»Wagt Ihr es etwa, die Waffe gegen Gottes Gerichtsbarkeit zu ziehen?«, fauchte der rundliche kleine Richter.
Jamie zog das Schwert. Stahl blitzte auf, dann stieß er es mit der Spitze so fest in den Boden, dass die Wucht den Griff erbeben ließ.
»Ich ziehe sie zur Verteidigung dieser Frau und der Wahrheit«, antwortete er mit eiserner Stimme. »Wenn es hier jemanden gibt, der sich gegen diese beiden stellen will, so verantworte er sich vor mir und vor Gott, in dieser Reihenfolge.«
Der Richter kniff ein paarmal die Augen zu, als sei er außerstande, dieses Verhalten einzuschätzen, dann griff er erneut an.
»Ihr habt keinen Platz im Verfahren dieses Gerichtes, Sir! Ich verlange, dass Ihr die Gefangene augenblicklich herausgebt. Mit Eurem Verhalten werden wir uns alsbald befassen!«
Jamie ließ den Blick kühl über die Richter hinwegschweifen. Ich konnte sein Herz unter meiner Wange hämmern spüren, während ich mich an ihn klammerte, doch seine Hände regten sich nicht. Die eine ruhte auf dem Griff seines Schwertes, die andere auf dem Dolch an seinem Gürtel.
»Was das betrifft, Sir, so habe ich vor dem Altar Gottes geschworen, diese Frau zu beschützen. Und wenn Ihr mir sagen wollt, dass Ihr Eure Autorität für größer haltet als die des Allmächtigen, so muss ich Euch mitteilen, dass ich diese Meinung nicht teile.«
Das Schweigen, das auf diese Worte folgte, wurde von verlegenem Kichern unterbrochen, hier und da gefolgt von nervösem Lachen. Noch hatten wir die Menge zwar nicht auf unserer Seite, doch der Antrieb, der uns der Katastrophe entgegenschleuderte, hatte an Kraft verloren.
Jamie legte mir die Hand auf die Schulter, um mich zu drehen. Ich konnte es nicht ertragen, der Menge gegenüberzutreten, doch ich wusste, dass ich es musste. Ich hob das Kinn, so hoch ich es konnte, und richtete meinen Blick auf ein kleines Boot in der Mitte des Sees, jenseits der Gesichter. Ich starrte es an, bis mir die Augen tränten.
Jamie schlug den Rand des Plaids um. Er hielt es zwar weiter hoch, ließ es aber so weit sinken, dass mein Hals und meine Schultern sichtbar wurden. Er berührte den schwarzen Rosenkranz und ließ ihn sacht hin und her schwingen.
»Gagat würde doch die Haut einer Hexe verbrennen, nicht wahr?«, wollte er von den Richtern wissen. »Ich könnte mir vorstellen, dass dies für das Kreuz unseres Herrn erst recht gilt. Doch seht.« Er schob den Finger unter die Perlen und hob das Kruzifix an. Darunter war meine Haut rein und weiß, makellos bis auf den Schmutz der Gefangenschaft, und die Menge schnappte nach Luft und begann zu murmeln.
Blanker Mut, eiskalte Geistesgegenwart und dieser Instinkt für gutes Theater. Colum MacKenzie hatte Jamies mögliche Ambitionen völlig zu Recht gefürchtet. Und angesichts seiner Angst, ich könnte Hamishs Vaterschaft preisgeben oder das, was er glaubte, was ich darüber wusste, verstand ich auch, warum er mir das angetan hatte. Es war verständlich, aber nicht verzeihlich.
Die Stimmung der Menge war jetzt ins Wanken geraten. Der Blutdurst, der sie bis zu diesem Zeitpunkt angetrieben hatte, verflog allmählich, doch es war immer noch möglich, dass er umschlug wie eine brechende Welle und uns unter sich begrub. Pat und Patachon warfen sich unentschlossene Blicke zu; die jüngsten Entwicklungen hatten sie so verblüfft, dass ihnen die Lage vorübergehend entglitten war.
Geillis Duncan nutzte den Moment und trat vor. Ich weiß nicht, ob es an diesem Punkt noch Hoffnung für sie gab. So oder so … sie schüttelte sich trotzig das Haar über die Schulter und warf ihr Leben fort.
»Diese Frau ist keine Hexe«, sagte sie schlicht. »Ich aber schon.«
So erstklassig Jamies Auftritt auch gewesen sein mochte, dagegen kam er nicht an. Der folgende Aufruhr ließ die Stimmen der Richter vollständig in Fragen und Ausrufen untergehen.
Auch jetzt war nicht zu erkennen, was sie dachte oder empfand; ihre hohe weiße Stirn war glatt; in ihren großen grünen Augen glänzte etwas auf – vielleicht sogar Belustigung. Aufrecht stand sie da in zerlumpten, schmutzigen Kleidern und trotzte ihren Anklägern mit ihrem Blick. Als sich der Tumult ein wenig gelegt hatte, begann sie zu sprechen, nicht etwa, indem sie sich herabließ, die Stimme zu erheben, sondern indem sie die Leute zum Stillsein zwang, um sie hören zu können.
»Ich, Geillis Duncan, bekenne, dass ich eine Hexe bin und die Mätresse Satans.« Dies löste einen weiteren Aufschrei aus, und wieder wartete sie geduldig ab, bis die Leute zur Ruhe kamen.
»Meinem Herrn gehorsam bekenne ich, dass ich meinen Mann, Arthur Duncan, mit den Mitteln der Hexerei ermordet habe.« Bei diesen Worten blickte sie zur Seite und sah mich an, und der Hauch eines Lächelns umspielte ihre Lippen. Ihr Blick fiel auf die Frau mit dem gelben Schultertuch, ohne weicher zu werden. »Aus bösem Willen habe ich einen Bann auf das Wechselbalg gelegt, auf dass es sterbe und das Menschenkind an seiner Stelle bei den Feen bleibe.« Sie drehte sich und wies in meine Richtung.