Unser Auftritt wurde mit jubelndem Applaus aufgenommen, und die Zigeuner zeigten sich erkenntlich, indem ein junger Mann zur Begleitung einer betagten Geige ein inbrünstiges Klagelied sang. Ein kleines Mädchen von etwa acht Jahren schlug mit großem Ernst ein Tamburin dazu.
Während Murtagh in den Dörfern und Katen sehr vorsichtig mit seinen Fragen gewesen war, legte er bei den Zigeunern völlige Offenheit an den Tag. Zu meiner Überraschung erzählte er ihnen ganz unverhohlen, wen wir suchten; einen Hünen mit Haaren wie Feuer und Augen wie der Sommerhimmel. Überall im Wohnwagen wurden fragende Blicke gewechselt, doch die Zigeuner schüttelten ebenso einstimmig wie bedauernd die Köpfe. Nein, sie hatten ihn nicht gesehen. Doch … Und hier deutete ihr Anführer, der junge Mann mit dem purpurfarbenen Hemd, der uns anfangs willkommen geheißen hatte, pantomimisch die Entsendung eines Boten an, sollten sie dem Mann begegnen, den wir suchten.
Ich verbeugte mich lächelnd, und Murtagh versuchte sich seinerseits an einer Pantomime, bei der Informationen gegen Geld eingetauscht wurden. Darauf reagierten sie freundlich, doch ich sah auch kalkulierende Blicke. Ich war froh, als Murtagh verkündete, dass wir nicht über Nacht bleiben könnten, sondern weitermüssten, sagte aber trotzdem danke. Er schüttelte ein paar Münzen aus seinem Sporran und ließ die Leute deutlich sehen, dass er nur eine Handvoll Kupferpennys enthielt. Nachdem er diese als Dank für das Abendessen verteilt hatte, brachen wir auf, gefolgt von lautstarken Abschiedsgrüßen, Dankesworten und guten Wünschen – zumindest ging ich davon aus.
Es war natürlich genauso gut möglich, dass sie uns versprachen, uns zu folgen und uns die Kehlen durchzuschneiden, denn Murtagh verhielt sich exakt so, als sei das der Fall. Auf sein Geheiß hin galoppierten wir zwei Meilen bis zur nächsten Kreuzung und duckten uns dann ins Gebüsch, um einen beträchtlichen Schlenker zu reiten, ehe wir die Straße wieder betraten.
Murtagh blickte vor und zurück, doch die Straße lag leer in der verblassenden, regennassen Abenddämmerung.
»Meinst du wirklich, sie sind uns gefolgt?«, fragte ich neugierig.
»Ich weiß es nicht, aber da sie zu zwölft sind und wir nur zu zweit, dachte ich, es ist besser, wenn wir so tun, als wäre es so.« Das klang vernünftig, und ich folgte ihm fraglos durch einige weitere Ablenkungsmanöver, bis wir schließlich in Rossmoor eintrafen, wo wir Unterschlupf in einer Scheune fanden.
Am nächsten Tag fiel Schnee. Nur ganz wenig, gerade so viel, dass er den Boden weiß bestäubte wie Mehl auf dem Boden einer Mühle, doch es bereitete mir Sorgen. Ich dachte nicht gern daran, wie Jamie allein und schutzlos in der Heide den Winterstürmen trotzte, bekleidet nur mit dem Hemd und Plaid, das er bei seiner Ergreifung durch die Patrouille getragen hatte.
Zwei Tage später traf der Bote ein.
Die Sonne stand zwar noch über dem Horizont, doch in den Felsentälern war schon Abend. Der Schatten unter den kahlen Bäumen war so tief, dass der Pfad – falls es ihn gab – so gut wie unsichtbar war. In meiner Angst, den Boten in der Dunkelheit zu verlieren, ging ich so dicht hinter ihm, dass ich ihm ein- oder zweimal sogar auf den Saum seines Umhangs trat. Schließlich drehte er sich mit einem ungeduldigen Grunzlaut um und stieß mich vor sich. Dann legte er mir den Arm schwer auf die Schulter und schob mich durch die Dämmerung.
Ich hatte das Gefühl, als wären wir schon ewig unterwegs. Inmitten von hoch aufragenden Felsen und totem Unterholz hatte ich längst jeden Orientierungssinn verloren. Ich konnte nur hoffen, dass Murtagh irgendwo hinter uns war und sich zumindest in Hörweite hielt, wenn er schon nicht zu sehen war. Der Mann, der mich in dem Wirtshaus abgeholt hatte, ein Zigeuner in den mittleren Jahren, der kein Wort Englisch sprach, hatte sich resolut geweigert, irgendjemanden mitzunehmen außer mir. Mit großem Nachdruck hatte er erst auf Murtagh und dann auf den Boden gezeigt, um ihm zu bedeuten, dass er bleiben musste, wo er war.
Um diese Jahreszeit wurde es abends schnell bitterkalt, und mein schwerer Umhang bot kaum Schutz vor den jähen Windstößen, die uns auf den Lichtungen entgegenschlugen. Ich war hin- und hergerissen zwischen meiner Bestürzung über die Vorstellung, dass Jamie die eisigen, nassen Spätherbstnächte schutzlos im Freien verbringen musste, und freudiger Erregung bei dem Gedanken, ihn wiederzusehen. Mir lief ein Schauder über den Rücken, der nichts mit der Kälte zu tun hatte.