Mein Äußeres war allerdings kaum besser. Einigermaßen sittsam in Jamies bestes Hemd und die Überreste meines Unterkleids gehüllt, barfuß und mit seinem Plaid um den Schultern sah ich aus wie ein echtes Lumpenweiblein. Angestiftet von der Nebelfeuchte und ungezähmt von Kamm oder Bürste, war mein Haar völlig in Aufruhr. Es war während meines Aufenthalts in der Burg natürlich ebenfalls gewachsen und hing mir verknotet um die Schultern, und wenn der Wind wie jetzt von hinten kam, wehte es mir in die Augen.
Ich schob mir die verirrten Locken aus dem Gesicht und beobachtete, wie der Mann in Grau sich vorsichtig näherte. Jamie brachte unser Pferd zum Stehen und wartete, bis er in Hörweite kam.
»Das ist Jock Graham«, informierte er mich. »Oben aus Murch Nardagh.«
Der Mann kam bis auf wenige Meter an uns heran, hielt an und betrachtete uns argwöhnisch vom Sattel aus. Seine von Speckfalten umringten Augen verengten sich und richteten sich argwöhnisch auf Jamie, dann wurden sie plötzlich groß.
»Lallybroch?«, sagte er ungläubig.
Jamie nickte wohlwollend. Mit einem Besitzerstolz, für den es im Moment wirklich keinen Grund gab, legte er mir die Hand auf den Oberschenkel und sagte: »Und Mylady Lallybroch.«
Jock Graham klappte der Mund auf, dann schloss er ihn hastig und setzte eine Miene verblüfften Respekts auf.
»Äh … meine … Dame«, sagte er. Etwas verspätet zog er den Hut und verneigte sich in meine Richtung. »Dann seid Ihr auf dem Weg nach Hause?«, fragte er, während er sich alle Mühe gab, den Blick nicht auf mein Bein zu richten, das durch einen Riss in meinem Hemd bis zum Knie entblößt und voller Holunderflecken war.
»Aye.« Jamie sah sich nach der Felsenlücke um, von der er mir gesagt hatte, dass sie den Zugang nach Broch Tuarach bildete. »Bist du in letzter Zeit einmal dort gewesen, Jock?«
Graham riss den Blick von mir los. »Och? Oh, aye. Aye, das war ich. Sie sind alle gesund. Freuen sich sicher, dich zu sehen. Also, mach’s gut.« Hastig gab er seinem Pferd die Fersen, wandte sich ab und setzte seinen Weg durch das Tal fort.
Wir sahen ihm nach. Hundert Meter weiter blieb er auf einmal stehen. Er wandte sich im Sattel um, stellte sich in die Bügel und formte einen Trichter mit den Händen, um uns etwas zuzurufen. Der Wind trug die Worte leise, aber deutlich zu uns herüber.
»Willkommen daheim!«
Und er verschwand hinter einer Anhöhe.
Broch Tuarach bedeutet »Turm, der nach Norden blickt«. Vom Hang des darüberliegenden Berges aus unterschied sich der
Wir begannen unseren Abstieg durch eine schmale Felsenlücke zwischen zwei Bergspitzen und führten das Pferd zwischen den Steinbrocken entlang. Dann wurde das Terrain einfacher und fiel sanfter zwischen Feldern und vereinzelten Katen ab, bis wir schließlich auf eine schmale, gewundene Straße stießen, die zum Haus führte.
Es war größer, als ich erwartet hatte; ein ansehnliches zweistöckiges Herrenhaus aus weiß gekälktem Stein, dessen Fenster mit Naturstein umrahmt waren und das ein hohes Schieferdach mit mehreren Schornsteinen hatte. Kleine weiße Nebengebäude drängten sich um das Haus wie Küken um eine Henne. Der alte Steinturm, der hinter dem Haus auf einer kleinen Anhöhe stand, erhob sich gut zwanzig Meter hoch, gekrönt von einem Kegeldach, das aussah wie ein Hexenhut, und umgürtet von drei Reihen kleiner Schießscharten.
Als wir näher kamen, erhob sich plötzlich ein ohrenbetäubender Lärm aus der Richtung der Nebengebäude, und Donas scheute und stieg. Da ich keine gute Reiterin war, fiel ich prompt herunter und landete wenig würdevoll auf der staubigen Straße. Mit seinem angeborenen Sinn für Prioritäten griff Jamie nach dem Zaumzeug des flüchtenden Pferdes und überließ es mir, mich um mich selbst zu kümmern.
Bis ich mich wieder aufgerappelt hatte, hatten mich die bellenden, knurrenden Hunde fast erreicht. In meiner Panik sah ich mindestens ein Dutzend drohende Mäuler vor mir. Da stieß Jamie einen Ausruf aus.
»Bran! Luke!
Die Hunde kamen dicht vor mir rutschend zum Halten und schienen verwirrt. Unsicher knurrend traten sie auf der Stelle, bis Jamie sie erneut anbrüllte.
»Halt, verflixt!« Die Hunde verharrten reglos, bis der größte von ihnen mit der Rute zu schlagen begann, erst einmal, dann zweimal, fragend.
»Claire. Komm und nimm mir das Pferd ab. Es wird sie nicht in seine Nähe lassen, und sie wollen zu mir. Geh langsam; sie tun dir nichts.« Sein Ton war beiläufig, weil er weder das Pferd noch die Hunde zusätzlich nervös machen wollte. Ich war zwar nicht so kaltblütig wie er, schlich aber vorsichtig auf ihn zu. Donas zuckte mit dem Kopf, und ich sah das Weiße rings um seine Augen, als ich nach dem Zügel griff, doch ich war nicht in der Stimmung für seine Temperamentsausbrüche und ruckte fest am Zügel, um ihn am Zaum zu packen.