»Von deinem Großvater?«, riet ich und versuchte erfolglos, mir das Kichern zu verkneifen. »Oder deiner Großmutter?«
»Meinem Vater«, sagte er frostig und betrachtete mich von oben herab. »Du erwartest doch nicht, dass ich nackt vor meiner Frau und meinen Pächtern schwimmen gehe, oder?«
Mit beträchtlicher Würde nahm er den wallenden Stoff in die linke Hand und watete in den Mühlteich. Nachdem er sich schwimmend und wassertretend neben dem Rad einen Überblick verschafft hatte, holte er tief Luft und tauchte. Das Letzte, was ich von ihm sah, war der Hintern der roten Unterhose, der sich wie ein Ballon blähte. Der Müller, der aus dem Fenster der Mühle lehnte, rief ihm ermunternde Worte und Anweisungen zu, wann immer sein nass glänzender Kopf die Oberfläche durchbrach, um Luft zu holen.
Das Ufer des Teichs war dicht mit Pflanzen bewachsen, und ich suchte mit meinem Grabstock nach Eibischwurzeln und Mädesüß. Mein Korb war halb gefüllt, als ich hinter mir ein höfliches Hüsteln hörte.
Die Dame war schon sehr alt, zumindest sah sie so aus. Sie stützte sich auf einen Weißdornstock und war in Kleider gehüllt, die sie auch schon zwanzig Jahre zuvor getragen haben musste und die jetzt viel zu voluminös für ihren geschrumpften Körper waren.
»Guten Morgen wünsch’ ich«, sagte sie und nickte mit dem Kopf wie eine Garnspule. Sie trug ein gestärktes weißes Häubchen, das den Großteil ihres Haars verdeckte, doch ein paar eisengraue Strähnchen lugten neben ihren vertrockneten Apfelwangen hervor.
»Guten Morgen«, erwiderte ich und wollte mich gerade höflich aufrappeln, als sie noch ein paar Schritte näher kam und sich dann überraschend anmutig neben mir niederließ. Ich hoffte nur, dass sie auch wieder hochkommen würde.
»Ich bin …«, begann ich, hatte aber kaum den Mund geöffnet, als sie mich schon unterbrach.
»Ihr seid natürlich die neue Herrin. Ich bin Mrs. MacNab – sie nennen mich Großmütterchen MacNab, weil meine Schwiegertöchter ja auch alle Mrs. MacNab sind.« Sie streckte ihre dürre Hand aus und zog meinen Korb auf sich zu, um einen Blick hineinzuwerfen.
»Eibischwurzel – ah, gut gegen Husten. Aber das hier nehmt Ihr besser nicht.« Sie zeigte auf eine kleine bräunliche Knolle. »Sieht aus wie eine Lilienwurzel, ist es aber nicht.«
»Was ist es denn?«, fragte ich.
»Natternzunge. Wenn Ihr das esst, torkelt Ihr kurz darauf wie eine Irre durch die Gegend.« Sie zog die Knolle aus dem Korb und warf sie platschend in den Teich. Danach stellte sie sich den Korb auf ihren Schoß und inspizierte auch die übrigen Pflanzen mit kundiger Miene, was ich mit einer Mischung aus Belustigung und Irritation beobachtete. Schließlich reichte sie ihn mir zufrieden zurück.
»Gar nicht so dumm für eine Sassenach«, stellte sie fest. »Zumindest könnt Ihr Ziest und Gänsefuß auseinanderhalten.« Sie warf einen Blick auf den Teich, wo Jamies Kopf jetzt glänzend wie ein Seehund auftauchte, um dann wieder unter der Mühle zu verschwinden. »Ich sehe, der gnädige Herr hat Euch nicht nur Eures Gesichts wegen geheiratet.«
»Danke«, sagte ich und beschloss, das als Kompliment zu betrachten. Die Augen der Alten richteten sich messerscharf auf meine Taille.
»Noch nicht schwanger?«, wollte sie wissen. »Nehmt Himbeerblätter, die helfen. Lasst eine Handvoll davon mit ein paar Hagebutten ziehen und trinkt das bei zunehmendem Mond, vom Viertel- bis zum Vollmond. Wenn er dann wieder abnimmt, trinkt Berberitze, um Euren Bauch zu spülen.«
»Oh«, sagte ich, »nun ja …«
»Ich wollte den Herrn um einen Gefallen bitten«, fuhr die alte Dame fort. »Aber da er ja im Moment etwas beschäftigt ist, erzähle ich es
»Also schön«, stimmte ich schwach zu, da ich ohnehin nicht wusste, wie ich sie daran hindern sollte.
»Es geht um meinen Enkelsohn«, sagte sie und heftete ihre grauen Murmelaugen auf mich. »Das heißt, um meinen Enkel Rabbie; ich habe insgesamt sechzehn, und drei davon heißen Robert, aber einer ist Bob und der andere Rob, und der kleine ist Rabbie.«
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte ich höflich.
»Ich möchte, dass der gnädige Herr den Jungen als Stalljungen einstellt«, fuhr sie fort.
»Nun, ich kann das nicht …«
»Es liegt an seinem Vater«, unterbrach sie mich und beugte sich vertraulich vor. »Ich will nicht behaupten, dass es schlimm ist, wenn man ab und zu eine feste Hand hat; wer die Rute spart, verdirbt das Kind, habe ich schon oft gesagt. Und unser Herrgott weiß, dass kleine Jungen dazu da sind, ab und zu Prügel zu bekommen, sonst hätte er ihnen nicht solche Flausen in den Kopf gesetzt. Aber wenn es so weit kommt, dass das Kind von oben bis unten windelweich geprügelt wird und blaue Flecken im Gesicht hat, so groß wie meine Hand, und nur, weil es sich ein Plätzchen zu viel vom Teller genommen hat, dann …«
»Ihr meint, Rabbies Vater schlägt den Jungen?«, fiel ich ihr ins Wort.