Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das würde er nicht tun. Was auch immer uns MacDonald erzählt hat, sie werden nicht so einfach aufgeben, nicht bei der Belohnung. Es mag ihnen ja bis jetzt nicht gelungen sein, ihn zu finden, aber sie haben mit Sicherheit jemanden zurückgeschickt, der für den Fall des Falles den Hof im Auge behält. Nein, das ist der einzige Ort, wohin er nicht gehen würde.« Sie zerrte an ihrem Halsausschnitt. Es war zwar kalt, aber sie schwitzte ein wenig, und ich konnte dunkle Flecken auf der Brust ihres Kleides erkennen, weil ihr die Milch auslief.
Sie sah meinen Blick und nickte. »Aye, ich muss bald zurück. Mrs. Crook füttert die Kleine mit Ziegenmilch und Zuckerwasser, aber lange hält sie es nicht mehr ohne mich aus und ich nicht ohne sie. Aber ich lasse dich nur ungern allein.«
Ich war auch nicht begeistert von der Vorstellung, die schottischen Highlands allein nach einem Mann absuchen zu müssen, der sonst wo sein konnte, aber ich machte gute Miene zum bösen Spiel.
»Ich komme schon zurecht«, sagte ich. »Es könnte schlimmer sein, denn wenigstens lebt er noch.«
Am Abend kauerten wir uns an das Feuer und redeten nicht viel. Jenny war in Gedanken ganz bei ihrem im Stich gelassenen Kind und ich bei der Frage, was ich allein anstellen sollte, ohne mich ernsthaft in der Gegend auszukennen oder Gälisch zu sprechen.
Auf einmal fuhr Jennys Kopf abrupt hoch, und sie lauschte. Ich richtete mich steil auf und spitzte ebenfalls die Ohren, hörte aber nichts. Aufmerksam folgte ich Jennys Blickrichtung in den dunklen Wald, sah aber Gott sei Dank keine Augen in seinen Tiefen aufleuchten.
Als ich mich wieder dem Feuer zuwandte, saß Murtagh auf der anderen Seite und wärmte sich in aller Seelenruhe die Hände über den Flammen. Bei meinem Schreckensschrei fuhr Jenny herum und stieß ein kurzes Lachen der Überraschung aus.
»Ich hätte euch beiden die Kehle durchschneiden können, ehe ihr auch nur in die richtige Richtung schaut«, stellte er fest.
»Ach ja?« Jenny saß nun mit hochgezogenen Knien da und hatte die Hände vor den Fußknöcheln verschränkt. Wie der Blitz fuhr ihre Hand unter ihren Rock, und die Klinge eines
»Gar nicht schlecht«, räumte Murtagh ein. »Ist die kleine Sassenach auch so gut?«
»Nein«, sagte Jenny und steckte sich die Klinge wieder in den Strumpf. »Deshalb ist es auch sehr gut, dass du sie begleiten wirst. Ich nehme an, Ian hat dich hergeschickt?«
Der kleine Mann nickte. »Aye. Habt ihr die Patrouille schon gefunden?«
Wir erzählten ihm, was wir bis jetzt erreicht hatten. Als er hörte, dass Jamie entkommen war, hätte ich schwören können, dass sein Mundwinkel zuckte, doch es wäre übertrieben gewesen, es als Lächeln zu bezeichnen.
Schließlich erhob sich Jenny und faltete ihre Decke zusammen.
»Wohin willst du denn?«, fragte ich überrascht.
»Nach Hause.« Sie wies kopfnickend auf Murtagh. »Er ist ja jetzt bei dir; du brauchst mich nicht mehr, andere aber umso mehr.«
Murtagh blickte zum Himmel auf. Der Mond war schwach hinter einem Wolkenschleier zu sehen, und ein Hauch von Regen ließ das Kieferngeäst über uns rauschen.
»Das geht doch auch morgen. Der Wind wird stärker; heute Nacht wird kaum jemand unterwegs sein.«
Jenny schüttelte den Kopf und steckte sich das Haar unter ihrem Kopftuch fest. »Ich kenne den Weg. Und wenn niemand unterwegs ist, kann mich schließlich auch niemand aufhalten, oder?«
Murtagh seufzte ungeduldig. »Du bist genauso stur wie dein Ochse von einem Bruder, wenn du mir den Ausdruck verzeihst. Kein Grund zur Eile, soweit ich das beurteilen kann – und ich glaube kaum, dass sich dein Mann eine Dirne ins Bett geholt hat, seit du fort bist.«
»Dein Blick reicht genau bis zu deiner Nasenspitze, und deine Nase ist nicht sehr lang«, antwortete Jenny beißend. »Wenn du in deinem Alter nicht weißt, dass man sich nicht zwischen eine stillende Mutter und ein hungriges Kind stellt, ist es wahrhaftig traurig um deinen Verstand bestellt.«
Murtagh ergab sich mit erhobenen Händen. »Oh, aye, mach, was du willst. Ich wusste ja nicht, dass ich es hier mit einer Wildsau zu tun habe. Am Ende rammt sie mir für meine Mühen noch den Zahn ins Bein.«
Jenny lachte so unerwartet wie amüsiert, und auf ihren Wangen erschienen zwei Grübchen. »Das könnte schon sein, du alter Haudegen.« Sie bückte sich und hievte sich den Sattel auf das Knie. »Also, pass gut auf meine Schwägerin auf, und lasst uns eine Nachricht zukommen, wenn ihr Jamie gefunden habt.«
Als sie sich abwandte, um das Pferd zu satteln, fügte Murtagh hinzu: »Übrigens wirst du eine neue Küchenmagd antreffen, wenn du heimkommst.«
Sie hielt inne und betrachtete ihn stirnrunzelnd, dann ließ sie den Sattel auf den Boden sinken. »Und wer kann das sein?«, fragte sie.
»Die Witwe MacNab«, erwiderte er bedächtig.
Sie erstarrte einen Moment, und nichts bewegte sich außer ihrem Kopftuch und dem Umhang, der im zunehmenden Wind flatterte.
»Wie?«, fragte sie schließlich.