Schließlich ließ der Führer mich anhalten, drückte mir warnend die Schulter, verließ den Pfad und verschwand. Ich blieb stehen, so geduldig ich konnte, die Hände unter die verschränkten Arme gesteckt, um mich zu wärmen. Ich war mir sicher, dass er – oder sonst irgendjemand – zurückkommen würde; ich hatte ihn ja noch nicht bezahlt. Dennoch, der Wind fuhr klappernd durch die abgestorbenen Brombeeren wie der vorüberhuschende Geist eines Hirsches, der immer noch in Panik vor dem Jäger flieht. Dazu drang mir die Nässe durch die Nähte meiner Schuhe; das Otterfett, mit dem ich sie wasserdicht gemacht hatte, hatte sich abgenutzt, und ich hatte keine Gelegenheit gehabt, es neu aufzutragen.
Genauso plötzlich, wie er verschwunden war, tauchte der Führer wieder auf, und ich biss mir auf die Zunge, als ich meinen Ausruf der erschreckten Überraschung herunterschluckte. Mit einem Ruck seines Kopfes wies er mich an, ihm zu folgen, und hielt einige abgestorbene Erlenzweige beiseite, um mich durchzulassen.
Der Eingang der Höhle war schmal. Auf einem Felsensims stand eine Laterne, die mir den Umriss der hochgewachsenen Gestalt zeigte, die sich jetzt dem Eingang zuwandte, um mir entgegenzukommen.
Ich stürzte auf ihn zu, doch noch ehe ich ihn berührte, war mir klar, dass es nicht Jamie war. Die Enttäuschung traf mich wie ein Schlag in die Magengrube, und ich musste einen Schritt zurückweichen und mehrmals schlucken, um zu verhindern, dass mir die Galle in die Kehle stieg.
Ich ballte die Hände zu Fäusten und drückte sie fest an meine Oberschenkel, bis ich mich so weit beruhigt hatte, dass ich etwas sagen konnte.
»Du hast dich wohl verirrt, wie?«, fragte ich mit einer Stimme, deren Kühle mich selbst erstaunte.
Dougal MacKenzie hatte mein Ringen um Fassung beobachtet, und sein dunkles Gesicht war dabei nicht ohne Mitgefühl geblieben. Jetzt nahm er meinen Ellbogen und führte mich tiefer in die Höhle hinein. An der Rückwand lag ein Haufen Stoffbündel aufeinandergestapelt, viel mehr, als ein einziges Pferd tragen konnte. Er war also nicht allein. Und was auch immer er und seine Männer da transportierten, es war etwas, was er den neugierigen Blicken der Wirtsleute und Stallknechte lieber vorenthielt.
»Unter die Schmuggler gegangen?«, sagte ich und wies kopfnickend auf den Stapel. Dann dachte ich nach und beantwortete mir die Frage selbst. »Nein, keine Schmuggelware – Ausrüstung für Prince Charles, hm?«
Er würdigte mich keiner Antwort, sondern setzte sich mir gegenüber auf einen Felsen und legte die Hände auf die Knie.
»Ich habe Neuigkeiten«, sagte er abrupt.
Ich holte tief Luft und machte mich auf alles gefasst. Neuigkeiten, und zwar seiner Miene nach keine guten. Wieder holte ich Luft, schluckte krampfhaft und nickte.
»Heraus damit.«
»Er lebt noch«, sagte er, und der größte Eisklumpen in meinem Magen löste sich auf. Dougal legte den Kopf zur Seite und beobachtete mich sehr genau. Um zu sehen, ob ich in Ohnmacht fallen würde?, fragte ich mich dumpf. Ganz egal; das würde ich gewiss nicht tun.
»Sie haben ihn vor zwei Wochen in der Nähe von Kiltarlity ergriffen«, sagte Dougal, ohne den Blick von mir abzuwenden. »Nicht seine Schuld, einfach Pech. Er hat eine Wegbiegung genommen und stand plötzlich sechs Dragonern gegenüber. Einer hat ihn erkannt.«
»Ist er verletzt?« Meine Stimme war zwar noch ruhig, doch meine Hände begannen jetzt zu zittern. Ich presste sie flach an meine Beine, um es zu verhindern.
Dougal schüttelte den Kopf. »Soweit ich weiß, nicht.« Er hielt einen Moment inne. »Er ist im Gefängnis von Wentworth«, sagte er zögernd.
»Wentworth«, wiederholte ich mechanisch. Das Gefängnis von Wentworth war eine mächtige Festung, die Ende des sechzehnten Jahrhunderts erbaut und im Lauf der nächsten hundertfünfzig Jahre immer wieder erweitert worden war. Inzwischen nahm der ausladende Steinhaufen eine riesige Fläche ein und war hinter meterdicken Mauern aus wettergegerbtem Granit versiegelt. Doch auch Granitmauern haben Tore, dachte ich. Ich blickte auf, um eine Frage zu stellen, und sah, dass Dougals Miene immer noch von Zögern geprägt war.
»Was denn noch?«, fragte ich. Seine haselgrünen Augen sahen mich entschlossen an.
»Sie haben ihm vor drei Tagen den Prozess gemacht«, sagte Dougal. »Und ihn zum Galgen verurteilt.«
Der Eisklumpen war wieder da und hatte sich Gesellschaft mitgebracht. Ich schloss die Augen.
»Wie lange noch?«, fragte ich. Meine Stimme klang furchtbar fern, und ich öffnete die Augen wieder und blinzelte in den flackernden Laternenschein, um scharf sehen zu können. Dougal schüttelte den Kopf.
»Ich weiß es nicht. Aber nicht mehr lange.«
Das Atmen fiel mir jetzt ein wenig leichter, und es gelang mir, die Fäuste zu öffnen.
»Dann sollten wir uns beeilen«, sagte ich immer noch ruhig. »Wie viele Männer hast du dabei?«