»Ich weiß es nicht.« Sein attraktives Gesicht war zwar voller Argwohn, hielt aber nichts vor mir verborgen. »Es war einer der drei Männer – Gesetzlose –, mit denen Jamie damals auf der Jagd war. Sie haben sich alle gegenseitig beschuldigt, und es war unmöglich, die Wahrheit herauszubekommen.« Er zuckte mit den Achseln, und der Umhang glitt ihm von der Schulter.
»Es spielt jetzt keine große Rolle mehr; zwei der Männer sind tot, der dritte sitzt im Gefängnis. Wegen einer anderen Tat, aber das ist gleichgültig, meinst du nicht?«
»Vermutlich, ja.« Irgendwie war es auch erleichternd festzustellen, dass er kein Mörder war, ganz gleich, was er sonst sein mochte. Er hatte ja keinen Grund, mich anzulügen; soweit er das wusste, war ich vollkommen hilflos. Allein konnte er mich zwingen zu tun, was immer er wünschte. Zumindest glaubte er das wahrscheinlich. Ich legte die Hand um den Knauf meines Dolches.
Das Licht in der Höhle war schlecht, doch ich beobachtete ihn genau, und ich konnte die Unentschlossenheit sehen, die ihm kurz über das Gesicht huschte, als er sich seinen nächsten Schritt zurechtlegte. Er trat mit ausgestreckter Hand auf mich zu, blieb aber stehen, als er sah, wie ich zurückzuckte.
»Claire. Liebste Claire.« Seine Stimme war jetzt sanft, und er fuhr mir sacht mit der Hand über den Arm. Er hatte also beschlossen, es mit Verführung zu versuchen, nicht mit Zwang.
»Ich weiß, warum du so kalt zu mir sprichst und warum du schlecht von mir denkst. Du weißt, dass ich für dich brenne, Claire. Und das stimmt – ich will dich, seit ich beim
Dann muss er mein Gesicht gesehen haben, denn er beendete seine Avancen, obwohl er seine Hand liegen ließ, wo sie war – sie ruhte sacht auf dem rasenden Puls an meinem Hals.
»Trotzdem«, fuhr er fort, »trotz meiner Gefühle – denn ich will es nicht länger vor dir verbergen –, trotzdem würdest du doch niemals glauben, dass ich Jamie im Stich lassen würde, wenn es auch nur die geringste Hoffnung gäbe, ihn zu retten? Jamie Fraser ist für mich das, was einem Sohn am nächsten kommt.«
»Nicht ganz«, sagte ich. »Da ist noch dein richtiger Sohn. Oder inzwischen vielleicht zwei?« Die Finger an meinem Hals verstärkten ihren Druck, nur eine Sekunde, dann verschwanden sie.
»Wie meinst du das?« Ganz ohne Spielchen jetzt und ohne jede Verstellung. Seine Haselaugen waren gebannt, seine vollen Lippen eine grimmige Linie in seinem rot-braunen Bart. Er war groß und kräftig, und er war mir sehr nah. Doch ich war schon zu weit gegangen, um jetzt noch vorsichtig zu sein.
»Ich meine, ich weiß, wer Hamishs Vater wirklich ist«, sagte ich. Er hatte offenbar schon halb damit gerechnet, und er hatte sein Gesicht gut im Griff, doch der letzte Monat, den ich als Wahrsagerin verbracht hatte, war nicht umsonst gewesen. Ich sah das leichte Erschrecken, das ihm die Augen weitete, und die plötzliche Panik, rasch unterdrückt, die ihm die Mundwinkel verzog.
Treffer. Trotz der Gefahr erlebte ich einen Moment des Triumphes. Ich hatte also recht gehabt, und dieses Wissen war möglicherweise genau die Waffe, die ich brauchte.
»Ach ja?«, sagte er leise.
»Ja«, sagte ich, »und ich nehme an, Colum weiß es auch.«
Das ließ ihn kurz innehalten. Er kniff die Augen zusammen, und eine Sekunde lang fragte ich mich, ob er wohl bewaffnet war.
»Ich glaube, er hat eine Zeitlang gedacht, es wäre Jamie«, sagte ich und blickte ihm direkt in die Augen. »Wegen der Gerüchte. Ich nehme an, du hast dahintergesteckt und es Geillis Duncan zugeflüstert. Warum? Weil Colum anfing, Jamie zu verdächtigen, und er Letitia Fragen gestellt hat? Sie hätte ihm nicht lange standhalten können. Oder dachte Geilie vielleicht, du wärst Letitias Liebhaber, und du hast ihr gesagt, es wäre Jamie, um ihren Argwohn zu stillen? Sie ist eine eifersüchtige Frau, aber jetzt kann sie ja keinen Grund mehr haben, dich in Schutz zu nehmen.«
Dougal lächelte grausam. Das Eis wich keine Sekunde aus seinen Augen.
»Nein, das kann sie nicht«, pflichtete er mir immer noch leise bei. »Die Hexe ist tot.«
»Tot!« Der Schock musste mir genauso deutlich anzusehen wie anzuhören gewesen sein. Sein Lächeln wurde breiter.
»Oh, aye«, sagte er. »Verbrannt. Mit den Füßen in ein Fass voll Pech gesteckt und dann mit trockenem Torf überhäuft. An einen Pfosten gebunden und wie eine Fackel angezündet. Als Flammensäule zur Hölle geschickt, unter den Zweigen einer Eberesche.«