Im ersten Moment dachte ich, eins meiner Geschosse hätte getroffen. Der Wolf, der mir am nächsten war, jaulte auf und schien sich zusammenzukrampfen. Der zweite Pfeil flog keinen halben Meter an mir vorbei, und ich sah eine verschwommene Bewegung, ehe er den zweiten Wolf in die Brust traf. Das Tier starb, wo es gestanden hatte. Der erste Wolf, der weniger lebensgefährlich getroffen war, trat im Schnee um sich, ein zuckender Fellhaufen im zunehmenden Dämmerlicht.
Ein paar Sekunden stand ich benommen da und starrte ihn an, dann blickte ich instinktiv zur Kante des Grabens hinauf. Der dritte Wolf hatte es klugerweise vorgezogen, im Wald zu verschwinden, wo sich jetzt schauderhaftes Geheul erhob.
Mein Blick war immer noch zu den dunklen Bäumen emporgerichtet, als mich eine Hand am Ellbogen packte. Ich fuhr keuchend herum und blickte in das Gesicht eines Fremden. Er hatte ein schmales Gesicht und ein fliehendes Kinn, das von seinem schäbigen Bart kaum verhüllt wurde; tatsächlich ein Fremder, doch sein Plaid und sein Dolch wiesen ihn als Schotten aus.
»Hilfe«, sagte ich und fiel ihm in die Arme.
Kapitel 36
MacRannoch
Es war dunkel in der Kate, und in der Zimmerecke stand ein Bär. Panisch fuhr ich zurück und prallte gegen meinen Begleiter, denn ich wollte nichts mehr mit wilden Tieren zu tun haben. Er beförderte mich mit einem Stoß ins Innere der Kate. Während ich auf das Feuer zustolperte, wandte sich die gewaltige Gestalt in meine Richtung … und ich begriff etwas spät, dass es nur ein kräftiger Mann in einem Bärenfell war.
In einem Umhang aus Bärenfell, um genau zu sein, der am Hals mit einer Silberbrosche von der Größe meiner Handfläche befestigt war. Sie hatte die Form zweier springender Hirsche mit gerundeten Rücken, die sich an den Köpfen trafen und so einen Kreis bildeten. Die Befestigungsnadel war ein kurzer, sich verjüngender Fächer, der am Ende geformt war wie das Schwänzchen eines flüchtenden Rehs.
Die Brosche fiel mir deshalb so detailliert ins Auge, weil ich sie direkt vor meiner Nase hatte. Als ich den Kopf hob, zog ich für einen Moment die Möglichkeit in Betracht, dass ich mich geirrt hatte; vielleicht war es ja doch ein Bär.
Aber Bären trugen vermutlich in der Regel keine Broschen und hatten zudem keine Augen wie Blaubeeren, klein, rund, glänzend und dunkelblau. Sie lagen tief in kräftigen Wangen, deren untere Hälfte mit silbermeliertem schwarzem Haar bewaldet war. Ganz ähnliches Haar fiel ihm über die kräftigen Schultern auf das Fell des Umhangs, das ungeachtet seiner neuen Verwendung immer noch durchdringend nach seinem früheren Besitzer roch.
Die scharfsinnigen Äuglein huschten über mich hinweg und machten sich ein Bild vom mitgenommenen Zustand meiner Aufmachung und ihrer eigentlich guten Qualität, bis hin zu den beiden Eheringen in Gold und Silber. Dementsprechend formulierte der Bär seine Begrüßung.
»Ihr scheint Euch in Schwierigkeiten befunden zu haben, Mistress«, sagte er förmlich und neigte seinen massigen Kopf, auf dem schmelzender Schnee glitzerte. »Vielleicht können wir Euch behilflich sein?«
Ich war mir nicht sicher, was ich sagen sollte. Die Hilfe dieses Mannes brauchte ich dringend, und doch würde ich auf der Stelle seinen Argwohn wecken, wenn er mir anhörte, dass ich Engländerin war. Der Bogenschütze, der mich hergebracht hatte, kam mir zuvor.
»Habe sie in der Nähe von Wentworth gefunden«, sagte er lakonisch. »Ist von Wölfen angefallen worden. Engländerin«, fügte er mit einer Betonung hinzu, die den Blick meines Gastgebers mit einer unangenehm nachdenklichen Miene auf mich lenkte. Ich richtete mich zu voller Größe auf und beschwor die Oberschwester herauf, so gut ich es konnte.
»In England geboren, in Schottland verheiratet«, sagte ich mit fester Stimme. »Mein Name ist Claire Fraser. Mein Mann ist als Gefangener in Wentworth.«
»Ich verstehe«, sagte der Bär langsam. »Nun, mein Name ist MacRannoch, und Ihr befindet Euch auf meinem Land. Ich kann Eurem Kleid ansehen, dass Ihr eine Frau aus gutem Hause seid; was führt Euch in einer Winternacht allein in den Wald von Eldridge?«
Allmählich fing ich mich wieder; dies war meine Chance, ihn von meiner Glaubwürdigkeit zu überzeugen – und Murtagh und Rupert zu finden.
»Ich bin mit einigen Verwandten meines Mannes nach Wentworth gekommen. Da ich Engländerin bin, dachten wir, ich würde vielleicht Einlass in die Festung finden, um ihn, äh, herauszuholen. Doch ich … ich habe das Gefängnis auf einem anderen Weg wieder verlassen. Ich war auf der Suche nach meinen Freunden, als mich die Wölfe angefallen haben – vor denen mich dieser Herr gütigerweise gerettet hat.« Ich richtete ein dankbares Lächeln auf den hageren Bogenschützen, der es mit ehernem Schweigen entgegennahm.