Читаем Outlander – Feuer und Stein: 1 (German Edition) полностью

Dieser Gedanke schreckte mich aus meiner Untätigkeit auf. Ich hatte keine Zeit, mich mit Meditationen am Grabesrand aufzuhalten, sonst würde bald noch ein weiteres blaues Augenpaar blicklos in den fallenden Schnee hinaufstarren.

Ich musste Murtagh und Rupert finden. Vielleicht konnte uns diese versteckte Hintertür ja von Nutzen sein. Sie war eindeutig weder befestigt noch bewacht wie das Haupttor und die anderen Eingänge des Gefängnisses. Doch ich brauchte Hilfe, und zwar schnell.

Ich blickte zum Rand des Grabens hinauf. Die Sonne stand ziemlich tief; sie schien dicht über den Baumwipfeln durch einen Wolkenschleier hindurch. Die Luft war schwer vor Feuchtigkeit. Wahrscheinlich würde es wieder schneien, wenn es dunkel wurde; im Osten zogen dichte Wolken heran. Eine Stunde würde es vielleicht noch hell sein.

Ich begann, dem Graben zu folgen, weil ich seine steilen Felswände erst erklimmen wollte, wenn ich es tatsächlich musste. Die kleine Schlucht entfernte sich bald in einem Bogen von der Festung, und es sah so aus, als führte sie hinunter zum Fluss; vermutlich nahm das Schmelzwasser die Abfälle des Gefängnisses mit. Ich war fast an der Ecke des Gemäuers angelangt, als ich hinter mir ein schwaches Geräusch hörte. Ich fuhr herum. Das Geräusch stammte von einem Stein, der vom Rand des Grabens fiel, losgetreten durch die Pfote eines großen grauen Wolfes.

Aus der Perspektive eines Wolfes besaß ich gewisse begehrenswerte Eigenschaften, die mich zu einer Alternative zu den Nahrungsmitteln unter dem Schnee machten. Einerseits war ich zwar beweglich und schwer zu fangen und würde mich möglicherweise wehren. Andererseits war ich langsam, unbeholfen und vor allem nicht gefroren, so dass man sich an mir nicht die Zähne ausbeißen würde. Außerdem roch ich nach frischem Blut, verführerisch und warm inmitten der gefrorenen Abfälle. Wäre ich ein Wolf, dachte ich, würde ich nicht zögern. Das Tier kam gleichzeitig mit mir zu seinem Entschluss, was unseren künftigen Umgang miteinander betraf.

Im Lazarett hatte einmal ein Yankee namens Charlie Marshall gelegen. Ein netter Kerl, freundlich wie alle Amerikaner, und er konnte sich höchst unterhaltsam über sein Lieblingsthema auslassen. Sein Lieblingsthema waren Hunde; Charlie war Sergeant im K9-Korps. Er war in der Nähe von Arles zusammen mit zweien seiner Hunde durch eine Landmine in die Luft geflogen. Er trauerte sehr um seine Hunde und erzählte mir oft von ihnen, wenn ich einmal einen Moment Zeit hatte, um mich zu ihm zu setzen.

Wichtiger noch, er hatte mir auch erzählt, was ich tun und nicht tun sollte, falls ich einmal von einem Hund angegriffen wurde. Ich hatte zwar den Eindruck, dass es nicht ganz passend war, die gespenstische Kreatur, die jetzt vorsichtig die Felsen hinunterstieg, als Hund zu bezeichnen, doch ich hoffte, dass er doch den einen oder anderen Charakterzug mit seinen zahmen Nachkommen gemeinsam hatte.

»Böser Hund«, sagte ich mit fester Stimme und starrte ihm in die gelben Augen. »Eigentlich«, fuhr ich fort, während ich langsam an die Festungsmauer zurückwich, »bist du sogar ein ganz furchtbarer Hund.« (Entschlossen und laut sprechen, hörte ich Charlie sagen.) »Ich glaube nicht, dass ich jemals einen schlimmeren Hund gesehen habe«, sagte ich entschlossen und laut. Ich wich weiter zurück und tastete hinter mir mit einer Hand nach den Steinen der Mauer. Als ich sie erreicht hatte, bewegte ich mich allmählich auf die Ecke zu, die etwa zehn Meter entfernt lag.

Ich zog an den Bändern und fingerte an der Brosche herum, die meinen Umhang am Hals zusammenhielten, während ich den Wolf weiter entschieden und laut tönend davon in Kenntnis setzte, was ich von ihm, seinen Vorfahren und seiner Verwandtschaft hielt. Das Tier schien sich durchaus für meinen Vortrag zu interessieren und ließ mit einem Hundegrinsen die Zunge heraushängen. Er hatte es eilig; während er näher rückte, registrierte ich, dass er schwach humpelte. Er war dünn, und sein Fell war schütter. Vielleicht fiel es ihm ja schwer zu jagen, und es war Schwäche, die ihn dazu trieb, in den Gefängnisabfällen zu wühlen. Das hoffte ich sehr; je schwächer, desto besser.

Ich fand meine Lederhandschuhe in der Tasche meines Umhangs und streifte sie über. Dann wickelte ich mir den schweren Umhang mehrmals um den rechten Unterarm und dankte meinem Schöpfer für das stabile Gewebe. »Er wird dir an die Kehle gehen«, hatte mich Charlie gelehrt, »es sei denn, sein Ausbilder gibt ihm ein anderes Kommando. Halte Blickkontakt; du siehst den Moment, in dem er sich zum Sprung entschließt. Das ist dein Moment.«

Ich konnte eine ganze Reihe von Dingen in diesen boshaften gelben Augäpfeln sehen, darunter Hunger, Neugier und Spekulation, jedoch noch keinen Entschluss zu springen.

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