand, dabei beschämt auszusehen, doch er blickte mir nicht in die Augen, und mir war klar, dass ich von ihm weder Hilfe noch Milde erwarten konnte; er war der Menge genauso ausgeliefert, wie ich es war.
Geilie war ebenfalls da und wurde zweifellos kaum anders behandelt; aus den Augenwinkeln sah ich ihr Platinhaar im Wind wehen, der sich jetzt plötzlich erhob. Sie warfen den Strick über den Ast einer großen Eiche und zogen fest daran, bis sich meine Arme ausgestreckt über meinen Kopf hoben. Ich biss die Zähne zusammen und klammerte mich fest an meine Wut; sie war meine einzige Waffe gegen die Angst. Es herrschte atemlose Erwartung, hin und wieder unterbrochen von erregtem Gemurmel oder Ausrufen aus der Menge.
»Gib’s ihr, John!«, rief einer der Zuschauer. »Los!«
John MacRae, der wusste, was er seinem Publikum an Dramatik schuldig war, hielt inne, während die Peitsche reglos in Höhe seiner Hüfte hing, und ließ den Blick über die Menge schweifen. Er trat vor und korrigierte vorsichtig meine Position, so dass ich dem Stamm der Eiche zugewandt stand. Dann trat er zwei Schritte zurück, hob die Peitsche und schlug zu.
Der Schock war schlimmer als der Schmerz. Es dauerte sogar einige Hiebe, bis ich begriff, dass der Dorfschulze sein Bestes tat, um mich zu schonen. Dennoch, ein oder zwei Hiebe waren kräftig genug, um die Haut aufplatzen zu lassen; ich spürte das scharfe Kribbeln nach dem Aufprall.
Ich hatte die Augen fest geschlossen, presste die Wange fest an das Holz und stellte mir mit ganzer Kraft vor, ich wäre anderswo. Doch plötzlich hörte ich etwas, das mich augenblicklich ins Hier und Jetzt zurückrief.
»Claire!«