Doch sie war ein Mensch, der sich nicht zwingen ließ. Ihre Lippen pressten sich fest zu einer schmalen Linie zusammen, als formten sie ein Siegel. Schließlich öffneten sie sich widerstrebend, um drei knappe Worte entweichen zu lassen.
»Kommt darauf an«, sagte sie, und ihre Lippen schlossen sich wieder.
Jamie rieb sich das Gesicht, dann hob er den Kopf, bereit zur nächsten Runde.
»Ich habe doch gesehen, wie du mit Randall ins Haus gegangen bist«, bohrte er hartnäckig weiter. »Und nach dem, was er hinterher zu mir gesagt hat … Woher weiß er denn, dass du ein Muttermal auf der Brust hast?«
Sie prustete heftig. »Weißt du noch alles, was sich an diesem Tag ereignet hat, oder hat es dir der Hauptmann mit dem Säbel ausgeprügelt?«
»Natürlich weiß ich das noch! Das werde ich wohl kaum vergessen!«
»Dann erinnerst du dich vielleicht, dass ich dem Hauptmann an einem gewissen Punkt das Knie in den Schritt gerammt habe?«
Jamie zog argwöhnisch den Kopf ein. »Aye.«
Jenny lächelte überlegen.
»Also schön, wenn deine Frau – du könntest mir wenigstens ihren Namen sagen, Jamie, du hast wirklich keine Manieren –, jedenfalls, wenn sie mit dir so verfahren würde – und du hättest es verdient –, meinst du, du wärst ein paar Minuten später in der Lage, deine ehelichen Pflichten zu erfüllen?«
Jamie, der den Mund schon geöffnet hatte, um etwas zu sagen, schloss ihn abrupt. Einen langen Augenblick starrte er seine Schwester an, dann zuckte es sacht in seinem Mundwinkel.
»Kommt darauf an«, sagte er. Wieder zuckte sein Mund. Er hatte vornübergebeugt auf dem Sessel gesessen, doch jetzt lehnte er sich zurück und musterte sie mit der skeptischen Miene eines jüngeren Bruders, der von seiner Schwester ein Märchen erzählt bekommt und sich eigentlich zu alt findet, um darüber zu staunen, es aber trotzdem beinahe glaubt.
»Wirklich?«, fragte er.
Jenny wandte sich Ian zu. »Hol das Laken, Ian«, befahl sie.
Jamie hob beide Hände und ergab sich. »Nein. Nein, ich glaube dir. Es ist nur … die Art, wie er sich verhalten hat, nachdem …«
Jenny lehnte sich nun ihrerseits zurück und lehnte sich entspannt an Ians Arm, ihren Sohn so dicht an sich gedrückt, wie ihr Bauch es zuließ, ganz die gnädige Siegerin.
»Nun, nach allem, was er da vor dem Haus von sich gegeben hatte, konnte er wohl kaum vor seinen Männern zugeben, dass er nicht dazu imstande gewesen war, oder? Er musste zumindest den Anschein wahren, nicht wahr? Und«, räumte sie ein, »ich muss sagen, dass es ziemlich unangenehm gewesen ist; er hat mich geschlagen und mir das Kleid zerrissen. Er hat es so krampfhaft versucht, dass er mich halb besinnungslos geprügelt hat. Und bis ich wieder zu mir gekommen war und meine Blöße bedeckt hatte, waren die Engländer fort und hatten dich mitgenommen.«
Jamie seufzte tief auf und schloss kurz die Augen. Seine breiten Hände ruhten auf seinen Knien, und ich bedeckte die eine sacht mit der meinen. Er nahm meine Hand, öffnete die Augen und lächelte mir schwach zu, ehe er sich wieder an seine Schwester wandte.
»Also schön«, sagte er. »Aber ich möchte eines wissen, Jenny: Wusstest du, dass er dir, äh, nichts tun würde, als du mit ihm gegangen bist?«
Sie schwieg einen Moment, doch ihr Blick wich nicht vom Gesicht ihres Bruders, und schließlich schüttelte sie den Kopf, den Hauch eines Lächelns auf den Lippen.
Sie hob die Hand, um sich Jamies Widerrede zu verbitten, und die Möwenflügel ihrer Augenbrauen hoben sich fragend. »Wenn dein Leben ein angemessener Preis für meine Ehre ist, kannst du mir sagen, warum meine Ehre kein angemessener Preis für dein Leben ist?« Ihre Brauen zogen sich zu der gleichen finsteren Miene zusammen, die auch ihr Bruder trug. »Oder willst du mir sagen, dass ich dich nicht genauso lieben darf, wie du mich liebst? Denn dann, Jamie Fraser, sage ich dir hier und jetzt, es ist nicht wahr!«
Diese Schlussfolgerung verschlug Jamie, der den Mund geöffnet hatte, um ihr ins Wort zu fallen, plötzlich die Sprache. Er schloss verdattert den Mund, und seine Schwester nutzte ihren Vorteil aus.
»Denn ich liebe dich, selbst wenn du ein dickköpfiger, begriffsstutziger, hirnloser Trottel bist. Und ich lasse es nicht zu, dass du tot vor meinen Füßen liegst, nur weil du zu stur bist, um einmal im Leben deinen Mund zu halten!«
Blaue Augen blickten in blaue Augen, dass die Funken nur so sprühten. Jamie schluckte die Beleidigungen mühsam herunter und rang um eine sachliche Antwort. Er schien einen schweren Entschluss zu fassen.
Schließlich ergab er sich in sein Schicksal und richtete sich auf.
»Also gut, es tut mir leid«, sagte er. »Ich hatte unrecht, und ich bitte dich um Entschuldigung.«
Er und seine Schwester saßen da und starrten sich an, doch die Absolution, auf die er hoffte, erfolgte nicht. Sie betrachtete ihn nur gründlich und biss sich auf die Lippe, blieb aber stumm. Schließlich verlor er die Geduld.
»Ich habe doch gesagt, es tut mir leid! Was willst du denn noch von mir?«, fragte er. »Soll ich vor dir auf die Knie fallen? Ich tue es, wenn ich muss, aber rede mit mir!«